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[ox] Re: [ox] Re: [ox] Re: [ox] Re: [ox] Die Finsternis der "Aufklärung"



In einer eMail vom 06.03.2002 00:07:38 (MEZ) Mitteleuropäische Zeit schreibt 
benni obda.de:

Lieber Benni,
<< 
 Mich würde es mal interessieren, wen Du genau da mit "Euer" meinst.
  >>
gut, in gewissem Sinne hast Du mich erwischt. Was ich habe sagen wollen war, 
daß ich den in dieser Liste vielfach favorisierten Ansatz der Aufhebung durch 
Selbstentfaltung als gesellschaftskonstituierendes Prinzip nicht teile. 

<<Hm. damit hab ich enorme Probleme. Wer bin ich irgendwem zu sagen, wie
Emanzipation möglich sei und wie nicht? Siehe dazu vielleicht die
"Thesen über Befreiung"
(http://co-forum.de/index.php4?Einige%20Thesen%20%DCber%20Befreiung).>>

Die "Thesen über Befreiung" habe ich nicht gelesen. Ich will auch gar 
niemandem sagen "wie" er sich (gefälligst) zu emanzipieren hat. Ist gut 
möglich, daß, falls überhaupt noch was "kommt" ein durchaus "radikaler" 
systemimmanenter Versuch unternommen wird. Meinen Gebrauch des Begriffs der 
Emanzipation versteh bitte i.S. von Aufhebung also von etwas was über unsere 
jetztige Gesellschaftsformation hinausweist. Ob die Menschen das "machen" und 
"wollen" (Wechselwirkungen bitte mitdenken) steht dahin. Ich verstehe 
"Aufhebungstheorie" auch nicht so, daß ich irgendwelche Keimformen aufspüre, 
die Erscheinungsformen dieser jetzigen Gesellschaft und mit dieser zunächst 
kompatibel sind und daraus ein zukünftiges "so wird/könnte es sein" 
entwickele. Wenn schon Keimformen, dann wären das für mich gesellschaftliche 
Handlungen, die sich an den Stellen entwickeln an denen das Kapitalverhältnis 
dysfunktional ist, was nicht ausschließt sondern gerade einschließt, daß 
frau/man sich die entfremdeten Potenzen wieder aneignet. 

<<Und: Ist das nicht genau das selbe, was Du "uns" vorwirfst? Nämlich
ein System für alles zu entwerfen? Da ist es dann halt nicht mehr die
"Vermittlungsform" die universalisiert wird, sondern die Überwindung
einer Denk- und Handlungsform, die man erstmal schaffen muss, bevor
man überhaupt mitreden darf.>>

Das was "dann" sein wird weiß ich nicht und will darüber genau nicht ein Bild 
entwerfen, welches ausmalt wie es dann allen "automatisch" gut geht. Das 
hatten wir doch wirklich bis zum Er- und Zerbrechen und erleben die Wirkungen 
an uns selbst an jedem Tag. Mitreden kann überhaupt jede/r, weil jede/r 
diesem Zusammenhang unterworfen ist. Letztlich geht es aber bei Deiner Frage 
um das "leidige" Bewußtsein und die hier auf dieser Liste auch immer wieder 
genannte "Entlastungswirkung" des prozessierenden Prinzips. M.E. ist die 
"Entlastung" aber nichts anderes als das "automatische Subjekt", also das 
strukturiende Prinzip das alle "Puzzleteilchen" an ihren Platz zwingt. Den 
Aufwand, den das vereinzelte Puzzleteil an Anpassung und Selbstzuschnitt 
aufwenden muß, scheint mehr aber sehr erheblich und schmerzhaft gemessen an 
der angeblichen Entlastung. Entlastend könnte ja vielmehr sein (ich verkürze 
das jetzt, um nicht in allzu langatmige Ausführungen zu verfallen) wenn die 
Lebenszusammenhänge wieder ihrer qualitativ eigenen "Logik" und Zeit folgen 
könnten und die gesellschaftlichen Vereinbarungen hierüber nicht durch 
eiserne, wiewohl unsichtbare, Hände, Flossen, Schwingen oder Tritte 
praedeterminiert wären.

