Re: [ox] Fwd: Widerspruch!
- From: Dirk Herrmann <dirk.herrmann UniBw-Hamburg.DE>
- Date: Thu, 03 May 2001 12:04:20 GMT
- ------- Forwarded Message
Date: Tue, 01 May 2001 00:10:10 [PHONE NUMBER REMOVED]
From: Bojan Antonovic <bantonov iiic.ethz.ch>
Subject: Widerspruch! (sollte in die Liste kommen)
To: smerten oekonux.de
Message-Id: <3AEDE2C2.C26958D iiic.ethz.ch>
Ich bin ganz Deiner Meinung, dass die Offenlegung von Informationen
(Software, Konstruktiondspläne, usw.) sehr stark zur Verbesserung ihrer
Qualität beiträgt. Open Source könnte z.B. die Sicherheit von was auch
immer erheblich erhöhen.
Sicherheitswiderspruch 1:
Bei der Nanotechnologie überlegt man sich, ob man einige Informationen
zurückhalten sollte, da nicht auszuschliessen ist, da diese missbraucht
werden können.
Dies betrifft auch zahlreiche andere Bereiche: Rüstung, Biotech,
Finanzwirtschaft,...
Sicherheitswiderspruch 2:
Eine hochqualitative Software hilft auch den Missbrauchsentwicklern, ihr
Ziel schneller zu entwickeln.
Sicherheitswiderspruch 3:
Bei den sogenannten ?sicherheitsrelevanten? Informationen kann und darf
nicht jder über dieses Wissen verfügen. Beim Vortrag von Andy
Müller-Maguhn wurde das hervorragend geignete Beispiel von Cryptome
gebracht. Auf diesem Server liegen zahlreiche Dokumente, die in vielen
Staaten dieser Erde verboten sind, u.a. mehrere komplette Namenslisten
verschiedener Geheimdienste. Unabhängig, ob in Jedermanns Augen diese
Geheimdienste moralisch legitimiert sind nicht oder nicht, hat dies IMHO
nichts mit vollendeter Freiheit zu tun, denn hier werden zugunsten der
angeblichen Informationsfreiheit die freiheitlichen Rechte Anderer,
nämlich der auf der Liste befindlichen Personen deutlich eingeschränkt.
Da von keinem (!!!!!!) diesbezüglich ein Kommentar kam in der Diskussion
und damit auch nicht auf die negativen folgen dieser ?Freiheit?
hingewiesen wurde, nehme ich an, dass den Teilnehmern dies entweder nicht
bewusst war und wenn doch, diese das zumindest billigend in Kauf nehmen.
Damit hebt man den Rechtsstaat (Ja, ich weiss, in Wirklichkeit ist es ja
ein ?Unrechtsstaat?) aus den Angeln, wessen Ziel das ist, kann leider mit
mir als loyalen Staatsbürger einerseits und Staatsdiener andererseits
nicht mit sonderlich viel Verständnis rechnen.
Allgemeiner Widerspruch 1:
Stichwort ?bounded rationality?. Alles Wissen jedermann frei zugänglich
zu machen ist eine gute Idee, weil alle Menschen sicherlich auch in der
Lage sein werden, die ihnen nun eröffnete Informationsflut zu bewältigen.
Ich denke mal, dass in der heutigen Zeit und in der hier vorherrschenden
Komplexität dann wohl jedermann eine S/390 bräuchte, um auch nur
annähernd feststellen zu können, welche der zahlreichen Informationen für
ihn relevant sind oder nicht.
Allgemeiner Widerspruch 2:
Stichwort Materielle Ressourcen: Wie bereits auf der Konferenz gesagt,
endet eine Open Source Entwicklung genau da, wo der materielle Bereich
anfängt. Ich weiss nicht, warum ich Ansätze wie ?dann hat jeder eine
CNC-Frässmaschine an seinem PC am Parallelport hängen und baut sich sein
Auto selber? mehr als nur belächeln sollte. Nicht nur, dass eine
Privatperson selten über die notwendigen Ressourcen verfügt, sondern auch
Stichworte wie ?Stückkostendegression? und ?economx of scales? sollten
hier mal überdacht werden. Sich selbst ein einzelnes Auto herzustellen
ist zwar prinzipiell möglich, sollte allerdings in etwa doopelt so hohe
Kosten verursachen wie der Kauf eines Solchen beim Hersteller.
Allgemeiner Widerspruch 3:
Es gibt eine These, dass Wissen, wenn es digitalisiert wird, kein Wissen
mehr ist, sondern nur noch Information. Hierzu würde ich gerne mal die
Meinung der Wissensexperten hören.
Wirtschaftswiderspruch:
Im Kommunismus hies es: "arbeite soviel Du kannst, nimm soviel Du
brauchst". Wenn jetzt Aufgrund einer utopihaften Weiterwentwicklung von
Verfahren zur Herstellung von materiellen Gütern die Menschheit in Star
Trek-ähnliche Zustände kommt, bei denen jeder seine täglichen
Bedürfnisse frei und kostenlos replizieren kann, wer sollte dann noch
die Motivation haben, etwas zur Allgemeinheit beizutragen?
