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Re: [ox] Re: Kommerziell erstellte Freie Software



Hi Hans-Gert und Liste!

Puh, auf der `list-en oekonux.org' tobt der Bär. Jetzt gibt es sogar
zwei Listen mit reichlich interessantem Traffic... sigh... Aber hier
ist es (für mich) doch noch etwas entspannter - Muttersprache hat
schon was für sich :-) .

Last week (12 days ago) Hans-Gert Graebe wrote:
Hallo (Stefan)*,
              ^
(ich bereite gerade eine VL zu regulären Sprachen vor :-)

Na, dann aber bitte /(Stefan)+/ ;-) .

SMn schrieb
3 weeks (22 days) ago Stefan Meretz wrote:
Wie bewertest Du denn die Produktion von Freier Software in
Verwertungszusammenhängen, in Firmen z.B.? Gut oder schlecht? Der
Allgemeingutzwang gilt ja auch für die, aber das ist ja nicht alles.

Ich kann da momentan (noch?) kein Gut/Schlecht-Schildchen draufpappen.
Das Ergebnis ist zwar mit der GPL Allgemeingut, aber der
Entstehungsprozeß ist es nicht, denn der ist ja durchaus entfremdet.
Immerhin diktiert ja die AuftraggeberIn, was die Software machen soll.
Da hat sich's dann mit Selbstentfaltung.

Deswegen würde ich auch denken, daß Freie Software, die als
Auftragsproduktion erstellt wurde, tendenziell qualitativ hinter der
zurück liegt, die in völliger Selbstentfaltung erstellt wurde. Klar,
gibt's da haufenweise Shades of Grey und mensch wird sich die
Einzelfälle anschauen müssen. Aber die Tendenz wäre zumindest die
Folgerung aus einigen zentralen Oekonux-Thesen.

FS ist nach meinem Verständnis - jenseits von eher psychologischen
Fragen wie Selbstentfaltung usw. - vor allem die Entscheidung, (diese
Art von) Software als Infrastruktur, also als gemeinsame Codebasis,
eines gewissen Kooperationszusammenhangs (etwa der
Linux-Programmierer) zu bewirtschaften.  Für eine solche Entscheidung
"Software als Infrastruktur" kann es viele Gründe geben, sei es
(früher 70er) dass Hardware bereits genug abwirft, seien es
prinzipielle Gründe (Stallman) oder geschäftliche wie oben
angedeutet.

Das ist aber nur die Sicht der jeweiligen Akteure. Ich würde halt
vermuten, daß es jenseits dieser individuellen Gründe auch noch
gesamtgesellschaftliche Entwicklungsprozesse gibt, die dieses
Verhalten als günstig nahe legen.

Ich glaube nicht, dass die Qualität eines FS-Projekts von solchen
Argumenten abhängt, sondern in erster Linie von der Menge
qualifizierter (Wo)Man-Power, die ein Projekt auf sich zieht.

Wegen dieser Aussage antworte ich hauptsächlich auf diese Mail, denn
das finde ich eine ganz entscheidende Frage. Letztlich ist das nämlich
die Frage, ob die Grenze, die der Selbstentfaltung in
Verwertungsprozessen immer gesetzt wird, erhebliche Auswirkungen auf
die Qualität der Ergebnisse hat - oder nicht. Ich postuliere zwar
immer, daß es hat, aber das nochmal genauer zu beleuchten, finde ich
durchaus wichtig.

Da gibt
es allerdings deutliche Unterschiede, siehe Netscape, die noch der
Analyse harren.  Ich kann mir insbesondere vorstellen, dass auch das
fließende Geld Einfluss darauf hat, was in der FS-Szene mit welchen
Prioritäten und in welcher Qualität gemacht wird. Allerdings wohl
nicht so unmittelbar wie sich das manche wünschen, denn wenn das Gros
max. 10 h pro Woche in solche Projekte reinsteckt ...

Ja, du schüttest da ja schon kräftig Wein ins Wasser. Aber laß uns
doch mal bei uns selbst schauen.

Wie geht's denn mir in den Software-Projekten, in denen ich bisher im
Beruf so mitgearbeitet habe? Nun, da gab's welche, deren inhaltliche
Ziele ich nicht geteilt habe, und die ich dann auch weitgehend meiden
konnte. Zumeist fand ich die Ziele der Projekte und das Umfeld jedoch
relativ ok. War nicht immer mein Traum, aber es war ok.

