[ox] Chomsky-Krieg gegen den Terror 1/2
- From: <thomas co-buero.de>
- Date: Sat, 10 Nov 2001 13:39:18 +0100
Noam Chomsky
Der Neue Krieg gegen den Terror
Abschrift des Vortrages aus dem MIT Forum für Technologie und
Kultur, am 18. Oktober, 2001
Alle wissen, dass Fernsehleute die Welt regieren
[Gelächter]. Ich habe gerade den Befehl erhalten hier
zu sein und nicht dort. Nun, das letzte Gespräch, das
ich in diesem Forum behandelte hatte ein leichtes,
nettes Thema. Es ging um die Menschen als gefährdete
Spezies, die sich der Natur ihrer Institutionen nach
zu urteilen, in ziemlich kurzer Zeit selbst zerstören
könnten. Dieses Mal geht es ein wenig entspannter zu,
denn wir haben stattdessen ein angenehmes Thema vor
uns: der neue Krieg gegen den Terror.
Unglücklicherweise, lässt sich die Welt weiter Dinge
einfallen, die ihn während wir hier reden, immer
schrecklicher machen.
Zwei Voraussetzungen für dieses Gespräch
Ich setze für dieses Gespräch zwei Annahmen voraus.
Die erste ist das, was ich als Anerkennung der Fakten
voraussetze. Das heisst, dass die Ereignisse am 11.
September eine grauenhafte Greueltat waren, die
wahrscheinlich die grösste sofortige Opferzahl in der
Geschichte gefordert hat, mit Ausnahme eines Krieges.
Die zweite Voraussetzung betrifft die Ziele. Ich setze
voraus, dass unser Ziel darin besteht, die
Wahrscheinlichkeit solcher Verbrechen zu verringern,
egal ob sie gegen uns oder gegen jemand anderes verübt
werden sollen. Wenn Sie diese zwei Voraussetzungen
nicht akzeptieren, dann ist das was ich sagen werde
nicht an Sie gerichtet. Wenn wir sie akzeptieren,
erheben sich daraus eine Reihe Fragen, die eng
miteinander zusammen- hängen und viel Nachdenken
verdienen.
Die fünf Fragen
Eine Frage, und die bei weitem Bedeutendste, ist die
Frage nach dem was jetzt gerade passiert. Darin
impliziert ist die Frage nach dem was wir dagegen tun
können. Die zweite Frage betrifft die sehr
weitverbreitete Annahme, dass das was am 11. September
geschehen ist, ein historisches Ereignis ist, das die
Geschichte verändern wird. Ich neige dazu dem
zuzustimmen. Ich denke es ist wahr. Es war ein
historisches Ereignis, und die Frage die wir uns
stellen sollten, ist wieso. Die dritte Frage betrifft
diesen Titel, 'Der Krieg Gegen Terror'. Was genau ist
das? Die vierte Frage, die eingeschränkter aber
bedeutend ist, betrifft die Ursachen des Verbrechens
vom 11. September. Und die fünfte Frage über die ich
ein wenig reden möchte, dreht sich darum, welche
politische Optionen es in diesem Krieg gegen den
Terror gibt, und um mit den Situationen
fertigzuwerden, die dazu geführt haben.
Ich werde zu jeder Frage einige Sachen sagen. Ich
würde in diesem Gespräch gerne auch darüber
hinauszugehen und andere Fragen anzusprechen. Dies
sind diejenigen die mir als heraussragend eingefallen
sind, aber Sie könnten leicht andere gewählt haben.
1. Was passiert im Augenblick?
Das Verhungern von 3 - 4 Millionen Menschen
Nun, beginnen wir mit der augenblicklichen Lage. Ich
werde über die Situation in Afghanistan sprechen.
Dabei werde ich mich nur an unkontroverse Quellen
halten, wie die New York Times [Publikumsgelächter].
Der New York Times zufolge, sind 7 - 8 Millionen
Menschen in Afghanistan unmittelbar vom Hungertod
bedroht. Das war im Grunde vor dem 11. September der
Fall. Sie überlebten durch internationale Hilfe. Am
16. September berichtete die Times, und ich zitiere
sie, "die Vereinigten Staaten forderten Pakistan auf,
die Lastwagenkonvoys, die den grössten Teil der
Nahrung und anderer Vorräte für die afghanische
Bevölkerung lieferten, einzustellen". So weit ich
feststellen konnte, hat es hierzu in den Vereinigten
Staaten, und was das anbetrifft auch in Europa,
keinerlei Reaktionen gegeben. Ich war am nächsten Tag
im nationalen Radio überall in Europa. Es gab meines
Wissens nach weder in den Vereinigten Staaten, noch in
Europa eine Reaktion auf die Forderung, Millionen
von Menschen zum massiven Hungertod zu verurteilen.
Die drohende Militärschläge nach September, um die
Zeit herum, erzwangen den Rückzug des internationalen
Hilfspersonals, was die Hilfsprogramme lähmte. Ich
zitiere wieder aus der New York Times. "Flüchtlinge,
nach einer anstrengenden Reise aus Afghanistan,
beschreiben Szenen der Verzweiflung und Panik in
ihrer Heimat, als die Drohung amerikanischer
Militärangriffe, ihren langen Elend in eine
potentielle Katastrophe verwandelt. Das Land hing an
einem Lebensfaden, und wir haben diesen Faden einfach
durchgeschnitten." Ich zitiere einen evakuierten
Hilfsarbeiter aus der New York Times.