Stichwort: ?Anreizsysteme?. Ich hatte schon mit einigen sarüber
diskutiert, warum ein Manager mehr Geld bekommt als ein
Fliessbandarbeiter, warum Wettbewerb inovationsfördernd ist und warum
Konkurrenz letztendlich auch dem Kunden zugute kommt. Ein Ausbleiben des
Anreizsystemes habe ich in meiner Kindheit ja erlebt, das überlegene
technologische Know-how war überwältigend... Gerade in der Ex-DDR konnte
man ja das fehlen ein lohnbezogenen Anreizsystemes wunderbar
nachvollziehen. Es war den Leuten letzendlich egal, was und wie sie es
taten, solange es den Plan erfüllte. Kennt jemand die Geschichte mit den
Suppentüten, wo um den Plan sogar noch über zu erfüllen ganz einfach die
darin enthaltene Packmenge reduziert wurde, und dadurch ein quantitativ
höherer Output erzeugt werden konnte ? Dies ist sicherlich auch eine Art
Innovation, allerdings leider in die falsche Richtung.
Es war eine
interessante Feststellung, dass auf dem kleinen Landstück, welches die
Bauern in einer Kolchose bearbeitet haben, mindestens genau so viel
wuchs wie auf dem restlichen zu betreuenden Grundstück zusammen! Es war
(auch) die Tatsache, dass direkt für sein Eigenwohl zu produzieren am
"profitabelsten" und motivierensten ist,
Siehe dazu die Mail von Benni Baermann: Zitat:
?Tja, also mir z.B. geht das am Arsch vorbei einfach weil ich keinen
Zugriff auf einen solchen Rechner habe. Sollte ich ihn haben, wäre
das sicherlich ein interessantes Projekt. So einfach läuft das und
es funktioniert ja auch.?
Soviel zum Thema Gemeinwohl und allgemeines Interesse. Genau darin liegt
die Ursache, dass es nicht funktioniert. Denn auch in einer vom
Kapitalismus losgelösten Gesellschaft braucht es dann so was wie die
S/390, aber wenn sich keiner davon in irgendeiner Form tangiert fühlt,
wird das sicherlich den technologischen Fortschritt auf diesem Sektor
erheblich vorantreiben.
welche den Sieg des
Kapitalismus über den Kommunismus herbeigebracht hat (Misswirtschaft,
Vetternwirtschaft und Ineffizienz sowie andere Gründe trugen nicht
weniger dazu bei).
Ob es ein ?Sieg? war oder nicht, lasse ich hier mal dahin gestellt. Denn
auch der Sozialismus hat gewisse Vorteile, besonders was die
soziologische Sichtweise betrifft. Nur liess sich das im Gesamtkonzept
nicht richtig umsetzen. Wenn Du es schon als ?Sieg? deklarierst, dann
war es zumindest ein ?Sieg mit erheblichen Verlusten?. Aus ökonomischer
Sicht hast Du sicherlich Recht, die Gründe sind ja zum teil hier
angeführt.
Ich glaube nicht, das GNU, GPL und dergleichen den Kapitalismus
beseitigen werden. Sie werden vielmehr einen Teilbereich davon
übernehmen und erheblich verbessern. Die neue Wirtschaft wird dann auf
dieser Tatsache aufbauen, ebenso wie die ganze Weltordnung überhaupt.
Da stimme ich Dir zu, möchte allerdings noch hinzufügen, dass dies nur in
den Teilbereichen funktioniert, in den eine solche Entwicklung überhaupt
möglich ist, also in allen ?entmaterialisierten? Bereichen. Wenn man dies
ausdehnt auf die Produktion und die kapitalistischen
Wertschöpfungsketten, sind wir wieder oben an dem Punkt mit den
Anreizsystemen.
Der Buchdruck und die Industrialisierung haben die Welt erheblich
verändert. Sie haben neue Produkte und Produktionsmöglichkeiten
geschaffen, alte Wert- und Weltvorstellungen zu Grabe getragen und
keinesfalls dazu beigetragen, den Kapitalismus oder jegliches aus der
Welt zu schaffen. Die zu entstehende Welt wird v.a. anders sein. In
einigen Bereichen für die Menschheit besser. Eintretten kann auch das
komplette Gegenteil: Sie könnte zum Ende der Menscheit beitragen, indem
die Wissenschaft durch einige Quantensprünge nach vorn eine
Nachfolgespezies (z.B. eine kybernetische) erschafft, welche die
Menschen überflüssig macht. Natürlich werden diese Menschennachfolger
diese Welt als die beste bisher entstandenen sehen, sowie wir es heute
mit der unseren tun.
Soweit will ich mal lieber nicht denken :-)
Dies dürfte wieder mal für Diskussionsstoff sorgen :-)
Mit freundlichen Grüßen
Dirk Herrmann
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