Message 02629 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT02629 Message: 1/1 L0 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re: [ox] Re: Kooperation Fortsetzung



Hallo,

irgendwie gibt es anscheinedn Probleme, wenn meine mails zu lang werden. Hier 
der Rest der Mail, die einfach abbrach vor dem Ende.


 Irgendwie versuchst du mir jetzt wieder von der individuellen Ebene aus
 denkend zu erklären, dass der Kapitalismus sozusagen "naturwüchsig" von
 den Menschen so gewollt wurde. Das verkennt den systemischen Charakter,
 von dem du doch sonst sprichst.

Der Kapitalismus hat sich in einem historisch gesellschaftlichen Prozess 
entwickelt, der nicht dadurch zu erklären ist, dass die Menschen das 
"gewollt" hätten. (Allerdings hat offenbar die Mehrheit in den real existiert 
habenden autoritär-staatssozialistischen Ländern ihn als die aus ihrer Sicht 
bessere Alternative durchaus gewollt.) Aber es ist eben auch nicht so, dass 
die Menschen dazu gezwungen werden müssen, im Kapitalismus zu leben, oder sie 
der allmächtige Fetischismus an der Erkenntnis hindert, wie schrecklich 
entfremdet sie eigentlich leben und dass es ihnen ohne Waren etc. viel besser 
ginge und es deshalb v.a. darauf ankommt, dass sie sich von diesem 
Fetischismus befreien. Das geht an der Realität vorbei.
 
 Wo du einen Widerspruch siehst, sehe ich keinen: Für das Reich der
 Notwendigkeit muss die (Zwangs-)arbeit sein, nur im Reich der Freiheit
 funktioniert die Selbstentfaltung - argumentierst du. Ich meine: Der
 Charakter der Arbeit als Zwangsarbeit in der kybernetischen Maschine
 stellt - in globaler Bilanz - schon eigentlich nichts mehr her, sondern
 zerstört nur noch. Die Kurve ist nur noch zu kriegen, wenn die
 kybernetischen "effizienten" Selbstzwecke ersetzt werden durch die
 Bedürfnisse der Menschen.
 
Die gesellschaftliche Notwendigkeit von Arbeit ist etwas ganz anderes als 
Zwangsarbeit. Auch Lohnarbeit im Kapitalismus ist zwar sozial "erzwungen", 
aber auch das ist keine Zwangsarbeit, wenn man es auf die einzelnen 
Tätigkeiten bezieht. Zwangsarbeit ist das, was unter Sklavenbedingungen oder 
in Arbeitsstraflagern stattfindet und wogegen Lohnarbeit nicht nur scheinbar, 
sondern tatsächlich (relativ) ein Hort der Freiheit ist. Ich bin dagegen, das 
zu verwischen. Auch dass Arbeit im Kapitalismus nur zerstört (das tut sie in 
hohem Maße auch, aber das ist nicht das bestimmende für die Menschen) ist 
falsch, sondern sie produziert tagtäglich die Lebensbedingungen für 
Milliarden Menschen, deren Leben in kurzer Zeit zu Ende wäre, wenn niemand 
mehr arbeiten würde.

 > In der FS braucht es keinen Plan, in der Gesellschaft insgesamt schon. 
In der
 > FS ist ok., wenn jede/r einfach das beiträgt, was er/sie möchte. Für
 > gesellschaftliche Reproduktion insgesamt reicht das nicht.
 
 Warum nicht? FS ist ja auch nicht gerade ein Unterfangen von ein paar
 Hanseln...
 
FS ist trotzdem nur ein kleiner Bereich, der das Funktionieren der 
Gesellschaft insgesamt voraussetzt, aber nicht herstellt. und 
Softwareproduktion hat Besonderheiten, die m.E. eine Übertragung auf 
materielle Produktion nicht ermöglichen, baruchen wir hier nicht noch mal zu 
diskutieren. Wenn und sobald Gesellschaft insgesamt so laufen könnte, müsste 
sie sich doch eigentlich einfach entwickeln, weil es entspräche ja den 
Bedürfnissen aller Beteiligter besser und müsste dann doch große Dynamik 
entfalten und sozusagen von sich aus den Kapitalismus immer weiter 
zurückdrängen (so wie der Kapitalismus vorkapitalistische Produktionsweisen). 
Das würde mich überzeugen, sehe ich aber nicht, wobei auch dann noch kritisch 
geguckt werden müsste, ob tatsächlich all die sozialen, ökologischen, humanen 
etc. Schäden, die im Kapitalismus auftreten, da sozusagen im Selbstlauf nicht 
auftreten würden).