Nun, bei Freier Software hätte ich mich als der, der ich bin,
vermutlich an keinem beteiligt - dafür war mein Interesse nicht groß
genug. Na ja, wenn ich sonst nichts zu tun gehabt hätte, wäre es
vielleicht denkbar gewesen.

Gerade beim aktuellen Projekt habe ich aber gewisse Probleme mit dem
ganzen Umfeld insbesondere der Projektleitung. *Das* würde ich bei
Freier Software keine zehn Minuten mitmachen - und die allermeisten
anderen im Projekt wohl auch nicht. D.h. eine Freie Projektleitung
stünde in Nullkommanix ohne Leute da. Das war's dann mit dem Projekt.

Das wirkt sich natürlich auf meine Motivation aus. Immerhin bin ich in
der glücklichen Lage, mir auf der fachlichen Ebene weitgehend die
Sachen rausgepickt haben zu können, die mich interessieren. D.h. ich
habe mir quasi kleine Pakete gebaut / genommen, in denen ich meiner
Selbstentfaltung mehr oder weniger gut frönen kann - und das erlebe
ich in ruhigeren Zeiten auch durchaus so. Die tatsächlichen Probleme,
die in dem Projekt auf der fachlichen Ebene nun mal da sind, bilden da
für mich keine Grenze sondern eher eine Herausforderung - immerhin
habe ich schon auch eine gewisse Identifikation mit dem Gesamtprojekt
und möchte, daß etwas möglichst Gutes dabei rauskommt. Und wenigstens
in meinen Nischen kann und will ich das dann auch tun.

Ich denke, daß vielen eine solche Beschreibung strukturell bekannt
vorkommt. Aber ist das positiv für das Gesamtprojekt? Sicher nicht.

Ich habe mir schon öfter überlegt, was wohl geschehen würde, wenn die
Handvoll Leute, die sich *wirklich* für das Projekt interessieren, das
Ganze als Freies Projekt machen würden. Dann wäre keineR mehr
genötigt, sich irgendwelche Nischen zu suchen, in denen sie sich dann
im Extremfall Beschäftigung sucht. Dann wäre Kommunikation keine
lästige Pflicht, sondern eine Bereicherung der eigenen
Selbstentfaltung, die sich natürlich auch im Projekterfolg äußert.
Anstatt irgendwelchen völlig überzogenen Projektplänen
hinterherzuhecheln - und im Ergebnis immer weiter hinter die
gesteckten Ziele zurückzufallen -, könnten sich die Beteiligten in
Ruhe überlegen, welche Ziele als nächstes angestrebt werden sollten
und welche Schritte als nächstes zu tun sind. Dann lägen die Quellen
von allen Beteiligten offen und es wäre nicht nur konstruktive Kritik
möglich, nicht nur das Debugging für alle einfacher, sondern ein
Ideenaustausch könnte auch über die Quellen stattfinden.

Nun, je länger ich drüber nachdenke, desto mehr habe ich das Gefühl,
daß all das die Qualität des Outputs *erheblich* steigern würde.
Andere Meinungen / Einschätzungen aus dem Software-Bereich aber auch
aus anderen Bereichen würden mich hierzu *sehr* interessieren.

Wenn es aber so ist, daß ein Freier Prozeß zumindest im Kontrast mit
unfreien Prozessen zu besserer Qualität führt, dann wäre nochmal
genauer die Frage zu stellen, wo denn jetzt die immanenten Grenzen
konkret liegen.

Im obigen Beispiel würde ich klar sagen, daß die Grenze in der äußeren
Zielsetzung und in der (ziemlich) äußeren Projektleitung liegt. Diese
Dinge sind innerhalb des Projekts nicht zu ändern, da sie mit
Machtstrukturen ausgestattet sind (vor allem Geld). Theoretisch
betrachtet haben wir es hier also schon mit durch Macht durchgesetzter
Entfremdung zu tun - und so fühlt es sich auch an.

Die Frage wäre jetzt, ob bzw. inwieweit es innerhalb von
Verwertungsprozessen Strukturen geben kann, die die geschilderten
Probleme nicht haben. Zumindest bei Großprojekten sehe ich da wenig
Land. Vielleicht geht es in Grenzen bei kleineren Projekten, wo
AuftraggeberIn und AuftragnehmerIn eng miteinander kooperieren können.
D.h. also dann aber schon nicht mehr, wenn der virtuelle Auftraggeber
der Markt ist.

Na ja, so viel mal dazu. Eure Meinung würde mich dazu wirklich *sehr*
interessieren, da ich den Punkt, daß Freie Prozesse zu besserer
Qualität führen, gerne noch ein wenig argumentativ unterfüttern würde.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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