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Re: [ox] Vertragsfreiheit



Ich versuchs mal auf die Gefahr damit einen "Juristenzock" zu starten:

Wichtig ist zunächst einmal, daß die "Vertragsfreiheit" hier im Zusammenhang 
mit Urheberrecht erwähnt wird. Im deutschen Rechtsraum ist das Urheberrecht 
ein "Sachenrecht im subjektiven Sinne". Der Terminus hierfür lautet:   ein 
"dingliches Recht".  Dieses "dingliche Recht" wiederum ist den "relativen 
Rechten" gegenübergestellt. Während das "dingliche Recht" die 
Herrschaftsmacht über eine Sache zum Inhalt hat, gewährt das "relative Recht" 
nur Befugnisse gegenüber einer bestimmten - natürlichen oder juristischen - 
Person. Das besondere Kennzeichen eines "dinglichen Rechtes" ist seine 
Absolutheit, es ist von unserer Rechtsordnung mit Wirkung gegenüber jedermann 
ausgestattet und wird von ihr gegen jeden rechtswidrigen Eingriff geschützt. 
Die Beziehung zwischen Urheberrecht-Eigentümer und Werk ist also - vom 
Grundsatz her - gleich der zwischen Grundeigentümer und Liegenschaft oder, 
bei beweglichen Sachen, gleich der zwischen Eigentümer und Fahrnis. 

Das Sachenrecht regelt als Teil des Privatrechtes - i.e. die Beziehungen der 
Rechtsgenossen untereinander - die Güterzuordnung. Verbliebe es einzig und 
allein bei dem knallharten Programmsatz des § 903 BGB "Der Eigentümer einer 
Sache kann ... mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder 
Einwirkung ausschließen", so würde der Kampf aller gegen alle 
bürgerkriegsähnlich verlaufen. Deshalb, um nämlich das schiedlich-friedliche 
Nebeneinander(her)leben zu ermöglichen, gibt es im Gesetz sogenannte 
Friedensschutzvorschriften, z.B. Nachbarrecht (§§ 905-924 BGB). Weiter ist es 
eine Besonderheit des Eigentums und der eigentumsähnlichen Rechte, daß sie 
"aufspaltbar" sind, d.h. an ein- und derselben Sache mehre Rechtsverhältnisse 
begründet werden können. Der Eigentümer eines Hauses mag eine Etage selbst 
bewohnen, jemand anderem ein Wohnrecht in einem anderen Stockwerk bestellt 
haben, weitere Wohnungen vermietet haben, zur Finanzierung irgendwelchen 
Banken Hypotheken und/oder Grundschulden am Grundstück bestellt haben usw. 
Hier besteht ein Bedürfnis Pflichten und Befugnisse des Volleigentümers zu 
den Inhabern beschränkter dinglicher Rechte oder bloßer Besitzrechte 
abzugrenzen. 

Im Sachenrecht ergibt sich für den Gesetzgeber mithin der Zwang zu einer 
Typisierung in doppelter Hinsicht. Erstens müssen die möglichen dinglichen 
Berechtigungen im Gesetz abschließend geregelt werden (sog. numerus clausus 
des Sachenrechts, Typenzwang). Zweitens muß der Inhalt der so festgelegten 
Berechtigungen zumindest ihrem wesentlichen Gehalt nach festgelegt werden 
(sog. Typenfixierung). Anders als im Schuldrecht (also dem Vertragsrecht, dem 
Recht der einseitigen Schuldversprechen usw.), wo auch in Deutschland 
weitestgehende Gestaltungsfreiheit = Vertragsfreiheit gilt, wird im 
Sachenrecht die inhaltliche Gestaltungsfreiheit eingeschränkt. Die Parteien 
eines dinglichen Rechtsgeschäftes sind zwar frei in der Entscheidung, "ob" 
sie dingliche Rechte begründen wollen (Abschlußfreiheit), welche Rechte aber 
überhaupt in Betracht kommen und welchen Inhalt sie haben, ist zwingend 
geordnet (keine oder beschränkte Gestaltungsfreiheit).

Beim Urheberrecht ist die Typisierung so vorgenommen worden, daß der Urheber 
sich seines Rechtes am geschaffenen Werk nicht vollkommen entäußern kann, 
sondern lediglich Nutzungsrechte am Werk entstehen können. Damit ist die 
Vertragsfreiheit aus Gründen der "Nähe zur Persönlichkeit des Urhebers" 
anderes als im anglo-amerikanischen Recht eingeschränkt. 


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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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