Das Welternährungsprogramm, das UN Programm, das bei
weitem wichtigste, konnte Anfang Oktober nach 3.
Wochen wiederaufgenommen werden, sie begannen
wieder, im eingeschränkten Ausmass,
Nahrungslieferungen aufzunehmen. Sie haben keine
internationale Hilfsarbeiter in Afghanistan, daher ist
das Verteilungssystem behindert. Dies wurde
eingestellt sobald die Bombardierungen begannen. Sie
nahmen es dann in noch eingeschränkterem Masse
wieder auf, während die Hilfsorganisationen die US-
Nahrungsmittelabwürfe heftig verurteilten, und sie als
Propagandawerkzeug verdammten, das wahrscheinlich
mehr Schaden als Nutzen anrichtet. Dies ist zufällig
ein Zitat aus der London Financial Times, kann aber
leicht weiterverfolgt werden. Nach der ersten Woche
der Bombardierungen, berichtete die New York Times in
einer Kolumne auf der letzten Seite etwas anderes,
dass es nämlich nach den Berechnungen der Vereinigten
Staaten, bald 7.5 Millionen Afghaner geben wird, die
sogar noch eine Scheibe Brot dringend benötigen
werden, und dass nur noch wenige Wochen übrig sind,
bis der rauhe Winter Lieferungen in vielen Gegenden
völlig unmöglich machen wird - ich zitiere weiter -
aber wegen den Bombenangriffen liegen die
Lieferungen bei der Hälfte dessen, was benötigt wird.
Ein beiläufiger Kommentar. Der uns sagt, dass die
westliche Zivilisation mit der Abschlachtung von, nun,
rechnen Sie selbst nach, mehr oder weniger drei bis
vier Millionen Menschen rechnet. Am selben Tag,
winkten die Anführer der westlichen Zivilisation, das
Angebot einer Auslieferung des angeblichen Zieles,
Osama bin Laden, und eine Bitte einige Beweise
vorzulegen um die Forderung nach einer totalen
Kapitulation zu begründen, wieder einmal
verachtungsvoll ab. Es wurde abgelehnt. Am selben Tag,
bat der UN-Sonderbeauftragte für Nahrung die
Vereinigten Staaten die Bombardierung einzustellen, um
zu versuchen Millionen von Opfer zu retten. Soweit mir
das bekannt ist, gab es darüber keine Berichte. Das
war am Montag. Gestern schlossen sich die wichtigen
Hilfsorganisationen OXFAM, Christian Aid und andere
sich der Bitte an. Darüber kann man in der New York
Times kein Bericht finden. Es gab eine Zeile darüber
in der Boston Globe, die in einem Artikel über ein
anderes Thema versteckt war, Kashmir.
Stiller Völkermord
Nun, es wäre einfach das weiterzuführen, aber das
alles, in erster Linie zeigt es uns was passiert. Es
sieht so aus, als ob das was passiert, eine Art
stiller Völkermord ist. Es liefert auch einen guten
Einblick in die Elitekultur, der Kultur der wir
angehören. Es weist darauf hin, dass was auch immer -
passieren wird wissen wir nicht, aber Pläne werden
gemacht und Programme implementiert, und zwar unter
der Annahme, dass sie zum Tod mehrerer Millionen
Menschen in den nächsten Wochen führen werden, sehr
beiläufig und ohne Kommentare, kein besonderes
Nachdenken darüber, das ist hier, und in einem Teil
Europas nur normal. Nicht in der restlichen Welt. Im
Grunde noch nicht mal in einem grossen Teil Europas.
Wenn Sie die irische oder schottische Presse näher
verfolgen, sind die Reaktionen sehr verschieden. Nun,
das ist es, was jetzt passiert. Was jetzt passiert
unterliegt ziemlich stark unserer Kontrolle. Wir
können sehr viel tun, um das was passiert zu
beeinflussen. Und das ist es im grossen und ganzen.
2. Wieso war es ein historisches Ereignis?
Angriff auf das nationale Territorium
In Ordnung, wenden wir uns der etwas abstrakteren
Frage zu, und vergessen für einen Augenblick, dass wir
uns anscheinend inmitten eines Mordversuches an 3
bis 4 Millionen Menschen befinden, nicht an den
Taliban natürlich, sondern an dessen Opfer. Gehen wir
zurück zu der Frage nach dem historischen Ereignis vom
11. September. Wie ich schon sagte, denke ich dass
dies zutreffend ist. Es war ein historisches Ereignis.
Bedauerlicherweise nicht wegen seines Ausmasses, denn
auch wenn man nicht gerne darüber nachdenkt, sind
seine Ausmasse nicht so aussergewöhnlich. Ich sagte,
dass es die wahrscheinlich grösste Anzahl sofortiger
Opfer in der Geschichte gefordert hat. Und das ist
vielleicht richtig. Aber es gibt terroristische
Verbrechen, deren weiteren Auswirkungen
unglücklicherweise noch extremer waren.
Nichtsdestotrotz ist es ein historisches Ereignis,
weil es eine Veränderung herbeigeführt hat. Die
Veränderung galt der Richtung, in der die Gewehrläufe
gerichtet waren. Das ist neu. Auf radikaler Weise neu.
Man nehme die Geschichte der Vereinigten Staaten.
Das letzte Mal, dass sich das nationale Territorium
der Vereinigten Staaten angegriffen wurde, oder was
das angeht, auch nur davon bedroht wurde, war als die
Briten 1814 Washington niederbrannten.
