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Ideologie und so (was: [ox] Presseecho der Konferenz)



On Wed, May 02, 2001 at 01:35:30PM [PHONE NUMBER REMOVED], Dirk Herrmann wrote:
Nun mal zu dem oben angeführten Artikel: Auch wenn einige jetzt 
vielleicht denken, er wäre von mir geschrieben :-)), muss ich Euch leider 
enttäuschen. 

Die Meinungen, es handele sich um "niedriges Niveau" bezogen sich
vor allem auf die Kommentare zu dem Artikel, nicht auf den Artikel
selbst. Da ich mir diese Kommentare inzwischen selbst mal angegickt
habe, bin ich auch der Meinung, dass das ziemlich niedriges Niveau
ist. Aber das ist beim Heiseticker ja üblich in den Kommentaren. Es
ist schon ärgerlich wenn irgendwo in dem Artikel "PDS" drin vorkommt
und Leute dann gleich reflexartig "Bautzen" assoziieren. Sowas _ist_
niedrigstes Niveau, ich glaube darin sind wir uns ja vielleicht
sogar einig?

Der Artikel selbst ist zwar nicht so, wie ich ihn geschrieben hätte
oder auch nur irgendwer, der sich näher mit der Diskussion hier
auskennt, aber das kann man ja auch nicht erwarten. Und immerhin ist
auch schlechte Werbung immer noch Werbung.

Angehörige des ultralinken Spektrums versuchen, all das von der Community 
Erreichte in einen politischen Deckmantel zu verpacken und hundert Jahre 
alte Ideologien versuchen rekursiv auf die heutigen Entwicklungen zu 
projezieren, was für mich als Ökonom (wenn ich das mal so sagen darf), 
aber auch als Mensch völlig unsinnig ist und demzufolge auch zu Recht von 
der Fachpresse (dazu zähle ich u.a. das Heise-Archiv) zerrissen wird.

Ich habe nur wenig von "hundert Jahre alten Ideologien" gesehen auf
der Konferenz. Ich kann auch nicht sehen, wie es "hundert Jahre alte
Ideologie" sein soll, wenn man sich teilweise auf Marx bezieht. Die
liberalen Ökonomen - zu denen Du ja wahrscheinlich auch gehörst,
stehen schliesslich auch in einer Tradition von Adam Smith u. a.

Vielleicht solltest Du einfach mal Deine Scheuklappen ablegen?

Ein solcher Ansatz bzw. eine solche Richtung führt genau dazu, dass Leute 
sich übertrieben formuliert angewidert abwenden,

Das ist tatsächlich ein wichtiger Punkt. Da geht es um die
Aussenwirkung. Z.B. hätte ich nicht gedacht, wie viele negative
Reaktionen alleine die Nennung der PDS schon mit sich bringt.
Sponsoring hat halt immer seinen Preis. Wenn wir uns von IBM hätten
Sponsorn lassen hätte das wieder andere abgeschreckt. Vielleicht
sollte man drüber nachdenken die nächste Konferenz mit weniger
Sponsoring zu schaffen. Ich (und ich glaube auch die meisten
anderen) sind sicherlich bereit einen kleinen Konferenzbeitrag von
20-40DM oder so aufzubringen.

Meine Arbeit 
beschäftigt sich nicht ohne Grund mit Möglichkeiten, mit einer an sich 
kostenlosen Sache Geld zu erwirtschaften, was sicherlich für den 
Grossteil der Teilnehmer ja von Natur aus schon wieder ?böse? ist, weil 
der Kapitalismus als solcher ja schon ?böse? ist und demzufolge ja auch 
die o.g. Unternehmen nichts weiter tun als die Arbeiterklasse 
auszubeuten... 

Niemand hier nennt den Kapitalismus im Ernst "böse". "Böse" können
nur Menschen sein, das ist eine moralische Kategorie. Der
Kapitalismus als kybernetische Maschiene ist aber nicht moralisch
oder unmoralisch. Nur ist das eben auch gerade das Problem. 

Vielleicht hätte man hier mal einen oder mehrere Vertreter 
dieser Firmen einladen sollen; ich selbst hatte mit Innominate und 
Siemens Gespräche, die wohl einige Missverständnisse hier hätten 
beseitigen können.

Sicher, warum nicht. Ich fände das zwar langweilig ausser ich hätte
gerade mal Lust auf eine Art intellektuelles Sparing.

