[ox] 7 Thesen zum "Krieg gegen Amerika"
- From: Horibbeck t-online.de (H.R.)
- Date: Fri, 19 Oct 2001 18:23:04 +0200
Einige sehr kritische, teilweise wütende Anmerkungen
von H.R. zu:
SIEBEN THESEN ZUR LAGE (in CONTRASTE Okt.)
von Christoph Spehr
1. Das ist kein Krieg.
-Auch wenn die Dimension der Terroranschläge schockierend ist: Das ist kein
Krieg. Bis jetzt noch nicht. Kriege sind bewaffnete Auseinandersetzungen
zwischen Staaten oder Bürgerkriegsparteien in einem Land; Krieg erfordert
einen
bekannten Gegner, dessen militärische Struktur angegriffen werden kann. Das
Etikett »Krieg« lenkt ab von der Fragwürdigkeit von blinden
Vergeltungsschlägen,
die vorwiegend aus symbolischen und innenpolitischen Gründen forciert werden.
Es
sei daran erinnert, dass z.B. die »Ziele« im Sudan, die 1998 von den USA
bombardiert wurden, sich nachträglich als »Irrtum« herausstellten. Terror
wird
durch Gegenterror nicht bekämpft, und er rechtfertigt ihn nicht.
Verdächtig fix und ohne ein Wort gegen die barbarische Bestialität
der Anschläge kommst C.Spehr hier (fast schon) verständnisvoll
auf USA-Verbrechen zu sprechen, als seien sie Ursache und Legitimation
für die Anschläge. Sie sollten übrigens nicht nur wegen ihrer monströsen
Quantität, sondern zuerst wegen ihrer abgrundtief antisemitischen
Qualität schockieren!
Weiter votiert C.S. wie Fischer gegen blindes, damit indirekt für besonnenes
Zurückschlagen.
2. Es kommt jetzt alles darauf an, keinen Krieg daraus zu machen.
- Die Rhetorik vom Krieg und die Politik des Gegenschlags spielt in
leichtfertiger Weise mit der Gefahr eines tatsächlichen Krieges, vor allem
eines
Krieges zwischen dem Westen und arabischen Ländern. Zweifellos geht Terror in
der Welt auch vom Boden der USA und Europa aus;
"Der Terror in der Welt" hat "zweifellos" erstmal das mittlerweile
globalisierte Kapital zur Ursache. "Vom Boden" (der USA o. Europa)
geht er überhaupt nicht aus. Das ist ein nationalistisch angehauchter
Sprachgebrauch.
dass eine Bombardierung
Welch eine Verharmlosung!
entsprechender "Zentren" nicht verständnisvoll hingenommen werden kann,
erleben wir gerade.
Umgekehrt wird schon eher ein Schuh draus:
Wir erleben, wie viele "Linke" sich geradezu suhlen in klammheimlichem
Antiamerikanismus!
Siehe: "Sowas kommt von Sowas!"
Dasselbe gilt für Länder in Asien, Afrika oder Nahost aber auch.
Aktuell ist es der Westen, der einen Angriffskrieg gegen arabische Staaten
vorbereitet, der bereits als Krieg des Guten gegen das Böse abgefeiert
wird. Die Geschwindigkeit, mit der an »Erkeimtnissen« produziert werden, ist
mehr als fragwürdig. Die Leichtfertigkeit, mit der das Risiko eines
tatsächlichen Krieges in Kauf genommen wird, ist ebenso schockierend wie das
Desinteresse an den Menschen, deren Leben direkt und indirekt gefährdet wird.
3. Das ist kein Anschlag gegen die Freiheit, nicht einmal gegen den
Kapitalismus, und es lässt sich auch keiner draus machen.
- Mit den verheerenden Anschlägen ist weder die »freie Welt«, sprich der
Westen,
noch die »zivilisierte Welt«, sprich die Industriestaaten, auch nicht die
»Demokratie«, sprich der Kapitalismus angegriffen worden. Abgesehen davon,
dass
man bis jetzt nicht weiß, wer die Anschläge mit welchem Ziel durchgeführt
hat,
richten sie sich gegen Symbole der USA als weltweiter Interventionsmacht,
ökonomisch und militärisch. Das ist eine relativ spezielle Botschaft.