Gewöhnlicherweise wird auch Pearl Harbour erwähnt,
aber das ist keine gute Analogie. Die Japaner, egal
was man darüber denkt, bombardierten Militärbasen in
zwei US-Kolonien, nicht das nationale Territorium;
Kolonien, die ihren Einwohnern auf nicht gerade nette
Weise entrissen worden waren. Dieses Mal handelt es
sich um das nationale Territorium das im grossen
Massstab angegriffen worden ist, man kann einige
Beispiele finden die dem nahekommen, aber das ist
einzigartig. Fast 200 Jahre lang, haben wir, die
Vereinigten Staaten, die indigene Bevölkerung, das
heisst viele Millionen Menschen, vertrieben oder fast
vollständig vernichtet, halb Mexiko erobert, die ganze
Karibik und Mittelamerika geplündert und verwüstet,
manchmal sogar darüberhinaus, Hawaii und die
Philippinen erobert und dabei Hunderttausende
Philippinos getötet. Seit dem Zweiten Weltkrieg, hat
dies in einem Ausmass um die Welt gegriffen, den ich
nicht beschreiben muss. Aber dabei wurde immer jemand
anderes getötet, der Kampf fand irgendwo anders statt,
es waren andere die abgeschlachtet wurden. Nicht hier.
Nicht auf nationalem Gebiet.
Europa
Im Fall Europas ist die Veränderung sogar noch
dramatischer, weil ihre Geschichte sogar noch
schrecklicher ist als unsere. Wir sind im Grunde ein
Auswuchs Europas. Hunderte Jahre lang hat Europa
beiläufig Menschen auf der ganzen Welt massakriert. So
haben sie die Welt erobert, nicht indem sie
Süssigkeiten an Kinder verteilten. Während dieser
Periode litt Europa unter mörderischen Kriegen, aber
es waren immer europäische Mörder die sich gegenseitig
umbrachten. Hunderte Jahre lang bestand der Hauptsport
Europas daraus sich gegenseitig abzuschlachten. Der
einzige Grund warum das in 1945 endete war, es hatte
nichts mit Demokratie zu tun, oder damit keinen Krieg
gegeneinander zu führen und andere modische
Vorstellungen. Es geschah weil alle begriffen, dass
das nächste Mal, dass sie dieses Spiel spielen würden,
es das Ende der Welt bedeuten würde. Denn die
Europäer, einschliesslich uns, hatten so massive Ver-
nichtungswaffen entwickelt, dass das Spiel einfach
vorbei sein musste. Und das reicht hunderte von Jahren
zurück. Im 17. Jahrhundert wurde wahrscheinlich etwa
40% der deutschen Bevölkerung in einem einzigen Krieg
ausgelöscht. Aber während dieser ganzen mörderischen
Periode hindurch, waren es Europäer die sich
gegenseitig abschlachteten, und Europäer die Menschen
andernorts abschlachteten. Der Kongo hat nicht Belgien
angegriffen, Indien hat nicht England angegriffen,
Algerien hat nicht Frankreich angegriffen. Es ist
einheitlich. Es gibt auch kleine Aussnahmen, aber in
sehr geringen Aussmassen, fast unsichtbar verglichen
mit den Massstäben dessen was Europa und wir dem Rest
der Welt antaten. Das ist die erste Veränderung. Es
ist das erste Mal, dass die Kanonen in die andere
Richtung zielten. Und meiner Meinung nach, ist das
auch der Grund wieso man so verschiedene Reaktionen
auf beiden Seiten des irischen Meeres sieht, was ich
übrigens in vielen Interviews auf beiden Seiten, im
nationalen Radio auf beiden Seiten bemerkt habe. Die
Welt sieht sehr unterschiedlich aus, je nachdem ob man
die Leine hält, oder Jahrhunderte hindurch damit
verprügelt worden ist. Deshalb denke ich, dass der
Schock und die Überraschung in Europa und seinen
Ausläufern, wie hier, sehr verständlich ist. Es ist
ein historisches Ereignis, aber leider nicht wegen
seiner Ausmasse, sondern aus einem anderen Grund,
weshalb die restliche Welt, der grösste Teil der Welt,
ihn ziemlich anders betrachtet. Nicht ohne Sympathie
für die Opfer der Greueltat, oder ohne von ihr
entsetzt zu sein, das ist fast allgemein, aber sie
sehen es aus einer anderen Perspektive. Etwas, das wir
vielleicht verstehen möchten.
3. Was ist der Krieg gegen den Terrorismus?
Nun, wenden wir uns der dritten Frage zu, 'Was ist der
Krieg gegen den Terrorismus?', und einer Nebenfrage,
'Was ist Terrorismus?'. Der Krieg gegen den
Terrorismus ist an höchsten Stellen als ein Kampf
gegen eine Plage beschrieben worden, ein Krebs, der
von Barbaren verbreitet wird, von "verdorbenen Gegner
der Zivilisation selbst." Dies ist eine Wahrnehmung
die ich teile. Die Worte die ich zitiere sind übrigens
20 Jahre alt. Sie stammen von Präsident Reagen und
seinem Innenminister. Die Reagen Regierung kam vor 20
Jahren an die Macht und verkündete, der Krieg gegen
den internationalen Terrorismus würde das Herzstück
unserer Aussenpolitik sein, den sie mit Worten in der
Art beschrieben, wie ich sie gerade erwähnt habe, und
ähnliche mehr. Und es war das Herzstück unserer
Aussenpolitik. Die Reagen Regierung antwortete auf
diese, von verdorbenen Gegner der Zivilisation
verbreiteten Plage, indem sie ein internationales
terroristisches Netzwerk ohnegleichen aufgebaut haben,
von nie gekannten Ausmassen, das massive Greueltaten
auf der ganzen Welt verübte. Ich werde nicht die
Errungenschaften aufzählen. Sie sind alle gebildete
Menschen, daher bin ich sicher, dass Sie darüber in
der Grundschule gelernt haben [Publikumsgelächter].
