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[ox] Universalmaterialisatoren - Fabbers



liste oekonux.de (smerten oekonux.de) schrieb vor längerer Zeit:

Klar - aber auch hier würde es ja darum gehen, immer unspezifischere
Maschinen zu haben - Stichwort Universalmaterialisatoren. D.h. die
Virtualität der Virtualität würde sich nach und nach auf die
Materialität zurückwirken. D.h. der (Industrie)roboter, der morgens
Autos zusammenschweißt, mittags operiert. Vielleicht ein bißchen sehr
weit gespannt, aber in diese Richtung denke ich, müßte es gehen.

Hans Gert Graebe kommentierte

Nun ja, halte ich aber fuer ein Thema des 23. Jahrhunderts (unter Bezug
auf die wohlbekannte SF-Serie), also _sehr_ weit weg.

Glaube ich nicht, wir haben schon erlebt wie rasch die Zukunft
Gegenwart wird. In diesem Sinn ist die Fabber Geschichte 
höchst relevant, vor allem wegen der analytischen Komponente
subtraktiv-additiv-verformend. 
Es kommt freilich darauf an, welche Zukunft.
Gestaltung von Technologien ist zunehmend eine Konkurrenz
verschiedener Visionen und daher möchte ich ein paar 
unzusammenhängende Bemerkungen machen.

1.

"Universalmaterialisator" ist wohl eine irreführende Bezeichnung.
Automation und Information bewirken sehr wohl unglaublichen 
Formwandel, (Roh-) Materialien setzen sie aber voraus, und sei es
durch Disassemblierung von Abfällen. Wieder kommt mein Lieblings-
motiv rein: die Verkettung von Assemblierung und Disassemblierung
in regionalen Stoffkreisläufen, um den permanenten Zwang zum
Externalisieren von Stoffresten zu entgehen.
Es scheint eine gewisse Affinität zwischen solchen dezentralen
Technologien und der Vermeidung von Risiko- und Gefahrenstoffen
zu geben. Vielleicht kann jemand mehr dazu sagen, ich hab versucht,
in der jüngsten "Bibel" der Nachhaltigen Produktion
(http://www.natcap.org/ ) ein paar Belege zu finden,
aber noch wenig Konkretes gefunden...

2.

Als wir jung waren, hießen diese Dinge in der SciFi-Literatur 
"Multiduplikator" oder "Replikator", das kommt der Sache schon 
näher, aber reicht noch lange nicht hin. Warum sollte es bloß
um Kopien und nicht um Originale gehen? Soll heißen: Automatisierung
mit Kreation verbinden. Das denke ich ist aber ohnehin mittlerweile
Konsensual geworden. Automatisierung heißt nicht mehr (und zu-
nehmend immer weniger:) Massenproduktion.
(Das wär ja ein Thema, inwieferne sich z.B. das OsCar Projekt
nicht automatisch mit solchen Formen der Mikroautomatisierung
und dementsprechenden Werkstätten, Werkzeugen, Entwurfs-
und Gestaltungsprozessen beschäftigen müßte. Also die Frage
wie wird ein Teil produziert ist enorm wichtig für die 
Konzeption des Ganzen. Ist wohl ein thema für die Konferenz.)

3.

Später kam dann die Idee der Nanotechnologie auf mit kleinen 
Plättchen oder Elementen, die kaum staubkorngroß sich zu
allen möglichen Formen assemblieren lassen, der Tank mit den
verschiedenen Agentien löst das Fließband ab. Also Anleihe an
der Biologie mit ihren Assimilationsprozessen, oder auch:
der ultimative "additive" Fabber.

4. 

Natürlich sind alle diese Ideen technisch faszinierend, aber 
ich finde die Vorstellung einer Universalmaschine für sich auch einen
gewissen Fetisch; Wie schon unter Punkt 1 gesagt, kommt es 
nicht nur darauf an, was ein solches Werkzeug kann, sondern
es kommt auf die Produktkette an. Wieviel disponible Zeit
erwächst den Individuen durch den Ersatz der spezialisierten
Werkzeugmaschinen durch die Universalmaschine? 
Ich bin sehr dafür, daß wir nicht einfach Produkte, sondern
Produktketten und ihre Auswirkungen auf die menschliche
Lebenszeit betrachten. Das heißt, womit muß die additive
oder subtraktive Prozeßmaschine "bedient" werden? Welche
Aufwendungen entstehen zur Herstellung der Arbeitsvorbereitungen?
Wie wirkt sich die Technologie auf die gesamtgesellschaftliche
Reproduktionsrate aus? Ist das Zeug das übrigbleibt giftig
und zerstörerisch? Entstehen Aufwendungen durch Transport und
(sehr wichtig!) Gebrauch, Verschleiß und Ersatz der Maschinen
und Produkte?

5.

Es gibt starke Argumente dafür, daß eine solche Universalmaschine
tatsächlich Lebenszeit schafft und Arbeitszeit mindert, und 
in diesem Sinn wäre der Position von W.Imhoff zu widersprechen, der
das Ausgehen vom bestehenden System der gesellschaftlichen Reproduktion
zur Grundlage aller Veränderungen macht. Im Gegenteil: das bestehende
System der gesellschaftlichen Reproduktion ist im höchsten Maße 
irrational und eine einzige Verschwendung von Zeit und Ressourcen.
Die Gedanken über radikal geänderte Produktionsweisen sind höchst
wertvoll, aber sie dürfen nicht an der abstrakten Gebrauchswertseite
von isolierten Automaten kleben bleiben, sondern müssen diese in ein 
Gefüge von Prozessen eingliedern, die selbst ihre eigenen Voraussetzungen
reproduzieren.


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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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