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Re: [ox] Notizen zur Selbstentfaltung



Hi Benni,

wie schon deine Befreiungsthesen gefallwn mir die Notizen ziemlich gut - auch gerade, weil es Aspekte betont, die ich vernachlässige.

Benni Baermann wrote:
<snip>

Jetzt zu den wahrscheinlich mehr kontroversen Punkten:

Ich habe nicht gar so ein großes Problem mit dem Konkurrenzthema. Aber dazu mal folgende Überlegungen.

Selbstentfaltung bedeutet nicht Abwesenheit von Konkurrenz.

Macht es nicht Sinn, zwei Formen von Konkurrenz auch sprachlich zu unterscheiden. Setzt voraus, du siehst es als zwei Formen an:
(a) "Konkurrenz" unter Bedingungen des sich-auf-Kosten-anderer-Durchsetzens
(b) "Konkurrenz" unter Bedingungen der kooperativen Selbstentfaltung wie du sie hier definierst.

Wenn du es nicht unterscheidest, dann bekommt "Konkurrenz" einen naturalen Touch: Sich konkurrent verhalten als Natureigenschaft des Menschen. Aber ist der Kern der Konkurrenz nicht der Wunsch, die eigenen Handlungsmöglichkeiten zu erweitern? Und das geht unter unseren Bedingungen eben nur auf Kosten anderer (was impliziert: auch auf eigene Kosten), unter Selbstentfaltungsbedingungen nur mit den Anderen, die ich für meine Entfaltung brauche.

Kooperation und Konkurrenz stehen immer in einem dialektischen
Verhältnis zueinander, sie bedingen sich gegenseitig, obwohl sie sich
auszuschliessen scheinen. Man kann nicht konkurrieren, wenn man sich
nicht wenigstens vorher darüber geeinigt hat, worum konkurriert wird
und man kann nicht kooperieren, wenn man nicht prinzipiell jederzeit
die Möglichkeit hat, die Kooperation wieder aufzukündigen (siehe dazu
den nächsten Abschnitt). Ich beschreibe es immer so, dass heute
Kooperation in Konkurrenzatmosphäre vorherrscht und das in einer
Selbstentfaltungsgesellschaft Konkurrenz in einer kooperativen
Atmosphäre wirken würde. Und das ist genau das selbe, wie wir es von
Spielen kennen. Man kooperiert in dem man sich gemeinsame Regeln wählt
(nicht: diktiert kriegt!) und konkurriert dann innerhalb dieses
Rahmens. Wenn zwei freie Softwareprojekte im Wettstreit liegen,
passiert genau das. Man ist sich einig darüber, dass Software frei
sein sollte und hat trotzdem unterschiedliche Vorstellungen, die man
in spielerischer Konkurrenz auslebt.

Na, hier nennst du es jetzt schon selbst "spielerische Konkurrenz", was sich anhört wie "nicht wirklich echt". Die "Echte" wäre dann die unterbutternde Konkurrenz? Ist aber "echt" bei der Freien Software, denn es geht um die maximale Entfaltung der eigenen Möglichkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten usw. - Nur eben nicht auf Kosten anderer.

1. Beziehungen, die auf Selbstentfaltung basieren, können nicht auf
Zwang basieren, deshalb muss jedem Mitglied der Kooperation zu
jederzeit ermöglicht werden die Kooperation zu verlassen.

Wenn meine Unterscheidung personale vs. gesamtgesellschaftliche Kooperation zutrifft, und es stimmt, dass man aus letzterer nicht aussteigen kann, dann kann man den Zusammenhang doch so formulieren: Die gesamtgesellschaftliche Kooperation muss so funktionieren, dass jeder Mensch bedingungslos in ihr leben kann und sie somit die universale Vorausetzung dafür ist, aus personalen Kooperationen jederzeit aussteigen zu können.

Kürzer: Die GPL-Gesellschaft, in der Geben und Nehmen entkoppelt sind, als Voraussetzung für die freie Kooperation.

2. Wo Selbstentfaltung herrscht darf es keine sakrosankten Regeln
geben, denn dies würde Aufklärung ganz im oben genannten schlechten
System-Sinne sein. Wer sakrosankte Regeln setzt weil er meint, damit
alle Selbstentfaltungsbedürfnisse abdecken zu können, hat schon
verloren.

Auch gabs ja Dissenz bzgl. der Frage, ob wir nicht doch sakrosankte Regeln brauchen - v.a. von StefanMn vorgebracht (CMIIW -> http://coforum.de?Oekonux-Abk%FCrzungen;-)). Ist dieser Dissenz nicht dahingehend aufhebbar, dass eben auf dieser unhintergehbaren Ebene der gesamtgesellschaftlichen Kooperation die Voraussetzung, dass jeder gut leben kann, - faktisch, nicht als "Recht" - sakrosankt ist? Dass es damit auf der Ebene der personalen Kooperation eben keine sakrosankten Regeln geben kann. Dies letztlich deswegen, weil es die Selbstentfaltung und die freie Kooperation ist, die gesamtgesellschaftlich die Verhältnisse erzeugt, die wir als Bedingung für Selbstentfaltung und Freie Kooperation brauchen. Selbstreferenziell sozusagen. Kann mir noch jemand folgen?

3. Die dritte Bedingung Freier Kooperation ist der ``faire
Scheidungspreis''. Dies macht sehr wohl Sinn unter den Bedingungen der
Wertverwertung weil nur so innerhalb der Werttotalität Freiraum
geschaffen werden kann. Dies macht allerdings keinen Sinn mehr, wenn
die Vergesellschaftung nicht mehr über Wert organisiert wird. Ganz
ähnlich übrigens, wie die GPL in der GPL-Gesellschaft nicht mehr
gebraucht wird, weil sie ein Mechanismus ist, die Keimform zu
verteidigen. Genauso auch der faire Scheidungspreis.

Genau, das ist es, was ich oben meine. Ob allerdings der faire Scheidungspreis den gleichen Status hat wie die GPL, bezweifele ich.

Ciao,
Stefan

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