Reagans US-Krieg gegen Nicaragua
Aber ich werde nur einen Fall erwähnen, der völlig
unkontrovers ist, deshalb könnten wir genauso gut auch
nicht darüber argumentieren. Keineswegs der extremste,
aber unkontrovers. Er ist unkontrovers aufgrund der
Urteile der höchsten internationalen Autoritäten, des
Internationalen Gerichtshofes, des Weltgerichtshofes,
und des UN- Sicherheitsrates. Also ist dieser Fall
unkontrovers, zumindest unter Menschen, die zumindest
einen Mindestmass an Respekt vor internationalen
Gesetzen, Menschenrechten, Gerechtigkeit und solchen
Dinge haben. Und nun gebe ich Ihnen eine Übung auf.
Sie können schätzen wie gross diese Kategorie ist,
indem Sie einfach fragen, wie oft dieser unkontoverse
Fall in den Kommentaren des letzten Monats erwähnt
worden ist. Und dabei handelt es sich um einen höchst
relevanten Fall, nicht nur weil es unkontrovers ist,
sondern weil er einen Präzedenzfall dafür liefert, wie
ein gesetzestreuer Staat auf einen internationalen
Terrorismus antworten sollte - und tatsächlich
geantwortet hat - der unkontrovers ist. Und sogar noch
extremer gewesen ist als die Ereignise des 11.
Septembers. Ich spreche über Reagens US-Krieg gegen
Nicaragua, der Zehntausende Opfer gefordert hat und
das Land vielleicht unwiederruflich ruiniert hat.
Nicaraguas Antwort
Nicaragua hat geantwortet. Sie haben nicht geantwortet
indem sie Bomben auf Washington abwarfen. Sie
antworteten, indem sie vor dem Weltgerichtshof
gingen, und einen Fall präsentieren, bei dem sie ohne
Schwierigkeiten Beweise vorlegen konnten. Das
Weltgerichtshof akzeptierte ihren Fall, entschied zu
ihren Gunsten, verurteilte was es als "unrechtmässige
Anwendung von Gewalt" bezeichnete - was ein anderes
Wort für internationaler Terrorismus ist - durch die
Vereinigten Staaten, ordnete die Vereinigten Staaten
an, das Verbrechen zu beenden, und massive Repara-
tionsleistungen zu zahlen. Die Vereinigten Staaten
wiesen die Entscheidung des Gerichts natürlich
verachtungsvoll zurück, und verkündete, die
Jurisdiktion des Gerichtshofes von diesem Zeitpunkt an
nicht mehr anzuerkennen. Daraufhin wandte sich
Nicaragua an den UN-Sicherheitsrat, der eine
Resolution erwog, die alle Staaten dazu aufrief die
internationalen Gesetze zu befolgen. Niemand wurde
namentlich genannt, aber alle verstanden worum es
ging. Die Vereinigten Staaten legten ein Veto gegen
die Resolution ein. Die US sind bis heute der einzige
Staat der jemals, sowohl von dem Weltgerichtshof wegen
internationalem Terrorismus verurteilt worden ist,
und ein Veto gegen eine Resolution des Sicherheits-
rates eingelegt hat, die Staaten dazu aufrief die
internationalen Gesetze zu achten. Daraufhin wandte
sich Nicaragua an die Generalversammlung, wo es
technisch gesehen kein Veto gibt, aber eine negative
Stimme der Vereinigten Staaten wie ein Veto zählt. Die
Generalversammlung erliess eine ähnliche Resolution,
der sich nur die Vereinigten Staaten, Israel und El
Salvador widersetzten. Im folgenden Jahr, konnten die
Vereinigten Staaten nur noch Israel für ihre Sache
begeistern, also standen zwei Stimmen gegen die
Befolgung der internationalen Gesetze. An diesem Punkt
hatte Nicaragua keine gesetzlichen Möglichkeiten mehr.
Es hatte alle Mittel versucht. Sie funktionieren in
einer Welt nicht, die von Gewalt regiert wird.
Dieser Fall ist nicht kontrovers, ist aber bei weitem
nicht der extremste. Wir gewinnen viele Einblicke in
unsere eigene Kultur und Gesellschaft und dem was
jetzt im Augenblick passiert, indem wir fragen "wie
viel wissen wir darüber? Wie viel reden wir darüber?
Wie viel lernen wie darüber in der Schule? Wie viel
davon ist auf den ersten Seiten der Zeitungen zu
lesen?" Und das ist nur der Anfang. Die Vereinigten
Staaten antworteten auf das Weltgericht und dem
Sicherheitsrat, indem sie den Krieg unverzüglich
eskalierten, was übrigens eine bipartisane
Entscheidung war. Die Bedingungen des Krieges wurden
also geändert. Zum ersten Mal waren Befehle an eine
terroristische Armee gegeben worden - offizielle
Befehle - sogenannte "weiche Ziele" anzugreifen, womit
ungeschützte zivile Ziele gemeint sind, und sich von
der nicaraguanischen Armee fernzuhalten. Sie waren
dazu in der Lage, weil die Vereinigten Staaten den
Luftraum über Nicaragua vollkommen kontrollierten, und
die Söldnerarmee mit fortschrittlichen
Kommunikationsmittel ausgerüstet war; sie war keine
Guerrillaarmee im üblichen Sinn, und konnte
Instruktionen über die Stellungen der nicaraguanischen
Armee erhalten, um landwirtschaftliche Kollektive,
Krankenhäuser und so weiter - weiche Ziele also -
ungestraft angreifen zu können. Das waren die
offiziellen Befehle.