 > Mein Probem ist
 > doch, dass ich nicht sehe, wie ein"Allgemein-Interessen-Modus" in
 > gesellschaftlichem Maßstab funktionieren soll außer über demokratische
 > gesellschaftliche Planung und Steuerung unter Einsatz der verschiedenen
 > genannten Vergesellschaftungsmodi.
 
 Demokratie, Planung, Steuerung sind doch alles Formen der ganzen alten
 Misere. Damit kannst Du ein bisschen rumregulieren - aber ändern tust du
 nichts wesentliches. Wesnetlich ist für mich der
 Vergesellschaftstungsmodus. FS übrigens ist undemokratisch.
 
Ich bleibe dabei, "herrschaftsfreie personal-konkrete Vergesellschaftung" als 
Basis einer nachkapitalistischen Gesellschaft für eine Sprachkonstruktion 
halten, die im wesentlichen eine Wunschvorstellung artikuliert (was ja ok. 
ist), aber nicht verdeutlicht, wie sie funktionieren soll. Und ich habe nicht 
nur das Glosssar der "Gegenbilder" gelesen, sondern zumindest die Kapitel 
2.2. und 2.3. intensiv. Im Kern wird letztlich nur behauptet, z.B. ein 
Interesse jedes Einzelnen an der Entfaltung aller anderen (ganz egal, worin 
diese ihre Entfaltung sehen?) und dass jedes menschliche Bedürfnis auch seine 
Realisierung finden wird. Der Hinweis auf die FS reicht nicht.

Der Kapitalismus und seine Dynamik beruhen letztlich auf der 
Vergesellschaftung über ökonomischen Tausch, also dem Wert. Demokratische 
Planung und Steuerung beruht auf gesellschaftlichen Kommunikationsprozessen 
über die Entwicklungsziele, Prioritäten und Beschränkungen. Das ist ein 
anderer Vergesellschaftungsmodus, der die immanente Rücksichtlosigkeit des 
Kapitalismus nicht aufweist, sondern allseitig von den menschlichen 
Bedürfnissen ausgehen und Erfordernisse der Erhaltung der Natur etc. beachten 
kann. Auf dieser Basis ist dann die gesellschaftliche Reproduktion zu 
steuern, wobei m.E. diverse Methoden nötig sind und auf monetäre Steuerung 
und Warenproduktion auf absehbare Zeit nicht verzichtet werden kann, das wäre 
aber kontrolliert und unter der Dominanz der gesellschaftlichen Planung und 
wäre also sehr wohl eine wesentliche Änderung und nicht mehr die alte Form. 
Mir geht es darum, klar zu haben, 1. dass so etwas wie gesellschaftliche 
Planung nötig ist, weil aus vielen Gründen es m.E. nicht realistisch ist, 
dass alle im gesellschaftlichen Maßstab notwendigen Produktionen, aber auch 
ggf. ihre bewusste Besgrenzung und die Kontrolle ihrer Nebenwirkungen sich 
einfach aus dem ergeben, was einzelne produzierende Einheiten eben so 
produzieren wollen, und 2. dass weiterhin Mechanismen der Regulierung der 
Produktion und des Austausches nötig sind, die - ob das nun wertförmig 
passiert oder anders, etwa bei öffentlichen Diensten, die für die NutzerInnen 
kostenlos abgegeben werden - neben den qualitativen Dimensionen immer auch 
die Dimension des quantitativen Arbeitsaufwands berücksichtigen und diesen - 
im Unterschied zum Kapitalismus unter Beachtung aller anderen humanen, 
sozialen, ökologischen etc. Dimensionen - zu minimieren versuchen, um einen 
immer weiter wachsenden Teil der Lebenszeit der Menschen für andere und 
wirklich selbstbestimmte Betätigung frei zu machen.

Viele Grüße

Ralf Krämer
Fresienstr. 26
44289 Dortmund
Tel. 0231-3953843
Fax 0231-3953844

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


[English translation]
Thread: oxdeT02629 Message: 1/1 L0 [In index]
Message 02629 [Homepage] [Navigation]