Fraglichkeit von high-level Selbstenfaltung (Re: [ox] GPL-Gesellschaft - Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft -- Teil 2)
- From: Gabriel Pickard <werg demokratica.de>
- Date: Wed, 15 Aug 2001 12:18:03 +0200
Hallo!
Stefan Merten wrote:
> 3.1.1. Die FloristIn ist beseelt von ihrer Arbeit
> - -------------------------------------------------
>
> Ein beliebig rausgegriffener Beruf, ist der der FloristIn. Viele
> FloristInnen sind mit Leib und Seele bei ihrer Arbeit. Sie lieben das
> Material mit dem sie arbeiten, sie lieben den Umgang damit und sie
> lieben die kreativen Möglichkeiten, die ihnen ihr Beruf gibt. Diese
> Möglichkeiten hat sie auch in einem auf Verwertung ausgerichteten
> Betrieb.
>
> Aber auch die Pflegeberufe bieten für viele Menschen Möglichkeiten
> sich über Hilfe für andere selbst zu entfalten.[22]
>
> 3.1.2. KassiererIn ist genervt von der Maloche
> - ----------------------------------------------
>
> Im Gegensatz zu den genannten Beispielen ist die KassiererIn genervt
> von der täglichen Maloche. Sie geht einer völlig entfremdeten,
> anstrengenden und noch dazu stupiden Arbeit nach. In dieser Tätigkeit
> ist praktisch kein Spielraum vorhanden um sich zu entfalten, sondern
> es zählt alleine der Tauschwert der Arbeit.
>
> Während die vorgenannten Berufsgruppen relativ leicht in eine
> GPL-gesellschaftliche Form gebracht werden könnten, ist der Beruf der
> KassiererIn nicht anzupassen. Solche Berufe sind im Interesse einer
> GPL-Gesellschaft entweder durch Maschinen zu ersetzen oder ganz
> überflüssig zu machen. Da in einer geldlosen GPL-Gesellschaft das
> Kassieren von Geld ohnehin zu einer aussterbenden Kunst gehören würde,
> wäre das Problem für den Beruf der KassiererIn leicht zu lösen.
So ein bisschen hat Matthias mir das Wort aus dem Mund genommen, als er
sich wunderte, dass hier so'ne Technikgläubigkeit herrscht. Ich habe
gelegentlich das Gefühl, dass Technik zu schnell als Lösung - und nicht
als Mittel angesehen wird. naja.
Daneben fühle ich öfters auch ein Mißtrauen gegenüber 'Malocheberufen'
-- ich meine, da macht 'ihr' es euch ein bisschen zu einfach. Dass
bestimmte Färbungen von eigentlich ordentlichen Berufen ins
unmenschliche ausarten weis ja wohl mittlerweile jeder... Daraus aber
abzuleiten, dass geistige Arbeit und Erfinden eher der Selbstentfaltung
dienen halte ich für falsch. Ganz im Gegenthume ist mit der
Selbstentfaltung die Befreihung von Zwängen - eben auch von den Zwängen
der Technik, unter die mensch sich stellt wenn mensch an- und mit der
Technik arbeitet - doch gemeint.
Heute Morgen, in den ersten beiden Stunden hatte ich eine wirklich
interessante Diskussion im GK-Unterricht. Das Kursthema ist
"Vollbeschäftigung" - und unser Lehrer stellte uns so'n Modell aus dem
Buch "Die Globalisierungsfalle" vor. Darin wird die These aufgestellt,
dass in der (marktwirtschaftlichen) Zukunft nur noch 20% der
Weltbevölkerung arbeiten werden. Gleichzeitig wurde die Sache mit dem
globalen Wettbewerb angesprochen, wonach wir den 'Gürtel enger
schnallen' müssten, im Zuge einer 'Anpassung nach Unten'. Mir wollte das
überhaupt nicht in den Kopf, dass wir bei diesem ungeheuren Potential zu
Reichtum (mensch stelle sich nur vor, die ganzen übrigen 80% arbeiten
auch noch, dann müssten wir doch das doppelte an Leistung, mindestens
erwirtschaften) den Gürtel enger schnallen sollen - und ich habe das
selbstverständlich auch verbreitet. So manchen Leutchens in meinem Kurs
gingen erstmal so kleine Lichtchen auf, was diese ganze Sache für ihr
Leben bedeuten konnte. Ich habe aber auch etwas bemerkt, nämlich, dass
der Selbstenfaltungsbegriff, so wie er hier hochgehalten wird, vielen
Menschen nicht zugänglich zu machen ist. In ihrem Handeln suchen
Menschen oft einen Rahmen (dessen Ausartung der Zwang ist), gegen den
sie sich erst Selbstentfalten können, vielleicht so'n bisschen wie in
der Physik, wo jede Kraft eine Gegenkraft braucht.
Gesellschaftspsychologisch gesehen kann eine
Tätigkeitsorganisationsform, die aus der Selbstentfaltung und der
Ziel/Zweckgebundenheit ihre Direktive ableitet zu,
gesammtgesellschaftlich gesehen, erhöhter Selbstverwirklichung führen.
Das würde ich jedenfalls mal aufstellen - und ich würde gerne den
Begriff der 'Selbstverwirklichung' im Kontrast zur 'Selbstentfaltung'
stellen, als effektive Persönlichkeitsbildung in der Tätigkeit, ohne
Festlegung der Tätigkeitssteuernden Entität, gemessen an dem
entstehenden Menschlichen Glück.
Nunja, bizdenn, euer Gabriel
<ps>
> 3.1.3. InformatikerInnen können sich partiell selbstentfalten
ich persönlich wehre mich heftig dagegen, wenn jemensch sagen sollte,
das ein an die maschine und ihre Steuerung so stark gebundener Mensch
mehr Selbstentfaltungsmöglichkeiten als ein an das Wetter und die Umwelt
gebundener Bauer hat.
</ps>
<pps> Noch etwas zur Gewalt,Konkurrenz & der GK-Diskussion:
Die Gewalt hat in dem globalisierten und hochgezüchteten Kapitalismus
mal wieder ein Schlupfloch gefunden, durch das sie, im Deckmäntelchen
der Freiheit, vollkommen legalisiert, es Gewalttätigen Menschen erlaubt,
durch das Eintreten des Konkurrenzprinpipes auf allen Ebenen der
Gesellschaft und durch die übermächtige Geldsteuerung, Leiden in unsere
Welt zu tragen.
</pps>
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