C.S.wird hier offen antiamerikanistisch, so als könnte dem Kapital in Gestalt
des "american Way of Life" und seines ök. u. mil. Interventionismus (ich füge
Hinzu: seiner(noch existierenden) proisraelischen Politik)
das Böse ausgetrieben werden.
Die "verheerenden Anschläge" (man achte auf die wertfreie Aussage!)
vom Anfang des Absatzes schnurren dann zu einer "relariv speziellen Botschaft"
zusammen. :-(
Die Rede vom »Angriff auf die Freiheit« bäckt dieses spezifische
Gewaltpotenzial
mit allem und allen in der Gesellschaft zusammen und verdeckt gezielt, dass
eben
diese Interventionsmacht und-praxis seit langem bewusst und kalkuliert Risiken
auch für die eigene Bevölkerung anzieht - vor allem indem sie anderswo Gewalt
ausübt und Armut schafft, aber auch indem sie bedenkenlos Gruppen militärisch
aufrüstet, über die sie dann die Kontrolle verliert.
4. Das ist kein Anschlag für die Freiheit, nicht einmal gegen den
Kapitalismus,
und es lässt sich auch keiner draus machen.
-Man muss keine Sympathie für das Pentagon oder für das intermationale
Finanzkapitäl hegen, um festzustellen, dass die Ansch1äge eine faschistische
Handschrift tragen.
Oh je:
-Selbst Leute, die Militarismus und internationalem Finanzkapital ablehnend
gegenüber stehen, erkennen noch die faschistische Handschrift?
Versteht's jemand?
Ähnlich wie bei den Anschlägen in Bologna, Oklahoma
und anderen sollten mit maximaler Gewalt viele Menschen getötet werden, Chaos
und Krieg sind die kalkulierten, erhofften Folgen dabei. Der Tod von
Zivilisten,
die unmittelbare Lebensgefahr, die für Palästinenser, für Israelis,
für die Bevölkerung arabischer Staaten und viele andere hervorgerufen wird,
sind
den Tätern vollständig gleichgültig. Egal ob die verantwortlichen arabische
Fundamentalisten, amerikanische Rechtsextreme, eine Verbindung mehrerer
Gruppen
oder ganz Andere waren: hier lässt sich kein antikapitalistischer
Kontext konstruieren,
Richtig!
hier rechnet ein organisiertes Machtpotential mit einem
Gegner ab, der der eigenen Macht im Weg steht; hier wird geschlachtet, weil
man
sich von den Folgen eine Eskalation verspricht, von der das eigene
Machtgebilde
auf Kosten zahlloser Anderer profitieren soll.
Falsch!
Hier kann in keinster Weise was konstruktives herausspringen. Nichtmal
Profitieren auf Kosten Anderer ist drin.
Diese absolut antiemanzipatorische Gewalt ist in ihrem offensichtlichen
Antisemitismus nur noch mörderisch paranoid.
5. Die Anschläge sind der Bankrott einer militärisch und polizeilich
fixierten Sicherheitspolitik; ein Weitergehen in diese Richtung ist
verantwortungsloser Hasard.
Wie soll denn eine Verantwortungsvolle Sicherheitspolitik aussehen?
Wenn ich mal spitz fragen darf.
"Diese Anschläge" lassen lediglich grell aufscheinen,
das im allgemeinen Niedergang das globale
Kapital gleichzeitig die Spielräume von Sicherheitspolitik
rasant einschränkt und die allgemeine Barbarisierung hervorruft.
Verantwortungsvolle Sicherheitspolitik
ist unmöglich. Sie zu fordern ist illusionär.
Statt zum "vernünftigen" Umgang mit dem Kapitalismus
aufzurufen, sollte sein Kollabieren und seine
absolute Perspektivlosigkeit gezeigt werden.
- Die Rede vom Krieg verdeckt auch, dass es vor Terroranschlägen keinen
absoluten Schutz gibt. Die eigene Sicherheit zu erhöhen, erfordert Politik,
siehe oben
nicht militärische Schlagkraft. Es erfordert eine Politik, die zumindest
dest in höherem Maße auf Kooperation, Ausgleich und Kompromiss bedacht ist,
wenn es um ökonomisch und internationale Konflikte geht.
Auch wenn die Terroranschläge nicht beanspruchen können, irgendjenand zu
»repräsentieren«,
Als würden sie nicht ein riesiges
rückwärtsgewandtes, antisemitisches, ethnorassistisches,
religiös-fundamentalistisches, frauenfeindliches,
homophobes Lumpenproletariatrepräsentieren!
