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Lustprinzip (was: Re: [ox] Re: "Arbeit" oder Konsumerismus?)



Hi Stefan und Listige,

ich pick mir mal den letzten Punkt raus (das andere fand ich aber auch
sehr spannend!): das Lustprinzip.

Stefan Merten schrieb:
Vielleicht müssen wir das Lustprinzip noch genauer klären. Schließlich
sind Menschen vor allem kultürliche Wesen und haben die
Möglichkeitsbeziehung zur Welt. Wie kommt hier das Lustprinzip hinein?
Ist das vielleicht ein psychischer Mechanismus, um Notwendigkeiten
nachzugehen, die sonst vielleicht unter den Tisch fallen würden? Oder
ist das zu mechanistisch gedacht?

"Lust", also eine positive emotionale Wertung, die eine Handlung
begleitet, ist das individuelle Erleben einer Erweiterung der
Handlungsfähigkeit. Und Handlungsfähigkeit bezieht sich immer auf ein
Mehr an Nutzung, Teilhabe und Erweiterung gesellschaftlicher
Möglichkeiten für je mich. Das gilt für das Kind, das zunächst lernt,
seine Handlungsfähigkeit unter Erprobung und Nutzung von Vorhandenem
(Dingen wie Menschen) bis zur Teilhabe an gesellschaftlichen
Möglichkeiten zu erweitern. Das gilt auch für den/die Hacker/in Freier
Software, der/die den gesamtgesellschaftlichen Möglichkeitsraum als
solchen erweitert. Ein/e Hacker/in schafft also Möglichkeiten für andere
wie - reziprok - andere Hacker seine/ihre Möglichkeiten erweitern. Das
ist eine unglaublich befriedigende, lustvolle Angelegenheit!

Der Witz ist also, dass es sich überhaupt nicht um irgendeinen
biopsychischen hintergründigen Mechanismus handelt, der uns dazu bringt,
Notwendigkeiten zu tun, die wir sonst nicht tun würden. Sondern das
Erfüllen von Notwendigkeiten ist dann lustvoll, wenn ich eine
verallgemeinerte Erweiterung je meiner (also der von allen)
Handlungsfähigkeit erwarten kann. Unter Verwertungsbedingungen - um das
ganz klar abzugrenzen - klappt das nicht! Denn erweitere ich nicht je
meine Handlungsmöglichkeit, sondern beschränke sie, da ich mich nur auf
Kosten anderer durchsetzen kann. Das heisst, ich setze mich strukturell
auf meine eigenen Kosten durch, ich werde mir selbst zum Feinde - das
kann einfach nicht lustvoll geschehen.

Das mal so als Ideen dazu.
[den Aspekt der Sexualität habe ich jetzt hier bewusst ausgeklammert,
denn er war hier auch nicht gemeint - zumindest habe ich dich so
verstanden].

Ciao,
Stefan

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