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[ox] Re(2): Friede den Huetten, Haben oder Sein)



christoph R schrieb grade:
Ich glaube diese Kritik beschreibt gut die Problematik, die bei der
Übertragung der GPL-Idee auf materielle Güter auftaucht.  Eine
umweltverträgliche GPL-Gesellschaft kann wohl nur dann resultieren,
wenn die Betonung auf dem Wegfall des Konsumdrucks (als Kompensation
für den Tretmühlen-Stress) und auf einem Umdenken vom Haben zum Sein
liegt (das Haben minimieren, das Sein maximieren .. im Kapitalismus
ist's eher umgekehrt).  Frei nach Gandhi: "Die Welt bietet genug für
die Bedürfnisse aller, aber nicht genug für die Gier eines einzigen."
(oder so ähnlich)

Das Problem liegt bloß darin, daß der gegenwärtige Normalzustand
nicht am Individuum zu therapieren ist. "Hast Du nichts dann bist
Du nichts", oder anders ausgedrückt: Der gesamte gesellschaftliche
Reichtum existiert in einer Form, in der die Benutzung durch die
Bedürftigen gerade untersagt ist. Es ist ein wenig alt, aber wahr:  der
Wert ist identisch mit dem prinzipiellen Vorbehalt gegen das 
Bedürfnis und dem gewaltsam gesetzten Ausschluß vom Reichtum.
Gesellschaftliche Natur des Reichtums und Private Aneignung - das
war auch mal ein aufreizender Widerspruch....

Die Gier ist das Zeichen eines Vakuums, der Reflex einer Welt in der
selbst das Notwendigste nur gegen bare Münze erhältlich ist. Der
Zynismus, vom Sein als einer individuellen Einstellung und nicht
von einem objektiven Verhältnis zu reden, wie er nach Fromm 
in der Psychologie Mode geworden ist, ist nicht nur unüberbietbar;
er ist vor allem auch so ohnmächtig gegenüber der Realität, die es 
besser weiß. Versuch mal 5 Minuten lang zu "sein" und Du wirst
erleben, wie man Dir ein Luftmeßgerät umhängt und Atemsteuer
verlangt! Und wenn Du Dich nicht nützlich machst für die Vermehrung
fremden Eigentums, dann wirst Du weder Hütte noch Buddhafood
bezahlen können. Also mußt Du einiges in die Wege leiten, um überhaupt
"sein" zu können....und erleben, daß Du auf ein relativ armseliges
"Sein" festgelegt bist im Verhältnis zu dem, was diese Gesellschaft 
hervorzubringen imstande ist.

Die Umkehrung ist leider auch falsch, daß ein *bedürftiges* schon ein
*rationelles* Verhältnis zur Welt einschlösse oder daß wir bloß
als bedürftige Wesen gemeinsam unseren Verstand bedienen müßten
und wir würden schon die richtigen Konsequenzen ziehen. Dafür war
der Palasthinweis goldrichtig! Der Fehler liegt schon in der Gebrauchs-
werttheorie von Marx, die nicht mehr reflektiert, daß auch der 
Gebrauchswert eine vom Warenstandpunkt vollzogene Abstraktion ist.
Im "Begriff" (eher wohl Desiderat) der Nachhaltigkeit wird auf ein
System der Arbeiten und Bedürfnisse abgezielt, das den Bezug zwischen
Form der Aneignung von Natur und der Erhaltung und Vergrößerung
des "Reichs der Freiheit" konkret faßt. Das ist wohl im Moment das
Beste was wir haben. Aber dabei droht auch schon wieder etwas
verlorenzugehen, das ist die kreative Seite des menschlichen Bedürfnisses.
Vielleicht ist es gut, wenn sich Hüttenfraktion und Bananenfraktion
streiten, denn die Wahrheit liegt jedenfalls jenseits von einer der beiden
Seiten! Und vor allem: weder Hütten noch Paläste sind in der derzeitigen
Form der Vergesellschaftung garantiert!


fn




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