Was vergessen?
haben sie einen verbreiteten realen Hass auf den Westen und
die USA zur Voraussetzung, um ihre Söldner zu rekrutieren und sich
vor Infiltration abzuschotten. Diesen Hass kann man militärisch nicht
zerschlagen, er ist die Bilanz einer Politik,
Wieder und immer wieder die Illusion, es läge am Unvermögen
oder der Böswilligkeit von Politikern oder dieser Politik.
die weiten Teilen der Menschheit nichts zu bieten hat - nicht die Ambivalenz
eines noch
Steht dieses "noch" nur versehentlich hier,
oder ist es das schüchterne Aufscheinen der Einsicht,
daß selbst dieses "halbwegs auskömmliche Leben"
zunehmend zur Disposition steht? -Und zwar auf nimmer wiedersehen?
halbwegs auskömmlichen Lebens im Kapitalismus, sondern
buchstäblich
nichts außer Gewalt, Armut, Vertreibung und Demütigung.
Sicherheitspolitik
besteht heute im Protest gegen die Politik der G8.
Wieder diese Politik - Illusion!
Wer findet, am wichtigsten sei, dass die Bundeswehr jetzt auch möglichst
schnell
ihre globale lnterventionsfähigkeit weiter vorantreibt, ist nicht nur
zynisch,
er riskiert bereitwillig unser aller Leben um der Interessen von Eliten
und »Systemzwängen« willen.
6. Es ist notwendig deutlich zu machen, dass wir uns weigern,
einen Krieg zu führen.
-Die an sich bekannte Wahrheit, dass Krieg das Schlimmste ist, was
passieren kann, wird derzeit beschleunigt zugedeckt.
Und nun entdecken wir: es gibt doch was schlimmeres, nähmlich
der totale Terror und der diesen toppende totale staatliche Terror.
Wir erleben kriegsvorbereitende Propaganda. Es ist wichtig, klar zu
machen, das ein Krieg auf Widerstand stößt.
Anteilnahme und Solidarität für die Getöteten in Amerika und ihre Angehörigen
sind wichtig. Für die innenpolitischen Interessen von Bush und die
strategischen Machtinteressen deutscher Eliten im Nahen Osten den Kopf
hinzuhalten, hat damit nichts zu tun.
7.Es ist notwendig, einer Spirale von
Rassismus etgegenzutreten.
- Es gibt bereits Angriffe auf Ausländer, speziell auf Menschen aus arabischen
Ländern oder aus mehrheitlich moslemischen Ländern, in den USA und auch hier.
Das Spiel von oben ist dasselbe wie immer. Man will solche Übergriffe nicht
haben, betreibt aber die Politik, die sie vorbereitet. Es geht eben nicht
darum, dass »nicht alle Araber so sind« oder der Islam auch ganz nett sein
kann. Es geht um aktiven Schutz für
Gefährdete, es geht um eine selbstkritische Haltung gegenüber der eigenen
Politik und Dominanz. Es geht um das Anerkennen der Tatsache, dass es auch
Hass gibt und dass er auch reale Gründe hat.
Überschwappender Judenhass vor allem, der übrigens
ganz real und trotzdem irrational ist.
Es geht um das Eingeständnis der Tatsache, dass der Westen
jeder emanzipatorischen oder sozialen Alternative innerhalb des Islam oder
innerhalb der arabischen Gesellschaften mit kompromissloser
Härte entgegengetreten ist, einfach
wegen des Öls.
Und es geht darum, mit der realen Vielgestaltigkeit von Positionen,
politischen Überzeugungen und sozialen Kräften endlich zu kooperieren, zu
kommunizieren und zu verhandeln,
Was heißt hier endlich? Und was kooperation?
Will C.S. uns sagen, daß die Aliens jetzt endlich kurz
davor sind menschlich zu werden?
Das wir gar mit ihnen kooperieren, kommunizieren
und sogar mit Aussicht auf Erfolg VERHANDELN können?
anstatt sich die Feindbilder zu schaffen,
die das eigene Draufhauen immer wieder aufs
Neue legitimieren soll.
Was da zu beobachten ist, ist nicht mein eigenes Draufhauen.
Ich hoffe, auch nicht Deines, Christoph.
Zu viel der Identifikation mit dem Täter!
H.R.
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