[ox] Re: [ox] Re: [ox] Die Finsternis der "Aufklärung"
- From: RAUNHAAR aol.com
- Date: Tue, 5 Mar 2002 17:20:50 EST
In einer eMail vom 05.03.2002 21:10:41 (MEZ) Mitteleuropäische Zeit schreibt
benni obda.de:
Hallo Benni und alle anderen,
<< Dennoch möchte ich doch die Aufklärung nicht gänzlich verdammen. Sie
hat nämlich den Individualisierungsprozess, der mit der Neuzeit begann
vollendet, bis hin zu Menschenrechten, Demokratie et al. Das alles ist
nicht genug und es ist auch zum Teil kontraproduktiv, aber es ist und
bleibt trotz allen Wahnsinns doch die Basis ohne die wir heute sowas
wie "Selbstentfaltung" oder "Emanzipation" nicht mal denken könnten.
Kurz und die Krisis schiessen in diesem Punkt immer deutlich übers
Ziel hinaus IMHO.
>>
Also sprach Adorno! Kann schon sein, daß "Selbstentfaltung" i.S. von der
"einen Essenz", die als strukturierendes Prinzip sich dann wieder nur in
vielerlei "Erscheinungsformen" manifestieren wird ohne diese
universal-abstrakte (vulgo: philosophische) Denke nicht möglich ist. Insofern
soll ja nach Eurem Entwurf nur eine Totalität (durch den Wert strukturiert)
durch eine andere (durch "Selbstenfaltung" strukturiert) ersetzt werden.
"Emanzipation" ist aber m.E. nur durch das Überwinden dieser Denk- und
Handlungsform (samt Subjektform), eben einer sie strukturierenden "Essenz"
möglich. Daß eine Gesellschaft eine Essenz haben muß/soll versteht sich ja
nicht aus sich selbst. Vorstellbar wäre auch eine Gesellschaft in der es
keinen Unterschied gibt zwischen dem was ist und wie dies in "Erscheinung"
tritt. Dann gäbe es auch keine abstrakte Herrschaft samt entsprechender
Regulationsmechanismen (z.B. sogenannte "Demokratie"). Solange frau/man aber
mit den Denkformen im ewig nämlichen verbleibt und diese dann ausgerechnet
noch als Fortschritt abfeiert, kann es dann leicht passieren, daß man R. Kurz
"nur noch im Rückspiegel zu sehen" vermeint (bezieht sich auf eine Mail von
Stefan Mn. vom gestrigen Tage, der sich ihm ja bereits Meilen voraus wähnt)
und gar nicht merkt, daß man nur in die verkehrte/entgegengesetzte Richtung
fährt. Um den Einwänden aus dem "Fetish-thread" gleich zuvorzukommen, möchte
ich anmerken, daß dies nicht heißen soll, daß *keine* Vermittlung geben kann
oder darf und ich etwa das unmittelbare Aufgehen des Einzelnen in der
gesellschaftlichen Formation propagiere. Es geht mir um die Aufhebung der
Totalität, was bedeutet, daß es eine Universalität geben kann in welcher
Mensch- und situtationsbezogen qualitativ unterschiedliche Vermittlungsformen
existieren von denen die Gesellschaftsmitglieder (und auch die ohne
entsprechendes anatomisches Merkmal) auch wissen, daß sie menschengemacht
sind. Den insoweit z.B. Horst aber auch mir gemachten Vorwurf wir verfolgten
eine Art Primitivmaterialismus muß ich insoweit mit dem Vermerk "return to
sender" versehen. Aus meiner Sicht bezieht sich der Marxsche "Materialismus"
nicht auf die schnöde Produktion (also Mensch ringt der Natur sein Leben ab),
sondern, im Rahmen seiner Metakritik am Hegelschen Begriff, auf die
gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen untereinander (was dann
selbstverständlich auch für die Art und Sichtweise der Beziehung mit der
"Natur" Folgen zeitigt, und umgekehrt) Der Idealismus ad ultimo (Hegels Geist
), der irgendwie vom Himmel oder sonstwo herkommend die gesellschaftlichen
Beziehungen strukturieren soll und "weiterentwicklickelt" wird dechiffriert
als durch gesellschaftliches Handeln und dadurch bestimmte Denkformen
hergestellte "Realität". Emanzipation wäre dann nicht die "Einheit in ihrer
vielfältigen Erscheinung" sondern ein durch Vielfalt entstehendes Universum
(bitte jetzt nicht ausschließlich astro-physikalisch verstehen). Eine solche
Emanzipation ist aber mit bürgerlicher bzw. "aufklärerischer" Subjektivität
samt ihrer sakralen Transfiguration des "Selbst" und des "Individuums" nicht
machbar.
<<Zeig mir eine nicht herrschaftskompatible Philosophie aus
Vor-Aufklärungszeiten. Und selbst danach sind die meisten sehr
fragwürdig in diesem Punkt inklusive Marx und Folgende.>>
Wir können nur das finden, wonach wir suchen. Philosphie und ihre Sprache ist
historisch an abstrakt-universelle Denkformen gekoppelt bzw. durch diese
hervorgebracht, wobei letzteres wiederum auf gesellschaftlichem Handeln
basiert. Wie Roswitha Scholz ganz richtig an- und ausführt, gibt es für
hiervon nicht erfaßbare Bereiche (Empathie, Sinnlichkeit, Zärtlichkeit, Wut,
Haß, Sorge, Fürsorge, alltägliche "Konsumption" etc. etc.) keine
"Philosophiesprache", also keine abstrakten Formbestimmungen. Als dies ist ja
gerade formlos, amorph, irgendwie (igitt, igitt) "natürlich" und muß
"gebändigt und geformt werden". Der im "Proporz-Thread" gemachte Hinweis auf
z.B. die Hexenverfolgung in der Neuzeit (in der Schweiz brannte die letzte
Hexe 1838) dürfte z.B. ein Hinweis auf die Umgehensweise mit empanzipativen
Ansätzen sein, was ich jetzt bitte nicht als auf die sogenannte
"Frauenemanzipation" bezogen oder reduziert verstanden wissen möchte.
Mit lieben Grüßen, Petra
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