Welche Reaktion gab es darauf?
Welche Reaktion folgte? Das war bekannt. Es gab eine
Reaktion darauf. Die Politik wurde von der linken
liberalen Meinung als vernünftig angesehen. Zum
Beispiel schrieb Michael Kinsely, der in der
mainstream Diskussion die Linke repräsentiert, in
einem Artikel, wir sollten diese Politik nicht so
schnell kritisieren wie es Human Rights Watch gerade
getan hatte. Er sagte, eine "vernünftige Politik"
müsste "dem Test der Kostenbenefizanalyse genügen",
das heisst - ich zitiere jetzt, die Analyse der "Menge
an Blut und Elend die sie fordern wird, und der
Wahrscheinlichkeit, dass am Ende die Demokratie folgen
wird. "Demokratie, in dem Sinne wie die Vereinigten
Staaten den Begriff verstehen, was durch die
umliegenden Länder graphisch illustriert wird. Es ist
axiomatisch, dass die Vereinigten Staaten, die US-
Eliten, das Recht haben diese Analyse vorzunehmen und
das Projekt durchzuführen wenn es ihre Anforderungen
besteht. Und es bestand ihre Anforderungen. Es
funktionierte. Als Nicaragua dem Angriff einer
Supermacht endlich erlag, preisten Kommentatoren laut
und begeistert die angewandten Methoden, und
beschrieben sie ausführlich. Ich werde das Time
Magazin zitieren, nur um eins zu wählen. Sie lobten
den Erfolg der angewandten Methoden: "die Wirtschaft
zu zerstören, und einen langen und tödlichen Krieg zu
führen, bis die erschöpften Eingeborenen die
unerwünschte Regierung selbst stürzen," mit Kosten,
die für uns "minimal" sind, und die Opfer mit
"zerstörten Brücken, sabotierten Elektrizitätswerke
und ruinierte Farmen" zurücklässt, und dem US-
Kandidaten somit ein "siegreiches Wahlversprechen"
zur Verfügung stellt: "den Elend des Volkes von
Nicaragua zu beenden". Eine Schlagzeile der New York
Times verkündete angesichts dieses Ausganges
"Amerikaner in Freude vereint".
Terrorismus funktioniert - Terrorismus ist nicht die
Waffe der Schwachen
Dies ist die Kultur in der wir leben, und sie enthüllt
mehrere Fakten. Eins davon ist die Tatsache, dass
Terrorismus funktioniert. Er versagt nicht. Er
funktioniert. Gewalt funktioniert meistens. Das ist
Weltgeschichte. Zweitens, ist es ein sehr schwerer
analytischer Fehler zu sagen, wie es üblich getan
wird, dass der Terrorismus die Waffe der Schwachen
ist. Wie andere Formen der Gewalt, ist er in erster
Linie eine Waffe der Starken, tatsächlich im
überwältigendem Masse. Es wird für eine Waffe der
Schwachen gehalten, weil die Starken auch die
doktrinäre Systeme kontrollieren, und ihr Terrorismus
nicht als Terrorismus zählt. Das ist beinahe
universell. Es fällt mir keine einzige historische
Ausnahme ein, sogar die schlimmsten Massenmörder
betrachten die Welt auf diese Weise. Nehmen wir die
Nazis. Sie überzogen das besetzte Europa nicht mit
Terror. Sie beschützten die ansässigen Bevölkerungen
vor dem Terrorismus der Partisanen. Und wie bei
anderen Widerstandsbewegungen, gab es Terrorismus. Die
Nazis verübten Gegenterrorismus. Darüberhinaus
stimmten die Vereinigten Staaten dem im weitesten
Sinne zu. Nach dem Krieg führte die Armee der Ver-
einigten Staaten ausführliche Studien über die
Gegenterror-Operationen der Nazis in Europa durch.
Zuerst einmal sollte ich sagen, dass die US - sie
aufgriffen und selbst ausführten, oft gegen die
gleichen Ziele des ehemaligen Widerstandes. Aber das
Militär studierte ebenfalls die Methoden der Nazis,
veröffentlichte interessante Studien darüber in denen
sie diese manchmal kritisierten, weil sie nicht
effizient genug ausgeführt worden waren, also eine
kritische Analyse - das habt ihr nicht richtig
gemacht, das habt ihr richtig gemacht. Aber aus diesen
Methoden, und mit der Beratung der
Wehrmachtsoffiziere, die in die Vereinigten Staaten
geholt worden waren, entstanden die Handbücher für
Aufstandsbekämpfung, für Gegenterror, für den
sogenannten Konflikt niedriger Intensität, und das
sind die Handbücher und das sind die Verfahren, die
gegenwärtig angewendet werden. Also haben es nicht nur
die Nazis getan. Es ist etwas, das die Anführer der
westlichen Zivilisation - das sind wir - als die
richtige Vorgehensweise betrachteten, und zu dem sie
dann selbst griffen. Terrorismus ist nicht die Waffe
der Schwachen. Es ist die Waffe derer, die gegen "uns"
sind, wer auch immer dieses "uns" gerade ist. Und wenn
Sie eine historische Ausnahme hierzu finden können,
wäre ich sehr daran interessiert sie zu erfahren.
