Message 03096 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT03096 Message: 1/6 L0 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

[ox] Gedanken von einem Vortrag



Liebe Liste,

vor ein paar Wochen hatte ich nochmal hier in Kaiserslautern im Rahmen
der Kritischen Uni den Vortrag gehalten, den ich als Keynote auf der
Konferenz gehalten hatte. Nun, eine Erkenntnis war, daß der Vortrag
für ein "uneingeweihtes" Publikum ungeeignet ist - aber das dachte ich
mir eigentlich schon. Aber es waren auch nur *sehr* wenige
BesucherInnen da und eigentlich keineR, die von Oekonux nicht schon
mal gehört hätte.

Dennoch gab es danach eine ganz interessante Diskussion, von denen ich
euch ein paar spannende Stichpunkte nicht vorenthalten will. Sie
beziehen sich auf unseren Diskurs und einige seiner (momentanen)
Fehl- / Schwachstellen.

* Konstituierung von Gesellschaft?

  Angesichts meiner Schilderungen wurde gefragt, wie sich aus den
  vielen einzelnen Gruppen denn überhaupt wieder so etwas wie
  Gesellschaft konstituieren würde.

  Nach dem Meretz'schen Gesellschaftsbegriff gedacht ist diese Frage
  eigentlich schon falsch - täte ich sagen. Danach kann es gar keine
  Menschheit ohne Gesellschaft geben und dementsprechend ist auch die
  Frage von deren Konstituierung gar nicht gegeben.

  Ich habe die Frage dann so verstanden: Wie konstituiert sich das,
  was wir heute als gesellschaftliche Institutionen kennen - Staat
  vielleicht als eine der wichtigsten. Oder nochmal anders gefaßt: Wer
  kümmert sich in einer GPL-Gesellschaft um gesamtgesellschaftliche
  Fragen?

  Ich führe ja immer gerne Greenpeace als künftige
  Ozonloch-MaintainerInnen an, aber hier sollten wir m.E. noch bessere
  Antworten geben können.

* Fähigkeit zur Freiheit?

  Kritisch wurde angemerkt, daß viele Menschen heute zu Freiheit gar
  nicht in der Lage wären.

  Nach einiger Diskussion kamen wir dann dahin, daß der landläufige
  Freiheitsbegriff sehr stark durch Schranken- und Bindungslosigkeit
  geprägt ist und insbesondere der Begriff der Verantwortung darin
  überhaupt nicht vorkommt. Dann stellt sich natürlich sofort die
  Frage, wie die "Freiheit" die z.B. heutige SchülerInnen "genießen",
  sich in ein Modell von GPL-Gesellschaft übersetzt.

  Nun, mein Begriff von Freiheit umfaßt auch Verantwortung und damit
  hat die von mir gemeinte Freiheit wenig mit Schranken- und
  Bindungslosigkeit zu tun. Die Freiheit, die dort diskutiert wurde,
  hat für mich den entscheidenden Fehler, daß z.B. SchülerInnen - um
  bei dem Beispiel zu bleiben (was ich aber wirklich nur vom
  Hörensagen kenne...) - eben nicht zu verantwortlichem Handeln
  erzogen werden. Damit bleibt dann nur noch die Schrankenlosigkeit
  übrig - mit der Sinnentleerung die einer Schrankenlosigkeit nun mal
  zu eigen ist.

  Wichtig war auch der Gedanke, daß die je gegebene Kultur die Art und
  Weise wie mit Freiheit umgegangen wird, entscheidend prägt. In
  diesem Sinne würde es gelten, eine Freie Kultur zu etablieren, in
  der sich Freiheit so entwickelt, wie wir es in der Freien Software
  sehen und wie es dort schon funktioniert.

  Vielleicht kann ich meinen Begriff besser mit Freiwilligkeit
  umschreiben? Weiß nicht. Anyway sollten wir hier vielleicht unsere
  Begriffe noch schärfen.

* Wo bleibt Verantwortung und Notwendigkeit?

  Die Frage war, wo Verantwortung und Notwendigkeit in einer
  GPL-Gesellschaft vorkommen. Das mag ein bißchen auf den Vortrag
  zurückzuführen sein, der die Selbstentfaltung stark in den
  Mittelpunkt stellt, aber dennoch sind diese Aspekte vielleicht ein
  bißchen zu leicht zu übersehen in unserem Diskurs.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


[English translation]
Thread: oxdeT03096 Message: 1/6 L0 [In index]
Message 03096 [Homepage] [Navigation]