Message 04251 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT04038 Message: 17/29 L7 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Macht in der Freien Software (was: Re: [ox] Historisch-spezifische Bedingungen fuer FS)



Hi Benni und alle!

Today Benni Bärmann wrote:
Zuerst: Ich find den Thread ziemlich wichtig

Me too. Ich habe mal das Subject angepaßt.

(und bisher zuwenig
beachtet).

Na, das kannst du ja nicht sagen. Messen kannst du ja nur die Zahl der
Reaktionen.

On Sat, Dec 15, 2001 at 10:56:13PM [PHONE NUMBER REMOVED], Stefan Merten wrote:
Ich verstehe Meritokratie als Idee davon, wie Macht verteilt werden soll.

Hier würde ich schon mal einhaken. Gibt es Macht in
Freien-Software-Projekten denn überhaupt?

Ja, auf jeden Fall. Und auch Herrschaft (Zur Unterscheidung, wie ich
sie sehe, siehe die Mail von mir dazu). Letzteres vielleicht nicht
ganz so heftig.

Sorry, aber die Details deiner Position haben meinen armen Kopf schon
wieder verlassen :-( . Hast du vielleicht den Link ins Archiv?

Was sind denn die
Sanktionen, mit denen diese Macht im Zweifel durchgesetzt wird?
Niemensch kann zu irgendwas gezwungen werden - d.h. es gibt keine
Möglichkeit irgendetwas wirklich gegen Widerstände durchzusetzen.
Übersehe ich was?

Ja. Du siehst das zu absolut. Macht und Herrschaft sind niemals
absolut in dem Sinne, dass es nicht möglich wäre mit Widerstand etwas
gegen ihren Willen durchzusetzen. Sie sind nur absoluter je mehr
Aufwand und Anstrengung es erfordert, etwas gegen ihren Willen
durchzusetzen.

Ok. Du meinst also, daß Macht desto größer ist, desto größer der
Aufwand ist, etwas gegen sie zu unternehmen. Hmm... Damit nimmst du
irgendwie eine andere Perspektive ein als ich. Du schaust dir die
Macht mehr als Beherrschter an - von wo sie dir leicht als eine
eigenständige Entität erscheinen kann - während ich mehr aus der
Perspektive der Machtausübenden argumentiere. Haut das hin? Was ich
bisher von dir verstanden zu haben glaube, könnte das jedenfalls
passen.

Hmm... Das Problem mit der entitätsorientierten Sicht der
Unterdrückten ist, daß dann z.B. die Naturgesetze als absolute Macht
erscheinen müssen - denn dagegen ist Widerstand schlicht zwecklos.
Naturgesetze können nach meiner Interpretation aber gar keine Macht
sein, da es da keine AkteurInnen gibt. Sie sind einfach gegeben und
Technik BTW ist die trickreichste Methode, die Naturgesetze für sich
einzusetzen.

In diesem Sinne gibt es sehr wohl in FS-Projekten Macht
& Herrschaft. Widerstand gegen die Projektleitung in der FS endet
letzten Endes immer bei einem Fork. Ein Fork bedeutet aber enormen
Mehraufwand gegenüber einem simplen Patch. Ich muss die ganzen
zusätzlichen Sachen selber organisieren, die mir bisher
dankenswerterweise die Leitung abgenommen hat. Dieser Zusatzaufwand
verhindert ja auch gerade, dass bei jedem kleinen Dissens geforkt wird.

Ja, so wie du es verstehst hast du vollkommen recht. Aber ich frage
mich, ob es Sinn macht, darüber so nachzudenken.

Ich meine, ähnlich wie bei den Naturgesetzen gibt es nun einmal einige
stoffliche Gegebenheiten, die zwar in vielen Fällen grundsätzlich
änderbar sind, in einigen Fällen aber eben nur mit beträchtlichem
Aufwand.

In ebenfalls vielen Fällen ist es auch gar nicht klar zuordnbar, wer
jetzt genau für diese Gegebenheiten verantwortlich ist. Das würde aus
meiner Perspektive den Machtbegriff schon an den Rand der Absurdität
bringen, da überhaupt keine klaren Akteure mehr auszumachen sind.

Ja, würde es. Aber bei Freier Software steht es jedem prinzipiell
frei, seinen eigenen Laden auf exakt der bisher erreichten Grundlage
aufzumachen. Niemensch könnte real verhindern, daß es z.B. parallele
oder sogar konkurrierende Entwicklungen gibt - siehe KDE / Gnome.

Niemand kann es verhindern, aber es hat einen sehr hohen Preis.
Kleinere Userbasis, weniger Tester, mehr Overhead, ... Wenn Macht umso
größer ist, je aufwendiger es ist, gegen sie zu oponieren, dann ist
Macht in der FS je größer, je größer das Projekt.

Das etwas schwierig / aufwendig ist, hat für mich erstmal nichts mit
Macht zu tun. Benjas Beispiel andernmails zielt übrigens ein bißchen
in die gleiche Richtung. Ich bin gespannt, zu was für Konklusionen wir
hier kommen :-) .

Nehmen wir doch mal wieder Oekonux als wohl-bekanntes Beispiel. Wenn
ich hier den Maintainer gebe und wir auf `projekt oekonux.de'
versuche, dieses Projekt voran zu bringen, was denkst du würde
passieren, wenn ich hier plötzlich auf Control-Nummer machen würde?
Wenn ich mir z.B. anmaßen würde, den gesamten Traffic hier zu
moderieren oder so etwas - wozu ich technisch problemlos in der Lage
wäre. Oder wenn ich anfangen würde, Leute auf der Liste anzupissen
oder einzelne Gedanken verbieten will o.ä. Also ganz ehrlich: Ich kann
nur hoffen, daß dann ein paar Leute hier sagen würden: "Sorry, aber
jetzt ist der StefanMn völlig durchgeknallt - laßt uns was Neues
gründen." Das einzige was ich erreichen würde, wäre, daß ich das
Projekt beschädige - vielleicht nachhaltig. Und ich fühle mich
erwachsen genug, daß ich mir keine Situation vorstellen kann, wo das
auch nur entfernt in meinem Interesse liegen könnte.

Na, selbst die größten Hardcore-Manager würden sich heute mit der von
Dir beschriebenen Strategie nicht mehr durchsetzen können.
Postfordismus etc...

Hast du eine Ahnung. Das gibt es immer noch reichlich häufig. Das
schöne neue Wort Mobbing bezeichnet doch z.B. das gesteigerte Phänomen
des Anpissens - woran sich bekanntlich auch Chefs beteiligen. Eine
Bekannte von mir erzählt z.B., daß sie in ihrer Firma mit haufenweise
Außenkontakten einen(!) PC haben, der am Internet hängt. Und der steht
noch dazu in einem öffentlichen Bereich. Heute. 2001.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


[English translation]
Thread: oxdeT04038 Message: 17/29 L7 [In index]
Message 04251 [Homepage] [Navigation]