Re: [ox] WOS2 -- Wohlstand
- From: Stefan Merten <smerten oekonux.de>
- Date: Sun, 21 Oct 2001 12:35:52 +0200
Hi Gregor, Liste, alle!
Zunächst eine Vorbemerkung zu diesen Threads.
Ich finde es supergut, Gregor, daß du dich hier getraut hast, deinen
Punkt vorzubringen. Mir liegt schon lange an einer fruchtbaren(!)
Diskussion mit einer VertreterIn der "anderen Seite", weil ich das
Gefühl habe, daß mindestens wir davon noch was lernen können. Leider
haben wir vor ein paar Monaten schon Dirk H. nachhaltig vergrault
:-( .
Mittlerweile dürfte klar sein, daß die Sprachspiele / Begriffswelten
sehr unterschiedlich sind. Ich denke, daß wir da alle in unseren
vielgerühmten Qualitäten gefordert sind, aufeinander einzugehen und
uns nicht gegenseitig die Begriffswelten um die Ohren zu hauen. Es ist
leicht gut zu diskutieren, wenn der Grundkonsens hoch ist. Die wahre
Kunst ist eine gute Diskussion mit niedrigem Grundkonsens.
Noch ein paar inhaltliche Bemerkungen / Nachfragen. Ich picke mir mal
das hier raus, weil das m.E. einiges gut auf den Punkt bringt.
2 days ago Gregor Zeitlinger wrote:
VWL heißt ja Volkswirtschatfslehre, eine Definitions (wohlgemerkt
_eine_) dazu habe ich mal aus einem Einführungbuch (Economics von
Samuelson/Nordhaus) rausgesucht:
Volkswirtschaftslehre ist die Wissenschaft vom Einsatz knapper Resourcen
durch die Gesellschaft zur Produktion vertvoller Wirtschaftsgüter und von
der Verteilung dieser Güter unter ihren Mitgliedern.
Aha. Gut. Bei all dem müssen wir im Hinterkopf behalten, daß VWL /
Ökonomie heute eine dominante Rolle spielt. Das drückt sich auch schon
in der Begriffsbezeichnung *Volks*wirtschaftslehre aus. Hier wird ja
postuliert, daß dies die Grundlage einer Bevölkerung ist. Das scheint
mir schon mal ein wesentlicher Differenzpunkt.
Warum? Nun die Definition bezieht sich zentral auf knappe Ressourcen.
Wenn die VWL dann beansprucht, als Dominanzwissenschaft zu gelten,
dann wird implizit gesagt, daß die Gesellschaft ein zentrales Problem
mit knappen Ressourcen hat. Ich denke auch, daß das das
Selbstverständnis der allermeisten ÖkonomInnen widerspiegelt.
Das diskutieren wir auf der Liste allerdings anders. Eine
Meilenstein-Mail dazu ist m.E. von Sabine:
http://www.oekonux.de/liste/archive/msg00818.html
Mit der Freien Software analysieren wir weiterhin ein Phänomen, das
diese Knappheit nicht nur bei der Nutzung ad absurdum führt - Freie
Software ist ja nicht knapp, sondern steht allen zur Verfügung, die
sie brauchen -, sondern die Knappheit schon bei der Produktion ad
absurdum führt: Exakt aus der Tatsache, daß Freie Software eben auch
bei und unter den EntwicklerInnen nicht verknappt wird, resultiert
nach unserer Analyse die Dynamik des ganzen Prozesses.
Unsere Bemühungen gehen in Fortsetzung dieser Tendenz also dahin, daß
wir versuchen, eine Gesellschaft zu denken, die jenseits der Knappheit
angesiedelt ist. Damit wird VWL dann also zumindest als Dominanzmodell
obsolet. Spannend fände ich, ob auch nach einem solchen
Dominanzwechsel uns die VWL noch irgendetwas zu sagen hätte. Oder
vielleicht die Frage, warum eine Dominanzwechsel gar nicht gedacht
werden kann - d.h. warum der Kategorienwechsel, den StefanMz erwähnt
hat, vielleicht gar nicht durchgeführt sinnvoll werden kann.
Weiter ist in obiger Definition von "wertvollen Wirtschaftsgütern" die
Rede. Es geht also um irgendeine Definition von "wertvoll". Hier
werden sich die Geister sicher auch wesentlich scheiden. Ich frage
aber zunächst einfach mal: Was wird in der VWL als wertvoll erachtet?
Schlußendlich ist von "Verteilung dieser Güter unter ihren
Mitgliedern" die Rede. Na ja, ich vermute mal, daß das so nett neutral
formulierte "Verteilung" den Äquivalententausch meint. Kommt
vermutlich auf Seite 10 des Buches ;-) . Auch damit liegen einige in
der Liste hier massivst überkreuz. Freie Software wird nicht getauscht
- auch wenn das immer mal wieder postuliert wird und wenn die Leute
sich die wunderlichsten "Währungen" einfallen lassen, die da angeblich
verwendet werden. Nun, ich vermute das jetzt einfach mal so, daß die
VWL den Äquivalententausch postuliert. Ist das so? Wenn nicht oder
nicht ausschließlich, dann fände ich es spannend, was zu anderen
Gebieten gesagt wird.
Mit Freien Grüßen
Stefan
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