Re: [ox] Re: Kooperation Fortsetzung
- From: RalfKrae aol.com
- Date: Wed, 23 May 2001 04:31:02 EDT
Hallo,
irgendwie gibt es anscheinedn Probleme, wenn meine mails zu lang werden. Hier
der Rest der Mail, die einfach abbrach vor dem Ende.
Irgendwie versuchst du mir jetzt wieder von der individuellen Ebene aus
denkend zu erklären, dass der Kapitalismus sozusagen "naturwüchsig" von
den Menschen so gewollt wurde. Das verkennt den systemischen Charakter,
von dem du doch sonst sprichst.
Der Kapitalismus hat sich in einem historisch gesellschaftlichen Prozess
entwickelt, der nicht dadurch zu erklären ist, dass die Menschen das
"gewollt" hätten. (Allerdings hat offenbar die Mehrheit in den real existiert
habenden autoritär-staatssozialistischen Ländern ihn als die aus ihrer Sicht
bessere Alternative durchaus gewollt.) Aber es ist eben auch nicht so, dass
die Menschen dazu gezwungen werden müssen, im Kapitalismus zu leben, oder sie
der allmächtige Fetischismus an der Erkenntnis hindert, wie schrecklich
entfremdet sie eigentlich leben und dass es ihnen ohne Waren etc. viel besser
ginge und es deshalb v.a. darauf ankommt, dass sie sich von diesem
Fetischismus befreien. Das geht an der Realität vorbei.
Wo du einen Widerspruch siehst, sehe ich keinen: Für das Reich der
Notwendigkeit muss die (Zwangs-)arbeit sein, nur im Reich der Freiheit
funktioniert die Selbstentfaltung - argumentierst du. Ich meine: Der
Charakter der Arbeit als Zwangsarbeit in der kybernetischen Maschine
stellt - in globaler Bilanz - schon eigentlich nichts mehr her, sondern
zerstört nur noch. Die Kurve ist nur noch zu kriegen, wenn die
kybernetischen "effizienten" Selbstzwecke ersetzt werden durch die
Bedürfnisse der Menschen.
Die gesellschaftliche Notwendigkeit von Arbeit ist etwas ganz anderes als
Zwangsarbeit. Auch Lohnarbeit im Kapitalismus ist zwar sozial "erzwungen",
aber auch das ist keine Zwangsarbeit, wenn man es auf die einzelnen
Tätigkeiten bezieht. Zwangsarbeit ist das, was unter Sklavenbedingungen oder
in Arbeitsstraflagern stattfindet und wogegen Lohnarbeit nicht nur scheinbar,
sondern tatsächlich (relativ) ein Hort der Freiheit ist. Ich bin dagegen, das
zu verwischen. Auch dass Arbeit im Kapitalismus nur zerstört (das tut sie in
hohem Maße auch, aber das ist nicht das bestimmende für die Menschen) ist
falsch, sondern sie produziert tagtäglich die Lebensbedingungen für
Milliarden Menschen, deren Leben in kurzer Zeit zu Ende wäre, wenn niemand
mehr arbeiten würde.
> In der FS braucht es keinen Plan, in der Gesellschaft insgesamt schon.
In der
> FS ist ok., wenn jede/r einfach das beiträgt, was er/sie möchte. Für
> gesellschaftliche Reproduktion insgesamt reicht das nicht.
Warum nicht? FS ist ja auch nicht gerade ein Unterfangen von ein paar
Hanseln...
FS ist trotzdem nur ein kleiner Bereich, der das Funktionieren der
Gesellschaft insgesamt voraussetzt, aber nicht herstellt. und
Softwareproduktion hat Besonderheiten, die m.E. eine Übertragung auf
materielle Produktion nicht ermöglichen, baruchen wir hier nicht noch mal zu
diskutieren. Wenn und sobald Gesellschaft insgesamt so laufen könnte, müsste
sie sich doch eigentlich einfach entwickeln, weil es entspräche ja den
Bedürfnissen aller Beteiligter besser und müsste dann doch große Dynamik
entfalten und sozusagen von sich aus den Kapitalismus immer weiter
zurückdrängen (so wie der Kapitalismus vorkapitalistische Produktionsweisen).
