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[ox] Re: [ox] Re: [ox] Die Finsternis der "Aufklärung"



In einer eMail vom 05.03.2002 21:10:41 (MEZ) Mitteleuropäische Zeit schreibt 
benni obda.de:

Hallo Benni und alle anderen,

<< Dennoch möchte ich doch die Aufklärung nicht gänzlich verdammen. Sie
 hat nämlich den Individualisierungsprozess, der mit der Neuzeit begann
 vollendet, bis hin zu Menschenrechten, Demokratie et al. Das alles ist
 nicht genug und es ist auch zum Teil kontraproduktiv, aber es ist und
 bleibt trotz allen Wahnsinns doch die Basis ohne die wir heute sowas
 wie "Selbstentfaltung" oder "Emanzipation" nicht mal denken könnten.
 Kurz und die Krisis schiessen in diesem Punkt immer deutlich übers
 Ziel hinaus IMHO.
  >>

Also sprach Adorno! Kann schon sein, daß "Selbstentfaltung" i.S. von der 
"einen Essenz", die als strukturierendes Prinzip sich dann wieder nur in 
vielerlei "Erscheinungsformen" manifestieren wird ohne diese 
universal-abstrakte (vulgo: philosophische) Denke nicht möglich ist. Insofern 
soll ja nach Eurem Entwurf nur eine Totalität (durch den Wert strukturiert) 
durch eine andere (durch "Selbstenfaltung" strukturiert) ersetzt werden. 
"Emanzipation" ist aber m.E. nur durch das Überwinden dieser Denk- und 
Handlungsform (samt Subjektform), eben einer sie strukturierenden "Essenz" 
möglich. Daß eine Gesellschaft eine Essenz haben muß/soll versteht sich ja 
nicht aus sich selbst. Vorstellbar wäre auch eine Gesellschaft in der es 
keinen Unterschied gibt zwischen dem was ist und wie dies in "Erscheinung" 
tritt. Dann gäbe es auch keine abstrakte Herrschaft samt entsprechender 
Regulationsmechanismen (z.B. sogenannte "Demokratie"). Solange frau/man aber 
mit den Denkformen im ewig nämlichen verbleibt und diese dann ausgerechnet 
noch als Fortschritt abfeiert, kann es dann leicht passieren, daß man R. Kurz 
"nur noch im Rückspiegel zu sehen" vermeint (bezieht sich auf eine Mail von 
Stefan Mn. vom gestrigen Tage, der sich ihm ja bereits Meilen voraus wähnt) 
und gar nicht merkt, daß man nur in die verkehrte/entgegengesetzte Richtung 
fährt. Um den Einwänden aus dem "Fetish-thread" gleich zuvorzukommen, möchte 
ich anmerken, daß dies nicht heißen soll, daß *keine* Vermittlung geben kann 
oder darf und ich etwa das unmittelbare Aufgehen des Einzelnen in der 
gesellschaftlichen Formation propagiere. Es geht mir um die Aufhebung der 
Totalität, was bedeutet, daß es eine Universalität geben kann in welcher 
Mensch- und situtationsbezogen qualitativ unterschiedliche Vermittlungsformen 
existieren von denen die Gesellschaftsmitglieder (und auch die ohne 
entsprechendes anatomisches Merkmal) auch wissen, daß sie menschengemacht 
sind. Den insoweit z.B. Horst aber auch mir gemachten Vorwurf wir verfolgten 
eine Art Primitivmaterialismus muß ich insoweit mit dem Vermerk "return to 
sender" versehen. Aus meiner Sicht bezieht sich der Marxsche "Materialismus" 
nicht auf die schnöde Produktion (also Mensch ringt der Natur sein Leben ab), 
sondern, im Rahmen seiner Metakritik am Hegelschen Begriff, auf die 
gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen untereinander (was dann 
selbstverständlich auch für die Art und Sichtweise der Beziehung mit der 
"Natur" Folgen zeitigt, und umgekehrt) Der Idealismus ad ultimo (Hegels Geist
), der irgendwie vom Himmel oder sonstwo herkommend die gesellschaftlichen 
Beziehungen strukturieren soll und "weiterentwicklickelt" wird dechiffriert 
als durch gesellschaftliches Handeln und dadurch bestimmte Denkformen 
hergestellte "Realität". Emanzipation wäre dann nicht die "Einheit in ihrer 
vielfältigen Erscheinung" sondern ein durch Vielfalt entstehendes Universum 
(bitte jetzt nicht ausschließlich astro-physikalisch verstehen). Eine solche 
Emanzipation ist aber mit bürgerlicher bzw. "aufklärerischer" Subjektivität 
samt ihrer sakralen Transfiguration des "Selbst" und des "Individuums" nicht 
machbar.

<<Zeig mir eine nicht herrschaftskompatible Philosophie aus
Vor-Aufklärungszeiten. Und selbst danach sind die meisten sehr
fragwürdig in diesem Punkt inklusive Marx und Folgende.>>

Wir können nur das finden, wonach wir suchen. Philosphie und ihre Sprache ist 
historisch an abstrakt-universelle Denkformen gekoppelt bzw. durch diese 
hervorgebracht, wobei letzteres wiederum auf gesellschaftlichem Handeln 
basiert. Wie Roswitha Scholz ganz richtig an- und ausführt, gibt es für 
hiervon nicht erfaßbare Bereiche (Empathie, Sinnlichkeit, Zärtlichkeit, Wut, 
Haß, Sorge, Fürsorge, alltägliche "Konsumption" etc. etc.) keine 
"Philosophiesprache", also keine abstrakten Formbestimmungen. Als dies ist ja 
gerade formlos, amorph, irgendwie (igitt, igitt) "natürlich" und muß 
"gebändigt und geformt werden". Der im "Proporz-Thread" gemachte Hinweis auf 
z.B. die Hexenverfolgung in der Neuzeit (in der Schweiz brannte die letzte 
Hexe 1838) dürfte z.B. ein Hinweis auf die Umgehensweise mit empanzipativen 
Ansätzen sein, was ich jetzt bitte nicht als auf die sogenannte 
"Frauenemanzipation" bezogen oder reduziert verstanden wissen möchte.
Mit lieben Grüßen, Petra
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Organisation: projekt oekonux.de


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