<<Ja, genau darum geht es. Dazu müssen sich aber die
"Gesellschaftsmitglieder" doch zu allererst ihrer Individualität
bewusst werden. Ich schreibe bewusst nicht "Subjekt", weil das
vielleicht nochmal was anderes ist. In vormodernen Zeiten war das
schlicht nicht möglich. Die Leute waren mehr oder weniger identisch
mit ihrer sozialen Rolle. Wie kann man situationsbezogen qualitativ
unterschiedliche Vermittlungsformen finden, wenn man sich nur als
Gruppenzugehöriger versteht?>>

Advocatus diaboli: Ist die Selbstwahrnehmung als "Subjekt" oder "Individuum" 
im modernen Sinne nicht auch genau die Identität mit der vorstrukturierten 
sozialen Rolle? Hatten die vorkapitalistischen Gesellschaften keine 
"politische Ökonomie" (wenn auch eine andere mit anderen Fetischen)? Gibt es 
eine Hierarchie von Vernünften, in welcher unsere irgendwie weiter "oben" 
rangiert? Ist sekularisierte Religion keine Religion? Können wir die 
Meta-Physik vergangener Zeiten so hautnah denken, daß wir wissen, wie sich 
die Leute gefühlt haben?

<<Hm. Den Zusammenhang mit der Materialismusfrage versteh ich grad
überhaupt nicht. Ich hab allerdings auch den Kontext nicht mehr
präsent, wo das euch jemand (ich?) vorgeworfen haben soll. Ich kann
mich nur dran errinnern, das mal den Stefans (oder auch nur einem von
beiden) "vorgeworfen" zu haben ;-)>>

Ich erinnere mich auch nicht mehr genau wer das gewesen ist. Du nicht, das 
stimmt schon. Kann auch sein, daß ich was verwechsele mit einer anderen 
Liste. Aber es gab da mal einen Austausch zwischen Horst und Stefan Mz., das 
erinnere ich genau. Das mit dem Materialismus finde ich aber sehr wichtig, 
weil der Lösungsansatz sonst wieder nur auf materielle (Re-)produktion, der 
als solcher gesellschaftskonstituierend war, ist und immer sein wird, 
hinausläuft. 

<<Was genau meinst Du denn mit Transfiguration in diesem Zusammenhang?>>

Hab ich weiter oben schon was zu gesagt, daß nämlich die Selbstwahrnehmung 
und Überhöhung als "Subjekt" oder "Individuum" Idenität mit der zugewiesenen 
sozialen Rolle ist/sein könnte.

<<Nur kam das ganze ja zustande, weil der Aufklärung vorgeworfen wurde,
herrschaftskompatibles Denken zu fördern. Meinst Du mit obigem also,
dass jedes abstrakte Denken immer schon herrschaftskompatibel ist?
Dann sollten wir hier vielleicht einpacken und ... ja, was tun?
Irgendwelche Ideen? Uns die Aufklärung aus den Köpfen raushauen?
Vielleicht religiös werden oder meditieren? Das sind jetzt durchaus
ernstgemeinte Fragen, weil ich einfach wissen will, was daraus folgt>>

Jedes abstrakte Denken zu überwinden, würde in der Tat zum sofortigen 
Einpacken führen. Sprache ist schließlich auch Abstraktion. Dann müßten wir 
die Liste zumachen. Religiös, Meditieren etc., also dem Obsukrantismus zu 
fröhnen ist vor allem herrschaftsfördernd. Da krieg ich dann das 
Hausmittelchen an die Hand, wie ich mir die Welt schöndenken und 
schönempfinden kann. Alles was ich "erleide" liegt ja in meinem Karma. Jeder 
ist seines Glückes Schmied, bla, bla, bla. Nö, es geht mir nicht darum, die 
Abstraktionsfähigkeit abzuschaffen. Ich wollte nur darauf hinweisen, daß die 
Philosophiesprache nur bestimmte Sphären des Lebens zu kategorisieren in der 
Lage ist, weil sie dort entstand, und ganz bestimmte andere Sphären - den 
berühmten Nebenwiderspruch z.B. - "liegen läßt". Weiter wende ich mich 
dagegen, daß das erzeugte und erdachte Abstraktum das konkrete Leben 
herrschaftförmig dirigiert. Abstraktionen sind zum Beschreiben und 
Herausfinden unerläßlich. Die Inversion ist aber wichtig. Die Abstraktion hat 
nur Bestand, wenn sie dem Konkreten entspricht.
Zum Schluß wollte ich noch anmerken, daß ich mich wirklich gefreut und 
gelächelt habe, daß Du in Deiner anderen Mail den Begriff "Empathie" 
verwendet hast. Das war aber nicht bürgerlich "subjektmäßig".
Liebe Grüße, Petra

 
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Organisation: projekt oekonux.de


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