Das würde mich überzeugen, sehe ich aber nicht, wobei auch dann noch kritisch
geguckt werden müsste, ob tatsächlich all die sozialen, ökologischen, humanen
etc. Schäden, die im Kapitalismus auftreten, da sozusagen im Selbstlauf nicht
auftreten würden).
> Mein Probem ist
> doch, dass ich nicht sehe, wie ein"Allgemein-Interessen-Modus" in
> gesellschaftlichem Maßstab funktionieren soll außer über demokratische
> gesellschaftliche Planung und Steuerung unter Einsatz der verschiedenen
> genannten Vergesellschaftungsmodi.
Demokratie, Planung, Steuerung sind doch alles Formen der ganzen alten
Misere. Damit kannst Du ein bisschen rumregulieren - aber ändern tust du
nichts wesentliches. Wesnetlich ist für mich der
Vergesellschaftstungsmodus. FS übrigens ist undemokratisch.
Ich bleibe dabei, "herrschaftsfreie personal-konkrete Vergesellschaftung" als
Basis einer nachkapitalistischen Gesellschaft für eine Sprachkonstruktion
halten, die im wesentlichen eine Wunschvorstellung artikuliert (was ja ok.
ist), aber nicht verdeutlicht, wie sie funktionieren soll. Und ich habe nicht
nur das Glosssar der "Gegenbilder" gelesen, sondern zumindest die Kapitel
2.2. und 2.3. intensiv. Im Kern wird letztlich nur behauptet, z.B. ein
Interesse jedes Einzelnen an der Entfaltung aller anderen (ganz egal, worin
diese ihre Entfaltung sehen?) und dass jedes menschliche Bedürfnis auch seine
Realisierung finden wird. Der Hinweis auf die FS reicht nicht.
Der Kapitalismus und seine Dynamik beruhen letztlich auf der
Vergesellschaftung über ökonomischen Tausch, also dem Wert. Demokratische
Planung und Steuerung beruht auf gesellschaftlichen Kommunikationsprozessen
über die Entwicklungsziele, Prioritäten und Beschränkungen. Das ist ein
anderer Vergesellschaftungsmodus, der die immanente Rücksichtlosigkeit des
Kapitalismus nicht aufweist, sondern allseitig von den menschlichen
Bedürfnissen ausgehen und Erfordernisse der Erhaltung der Natur etc. beachten
kann. Auf dieser Basis ist dann die gesellschaftliche Reproduktion zu
steuern, wobei m.E. diverse Methoden nötig sind und auf monetäre Steuerung
und Warenproduktion auf absehbare Zeit nicht verzichtet werden kann, das wäre
aber kontrolliert und unter der Dominanz der gesellschaftlichen Planung und
wäre also sehr wohl eine wesentliche Änderung und nicht mehr die alte Form.
Mir geht es darum, klar zu haben, 1. dass so etwas wie gesellschaftliche
Planung nötig ist, weil aus vielen Gründen es m.E. nicht realistisch ist,
dass alle im gesellschaftlichen Maßstab notwendigen Produktionen, aber auch
ggf. ihre bewusste Besgrenzung und die Kontrolle ihrer Nebenwirkungen sich
einfach aus dem ergeben, was einzelne produzierende Einheiten eben so
produzieren wollen, und 2. dass weiterhin Mechanismen der Regulierung der
Produktion und des Austausches nötig sind, die - ob das nun wertförmig
passiert oder anders, etwa bei öffentlichen Diensten, die für die NutzerInnen
kostenlos abgegeben werden - neben den qualitativen Dimensionen immer auch
die Dimension des quantitativen Arbeitsaufwands berücksichtigen und diesen -
im Unterschied zum Kapitalismus unter Beachtung aller anderen humanen,
sozialen, ökologischen etc. Dimensionen - zu minimieren versuchen, um einen
immer weiter wachsenden Teil der Lebenszeit der Menschen für andere und
wirklich selbstbestimmte Betätigung frei zu machen.
Viele Grüße
Ralf Krämer
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