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[ox] Natur und Gesellschaft (was: Re: [Fwd: [pox] joytopia])



Hi Go und alle,

Gordan Kljajic schrieb:
Diese Gesellschaft ist

  *nicht* natürlich

weil - wie jede andere Gesellschaft - durch und durch Menschenwerk.

wie, und der mensch hebt sich durch dieses "werk" vom natürlichem ab? öhm,
das dürfte wohl einer der gröberen fehler sein, die uns in den letzten 6.000
jahren passiert ist: anzunehmen, wir seien KEIN teil der natur, anders
(besser?) oder sonstwas.
fakt bleibt: natur ist, und wir sind ein GLEICHWERTIGER teil von ihr ...
gleichwertig mit jedem tier, baum, berg ... . was wir der natur antun, tun
wir uns an.
naja, und dann das *nicht" natürlich obern trifft mich schon, weil ohne
natürlichem ansatz gehts aus dem ganzen schlamassel nicht raus - und da
meine ich gar nicht die gesellschaftlichen probleme, sondern die
*natürlichen*, mit der NATUR zusammenhängenden!

Im letzten Satz unterscheidest Du also auch zwischen Gesellschaft
und "Natur"! Das ist auch absolut notwendig, sonst kapiert man gar
nix. Klar, der Mensch ist Natur - aber nicht gleich (das mit -wertig
vergessen wir lieber) Tier, Baum, Berg. Der Mensch besitzt als
einzigstes Lebewesen eine gesellschaftliche Natur, das heisst er ist
mit seiner besonderen biologisch-physiologischen Beschaffenheit
fähig, sich zu vergesellschaften. Vergesellschaften heisst: Er
erhält sein Leben vermittels der gesellschaftlichen Möglichkeiten,
die er in unterschiedlicher Weise nutzt (oder auch nicht).
Andersrum: Niemand erhält sein Leben bloß individuell, sondern stets
vermittels der Teilhabe an der gesellschaftlichen Schaffung der
Lebensbedingungen.

Was nun wirklich schwierig zu denken ist, ist dieses Ding
"Gesellschaft". Es ist weder die Summe der Individuen (so klingt das
bei Dir), noch ist es bloße "Natur". Sondern die Gesellschaft ist
eine eigenständige, vom je konkreten Individuum unabhängige Sphäre,
die nach eigenen Prinzipien funktioniert (manche nenen diese
Prinzipien Gesetze). Sie tritt uns als verselbständigte Sphäre
"entgegen", obwohl wir täglich teilhaben und sie durch unsere
Teilhabe reproduzieren. Manche verwenden daher auch den Begriff der
"zweiten Natur" in Abhebung zur "ersten Natur" (der biotischen etc.)
- ich finde aber auch das keine glückliche Bezeichnung, weil sie den
Vermittlungszusammenhang, also die Tatsache, dass jede/r dieses
verselbständigte Ding tagtäglich reproduziert, ausblendet.

Wenn Stefan Mn. also von der Gesellschaft als "Menschenwerk"
schreibt, dann ist das IMO völlig richtig als Abgrenzung gegen die
(V)Erklärung der Gesellschaft zur (ersten) Natur. Guckt man genauer
hin, dann wird klar, dass damit aber nur die gesellschaftliche Form
gemeint sein kann - denn wir können uns z.B. nicht überlegen,
einfach _ohne_ Gesellschaft leben zu wollen. Gesellschaft ist nicht
abschaffbar, die jeweilige Form schon.

Wie kommt der verselbständigte Charakter der Gesellschaft zustande -
obwohl sie doch Menschenwerk ist, wie Stefan richtig betont? Das
liegt daran, dass wir - jede/r Einzelne - uns der nun mal daseienden
Formen der Vermittlung bedienen _müssen_, um uns individuell durch
gesellschaftliche Teilhabe zu erhalten. Und diese Formen sind hier
und heute nun mal Geld, Tausch/Markt, abstrakte Arbeit etc. Aber,
und hierin liegt das "Gemachte", diese Vermittlungsformen, die den
verselbständigten Charakter unserer Gesellschaft ausmachen, sind als
genau solche erkennbar und abschaffbar bzw. überführbar in andere
Formen. Und Oekonux - können wir unbescheiden sagen - gehört zu den
wenigen, die dies so grundsätzlich erkannt haben. Die meisten
anderen wollen die Vermittlungsformen nämlich nicht antasten,
sondern nur neu arrangieren (z.B. umverteilen). Die freie
Softwarebewegung hingegen hat spontan (und unreflektiert) _neue_
Vermittlungsformen erfunden - nicht nur das, sondern im weiteren
Sinne auch neue Produktionsformen.

Diese grundsätzliche Erkenntnis hindert uns nicht daran, darüber
sehr kontrovers zu streiten, was das nun heisst, wie wir vorzugehen
haben, ob nicht vielleicht doch erst umverteilt werden müsse, ob das
Copyright abzuschaffen oder subversiv zu nutzen sei usw.

Ciao,
Stefan

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