Die Natur unserer Kultur - Wie wir den Terrorismus
betrachten
Nun, ein interessanter Hinweis auf die Natur unserer
Kultur, unserer hohen Kultur, ist die Art in der all
dies betrachtet wird. Eine Art es zu betrachten
besteht darin es zu unterdrücken. So dass fast niemand
etwas davon gehört hat. Und die Macht der
amerikanischen Propaganda und Indoktrinierung ist so
gross, dass dies sogar unter den Opfern selbst,
weitgehend unbekannt ist. Ich meine, wenn man sich
darüber mit Menschen in Argentinien unterhält, muss
man sie daran erinnern. Oh, ja, das ist passiert, wir
hatten es vergessen. Es wird tief unterdrückt, in
ideologischer und anderen Hinsichten.
Der Gedanke, dass Nicaragua das Recht gehabt haben
könnte sich zu verteidigen
Nun, ein Aspekt der viel über unsere eigene Haltung
zum Terrorismus enthüllt, ist die Reaktion auf den
Gedanken, dass Nicaragua das Recht gehabt haben könnte
sich selbst zu verteidigen. Tatsächlich habe ich dies
bereits durch Datensuche und ähnliches etwas
detailierter untersucht. Der Gedanke, dass Nicaragua
vielleicht das Recht gehabt haben könnte sich selbst
zu verteidigen wurde als empörend betrachtet. Es gibt
praktisch keinen einzigen Hinweis in Mainstream-
Kommentare, der andeuten würde, dass Nicaragua dieses
Recht gehabt haben könnte. Und diese Tatsache wurde
von der Reagen Regierung und ihrer Propaganda auf
interesanter Weise ausgebeutet. Jene von Ihnen die
diese Zeiten mitgekriegt haben, werden sich daran
erinnern, wie sie regelmässig Gerüchte ausstreuten,
die Nicaraguaner würden von den Russen MIG Kampfjets
erhalten. An diesem Punkt spalteten sich die Falken
und die Tauben. Die Falken sagten, 'ok, bombardieren
wir sie.' Die Tauben sagten 'wartet mal eine Minute,
sehen wir ob die Gerüchte wahr sind. Und wenn die
Gerüchte wahr sind, dann bombardieren wir sie. Weil
sie eine Bedrohung der Vereinigten Staaten sind.'
Wieso erhielten sie übrigens MIGs? Nun, sie hatten
versucht Kampfflugzeuge aus Europa zu erhalten, aber
die Vereinigten Staaten hatten ihre Verbündete unter
Druck gesetzt, ihnen keine Verteidigungsmittel zu
senden, weil sie wollten, dass sie sich an die Russen
wandten. Das ist gut für Propagandazwecke. Dann
werden sie zu einer Bedrohung für uns. Denken Sie
daran, dass Nicaragua nur zwei Tagesmärsche von
Harlington, Texas, entfernt liegt. Wir riefen 1985 in
der Tat einen nationalen Notstand aus, um das Land vor
der Bedrohung aus Nicaragua zu schützen. Und er blieb
bestehen. Also war es viel besser wenn sie Waffen von
den Russen erhielten. Wozu sie Kampfflugzeuge haben
wollten? Nun, aus den Gründen die ich bereits erwähnt
habe. Die Vereinigten Staaten hatten die absolute
Kontrolle über ihren Luftraum, und benutzte das, um
der terroristischen Armee Instruktionen zu liefern,
die es ihr ermöglichte weiche Ziele anzugreifen, ohne
auf einer Armee zu stossen, die diese verteidigen
konnte. Jeder wusste, dass dies der Grund war. Sie
würden ihre Kampfflugzeuge für nichts anderes
benutzen. Aber der Gedanke, dass es Nicaragua
gestattet sein sollte seinen Luftraum gegen den
Angriff einer Supermacht zu schützen, die
terroristische Streitkräfte darauf ansetzte zivile
Ziele anzugreifen, das wurde in den Vereinigten
Staaten als empörend betrachtet, und das allgemein.
Ausnahmen sind selten, ich kann sie praktisch
aufzählen. Ich sage nicht, dass Sie meinem Wort dafür
vertrauen sollen. Sehen Sie selbst nach. Das schliesst
übrigens auch unsere eigenen Senatoren mit ein.
Honduras - Die Ernennung von John Negroponte als
Botschafter an die Vereinten Nationen
Eine andere Illustration dessen, wie wir den
Terrorismus betrachten geschieht gerade im Augenblick.
Die US haben gerade vor einigen Wochen, einen
Botschafter an die Vereinten Nationen ernannt, der den
Krieg gegen den Terrorismus anführen soll. Wer ist er?
Nun, sein Name ist John Negroponte. Er war der US-
Botschafter des Vasallengebietes, das Honduras in den
frühen 80'er Jahren gewesen ist. Es wurde wenig
Aufhebens über die Tatsache gemacht, dass er sich der
Morde und den anderen Greueltaten, die von den
Sicherheitskräften von Honduras, die wir
unterstützten, im grossen Masstab verübt wurden,
bewusst gewesen sein musste und es sicher auch war.