Nur als Anregung (ich hatte es schon mit einigen auf 
dem Gang diskutiert) könnte man sich ja mal Gedanken darüber machen, was 
zum Beispiel die Entwicklung eines 4GB-Patches für Konsequenzen für Linux 
hat(-te) 

Och. Ja, das wäre sicher wahnsinnig wichtig und ohne kommerzielle
Hilfe würde sowas natürlich niemals zustande kommen. Mal 'ne
Zwischenfrage: Seit wann verwendest Du Linux oder beschäftigst Dich
näher damit? Solche Meinungen haben nämlich nur meist Leute, die
durch den aktuellen (oder inzwischen nicht mehr ganz so aktuellen)
Hype auf Linux aufmerksam geworden sind. Wenn man das System von
seinen Anfängen her kennt, weiss man, dass jedes dieser Probleme nur
eine Frage der Zeit ist. Damals war ja schon das Vorhandensein von
X11F86 eine Sensation.

oder aber die Frage, worauf denn der Wohlstand der 
Bundesrepublik Deutschland basiert.

Ehrlich gesagt ist das für mich eine völlig uninteressante Frage. Das
Überleben der Menschheit und meine konkreten Bedürfnisse und
Lebensbedingungen sind mir wichtig. Phantasiegebilde wie "die
Bundesrepublik Deutschland" interessieren mich nicht - zumindestens
nicht strategisch, höchstens taktisch.

Gedanken und Anregungen zur Entwicklung 
einer neuen Gesellschaft sind bei mir immer willkommen, aber nur solange 
ihnen auch ein gewisser Realitätsbezug zugrunde liegt, was wohl bei 
einigen nicht der Fall zu sein scheint... 

Du misst "Realitätsbezug" an Deiner Vorstellung. Es gibt aber auch
andere. Das ist genau der Erfolg von Ökonux bisher immer gewesen,
dass man andere Weltanschauungen zumindestens zu verstehen sucht.
Wenn Du dazu bereit bist, bist Du hier sicher willkommen. Aber Du
kannst nicht erwarten, dass nur Deine Weltanschauung als
"realistisch" gelten darf.

Aussagen und Vorschläge (es 
fällt mir schwer, so was als echten Vorschlag zu werten) wie ?alle 
sollten 20.000 DM im Monat verdienen, damit alle ihre Bedürfnisse 
befriedigen können? (O-Ton)

Etwas naiv, zugegeben. Wir haben hier aber lange und ausführlich zum
Thema unbedingtes Grundeinkommen diskutiert. Meine Position dazu
findest Du im Archiv unter dem Titel "Anstatt einer Zusammenfassung"
oder so ähnlich. Bei Bedarf Mail ich Dir das gerne mal zu.

Ich habe hoffentlich einigen Leuten klar machen 
können, wie sie mit Hilfe einfachster Grundschulmathematik ihr schönes 
ideologisches Kartenhaus zum Einsturz bringen können.

Hast Du dabei auch die Grundannahmen Deiner Rechnungen offengelegt.
Du kannst es gerne mal mit mir versuchen, ich bin sicher ich
zerpflück Dir das :-) Aber das wäre dann wieder nur intellektuelles
Sparing und da haben wir beide nix von. 

Das wichtige ist doch, das jedes Denken immer auf Axiomen und
Annahmen beruht, auch Deines. Bei so unterschiedlichen Positionen
wie unseren kann man also nur sinnvoll diskutieren, wenn man sich
über diese divergierenden Grundannahmen zumindestens verständigt.
Ich weiss nicht ob ich genügend Energie aufbringe für eine solche
Grundsatzdiskussion. Ich weiss auch nicht, ob die hier auf der Liste
richtig aufgehoben ist, das würde einige doch bestimmt ziemlich
nerven. Vielleicht per Mail?

Ich hoffe, ich bin nicht schon wieder einigen Leuten zu sehr auf die 
Füsse getreten, und wenn doch, bitte ich um eine sachliche Argumentation 
(ich trenne sachlich deutlich gegen ideoligische Phantasien ab) und werde 
wie versprochen hierzu noch mal ausführlicher Stellung nehmen. 

Tja, Sachlichkeit und "ideolgische Phrasen" das ist schön
dahergesagt. Nur mit unterschiedlicher Weltanschauung kommt man halt
irgendwann drauf, dass dann unterschiedliche Aufassungen sachlich
und ideologisch werden. Ich empfinde z.B. Deine Argumentationals
extrem ideologisch und alles andere als sachlich. Auf dieser Ebene
kommen wir also sicherlich nicht sehr weit.

Bis dahin 
möchte ich noch mal eine Literaturempfehlung geben, die sicher noch sehr 
vielen hier leider unbekannt ist. Das Bravehack-Dokument 
(www.bravehack.de) ist der Basisbaustein für meine Überlegungen gewesen 
und konnte diesem nur in wenigen Punkten widersprechen. Vielleicht 
sollten gerade die politisch angehauchten Mitglieder dies einmal etwas 
genauer studieren, da es wohl ein ganzes Stück mehr harte Realität 
beinhaltet als das Projezieren marxistischer Theorie auf die heutige 
Zeit.


Ich gucks mir mal an. Wird natürlich etwas dauern bei über 100 Seiten.

btw: Stimmt es, dass Du der von der Bundeswehrhochschule warst? Nur
damit ich ein Gesicht damit verbinde.

Grüße, Benni

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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