Aber das ist nur ein kleiner Teil. Als Prokonsul von
Honduras, wie er dort genannt wurde, war er der lokale
Aufseher des in Honduras basierten terroristischen
Krieges gegen Nicaragua gewesen, für den seine
Regierung von dem Weltgerichtshof und dem
Sicherheitsrat in einer blockierten Resolution
verurteilt worden ist. Und er wurde gerade zum UN-
Botschafter ernannt, der den Krieg gegen den
Terrorismus anführen soll. Ein weiteres kleines
Experiment den Sie anstellen können, ist es
herauszufinden welche Reaktionen es darauf gegeben
hat. Nun, ich könnte Ihnen sagen, was Sie finden
werden, aber finden Sie es für sich selbst heraus. Das
sagt uns eine Menge über den Krieg gegen den Terror,
und eine Menge über uns selbst.
Nachdem die Vereinigten Staaten, unter den von der
Presse so graphisch beschriebenen Bedingungen, das
Land erneut in Besitz nahmen, war das Nicaragua in den
80'er Jahren ziemlich zerstört worden, ist aber
seitdem in so ziemlich jeder Hinsicht vollkommen
zusammengestürzt. Seit der Übernahme durch die
Vereinigten Staaten, ist es wirtschaftlich, demokra-
tisch und in jeder anderen Hinsicht scharf abgefallen.
Es ist nun das zweitärmste Land der Hemisphäre. Ich
sollte sagen. Ich werde nicht darüber reden, aber ich
erwähnte, dass ich Nicaragua ausgesucht habe, weil es
ein unkontroverser Fall ist. Wenn Sie sich die anderen
Staaten in der Region ansehen, war der Staatsterror
dort viel extremer, und ist wieder nach Washington
zurückzuverfolgen, und das ist bei weitem nicht alles.
US & UK unterstützte Angriffe in Südafrika
Es geschah auch anderswo auf der Welt, nehmen wir zum
Beispiel Afrika. Alleine während der Reagen Regierung,
töteten südafrikanische Angriffe mit Unterstützung der
Vereinigten Staaten und Grossbritannien, US/UK-
unterstützte, südafrikanische Angriffe gegen
benachbarte Länder, mehr als anderthalb Millionen
Menschen, und verursachten einen Schaden und eine
Zerstörung im Wert von 60 Milliarden Dollar. Und wenn
wir uns die ganze Welt ansehen, können wir mehr
Beispiele anführen.
Das also war eine kleine Kostprobe des ersten Krieges
gegen den Terror. Sollten wir dem Aufmerksamkeit
schenken? Oder denken, dass es irgendwie relevant
wäre? Immerhin ist es nicht gerade graue Geschichte.
Nun, offensichtlich nicht, wie man aus der gegenwärtig
stattfindenden Diskussion des Krieges gegen den
Terror ersehen kann, der im letzten Monat das
Hauptthema gewesen ist.
Haiti, Guatemala und Nicaragua
Ich erwähnte, dass Nicaragua zum zweitärmsten Land der
Hemisphäre geworden ist. Welches ist das ärmste Land?
Nun, das ist natürlich Haiti, das zufälligerweise auch
zum Opfer der bei weitem meisten US-Interventionen des
20 Jahrhundert geworden ist. Wir haben es vollkommen
verwüstet. Es ist das ärmste Land. Nicaragua liegt bei
der Anzahl von US-Interventionen im 20. Jahrhundert an
zweiter Stelle. Es ist das zweitärmste Land.
Eigentlich wetteifert es mit Guatemala. Sie wechseln
sich jedes Jahr oder so darin ab, wer das zweitärmste
Land ist. Sie liegen auch darüber im Wettstreit, wer
das führende Ziel von US-Militärinteventionen ist. Wir
sollen alle denken, dass das irgendeine Art von Zufall
ist. Das es nichts mit dem zu tun hat, was in der
Geschichte stattgefunden hat. Vielleicht.
Kolumbien und die Türkei
Der schlimmste Menschenrechtsverbrecher der 90'er
Jahren, ist bei weitem Kolumbien gewesen. Es ist
ebenfalls der bei weitem führende Empfänger US-
militärischer Hilfe der 90'er Jahren gewesen, zur
Aufrechterhaltung des Terrors und der
Menschenrechtsverletzungen. In 1999 ersetzte Kolumbien
die Türkei als den grössten Empfänger von US-
Waffenverkäufe weltweit, das heisst, ausser Israel und
Ägypten, die eine Kategorie für sich sind. Und das
sagt uns im Grunde einiges mehr über den gerade
stattfindenden Krieg gegen den Terror.
Wieso erhielt die Türkei einen so riesigen Zustrom von
US-Waffen? Nun, wenn man die Einfuhr von US-Waffen in
die Türkei betrachtet, erhielt die Türkei immer eine
Menge US-Waffen. Es ist strategisch plaziert, ein
NATO-Mitglied und so weiter. Aber der Zustrom von
Waffen an die Türkei stieg in 1984 stark an. Es hatte
nichts mit dem Kalten Krieg zu tun. Ich meine Russland
war gerade dabei zu kollabieren. Und der Waffenstrom
blieb hoch von 1984 bis 1999, als er abnahm, und die
Türkei von Kolumbien als führender Empfänger abgelöst
wurde. Was passierte zwischen 1984 und 1999? Nun, in
1984 begann die Türkei einen grossen terroristischen
Krieg gegen die Kurden im Südosten der Türkei. Und das
war es, als die US-Militärhilfe anstieg. Und es ging
nicht nur um Pistolen. Es waren Kampfflugzeuge, Tanks,
militärisches Training und so weiter. Und die
Unterstützung blieb hoch als die Greueltaten während
der 90'er Jahre eskalierten. Sie wurden von noch mehr
Hilfe gefolgt. Der Höhepunkt fand im Jahr 1997 statt.
In 1997 war die US-Militärhilfe an die Türkei höher
als in der ganzen Periode von 1950 bis 1983 zusammen.
Das war die Periode des Kalten Krieges, was ein
Hinweis darauf ist, wie viel der Kalte Krieg die
Politik tatsächlich beeinflusst hat. Und die Ergebnise
waren beeindruckend. Dies führte zu 2-3 Millionen
Flüchtlinge. Eine der schlimmsten ethnischen
Säuberungen der späten 90'er Jahren. Zehntausende
Menschen wurden getötet, 3.500 Städte und Dörfer
zerstört, viel mehr als in Kosovo, sogar unter der
NATO-Bombardierung. Und die US lieferte 80% der
Waffen, zunehmend mehr, je nachdem wie auch die
Greueltaten zunahmen, mit dem Höhepunkt in 1997. Das
nahm 1999 wieder ab, da der Terror wieder einmal
funktioniert hatte, so wie es das meistens tut, wenn
er von seinen wichtigsten Agenten verübt wird,
hauptächlich den Mächtigen. Um 1999 herum hatte der
türkische Terror, der natürlich als Gegenterror
bezeichnet wurde, aber das ist wie ich bereits sagte,
universell, funktionert. Deshalb wurde die Türkei
durch Kolumbien ersetzt, das mit seinem
terroristischer Krieg noch kein Erfolg gehabt hatte.
Und deshalb musste es als Empfänger von US-Waffen an
erster Stelle rücken.
Selbstbeglückwünschung der westlichen Intellektuellen
Was das ganze besonders bemerkenswert macht, ist dass
dies alles inmitten einer riesigen Welle von
Selbstgratulationen westlicher Intellektuellen
stattfand, die wahrscheinlich in der Geschichte
einzigartig ist. Ich meine, Sie erinnern sich alle
daran. Das war erst vor wenigen Jahren. Massive
Selbstbeweihräucherungen darüber, wie wir zum ersten
Mal in der Geschichte so grossartig wären; dass wir
für Prinzipien und Werte standen; uns der Beendigung
der Unmenschlichkeit überall in der neuen Ära dieses
oder jenes verschrieben hätten, und so weiter. Und
wir können natürlich keine Greueltaten nahe der NATO-
Grenzen tolerieren. Das wurde immer wieder wiederholt.
Nur innerhalb der NATO-Grenzen, wo wir nicht nur viel
schlimmere Greueltaten tolerieren, sondern auch noch
zu ihnen beitragen können. Ein anderer Einblick in
die westliche und unserer eigenen Zivilisation, ist
wie oft dies zur Sprache gebracht worden ist?
Versuchen Sie das nachzuschlagen. Ich werde es nicht
wiederholen. Aber es ist lehrreich. Es ist eine
ziemlich beeindruckende Leistung für ein
Propagandasystem dies in einer freien Gesellschaft
fertigzubringen. Es ist ziemlich erstaunlich. Ich
glaube nicht, dass dies in einen totalitären Staat
gelingen könnte.
Die Türkei ist äusserst dankbar
Und die Türkei ist sehr dankbar. Vor wenigen Tagen
erst, gab der Erste Minister Ecevit bekannt, dass die
Türkei der Koalition gegen den Terror beitreten würde,
sehr enthusiastisch, sogar mehr so als andere. Tat-
sächlich sagte er, dass sie Truppen beisteuern würden,
was andere nicht zu tun bereit gewesen sind. Und er
erklärte weshalb. Er sagte, wir schulden den
Vereinigten Staaten sehr viel, weil die Vereinigten
Staaten das einzige Land gewesen sind, die bereit
waren so massiv zu unserem eigenen - in seinen Worten
- "gegenterroristischen" Krieg beizutragen, das heisst
zu unserer eigenen massiven ethnischen Säuberung und
unseren Greueltaten und Terror. Andere Länder halfen
ein wenig, hielten sich aber im Hintergrund. Die
Vereinigten Staaten andererseits beteiligten sich
enthusiastisch und entscheidend, und konnten das
aufgrund des Schweigens - das richtigere Wort wäre
Ergebenheit - der gebildeten Klassen, die mit
Leichtigkeit etwas darüber hätten herausfinden können.
Es ist immerhin ein freies Land. Man kann
Menschenrechtsberichte lesen. Man kann alle Arten von
Dingen lesen. Aber wir entschieden uns stattdessen
zu den Greueltaten beizutragen, und die Türkei ist
sehr glücklich, sie schulden uns viel dafür, und
werden daher Truppen beisteuern, genau wie während des
Krieges in Serbien. Die Türkei wurde hochgepriesen,
wegen des Einsatzes ihrer F-16's, die wir ihr zur
Verfügung gestellt hatten um Serbien zu bombardieren,
genau wie sie die gleichen Flugzeuge gegen ihre eigene
Bevölkerung eingesetzt hatte, bis es ihnen endlich
gelang den internationalen Terror, wie sie ihn
nannten, zu zermalmen. Und wie gewöhnlich, wie
immer, schliesst Widerstand Terror mit ein. Das war
bei der Amerikanischen Revolution der Fall. Das war
bei jedem Fall so den ich kenne. Genau so wie es
stimmt, dass jene die einen Monopol auf Gewalt haben
von sich selbst reden, als ob sie Gegenterror
ausüben würden.
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