Re: [ox] subject city - stadt der subjekte
- From: Benni Baermann <benni obda.de>
- Date: Mon, 15 Apr 2002 09:28:32 +0200
Hallo Tom!
On Mon, Apr 15, 2002 at 06:19:42AM [PHONE NUMBER REMOVED], tom wrote:
vorgestern bin ich wahrscheinlich für dieses semester bei einer
stadtplanungsprüfung durchgefallen. eigentlich ein web-entwurf für
stadtleitbilder für die zukunft. was mich interessiert: darin habe ich
versucht, die "unsichtbare hand des marktes" durch eine "sichtbare hand" zu
ersetzen.
gibt es irgendwo einen freies software-programm, in welches jedeR ihreseine
bedürfnisse eintragen kann, diese lokal, regional, kontinental und global
gesammelt und addiert werden, um neue bedarfe zu bestimmen und zu
entwickeln? diese idee drängte sich nach der suche um "weniger
kapitalistisch verformte gebrauchswerte" im aufsatz "antiökonomie und
antipolitik" [r.kurz] auf. daran könnten produktinfos mit der geschichte
ihrer stationen gekoppelt sein, um vom kapitalistisch bestimmten
herstellungsfluß zu einem direkt kommunizierten zu kommen und ablaufwissen
und -wünsche zu sammeln.
Sowas gibt es explizit natürlich nicht. Was es aber gibt ist
Standardsoftware mit der man sowas relativ einfach zusammenstricken
kann. Hier also im wesentlichen eine Datenbank und vorgeschaltetes
Webformular. Das Problem bei einem realen Einsatz dürfte vor allem die
Skalierbarkeit sein, weil das verdammt _viele_ Daten wären ;-)
ich war ganz baff, wie tief das auf mich wirkte, sah alles in 3D und bekam
meine Füße auf dem Boden, als ich ein paar Beispiele eintrug.
siehe hier [m]eine zukunftsskizze unter:
bedürfnisse + befriedigung + produktinfo
Brauchst Du wirklich nur 1 T-Shirt pro Jahr?
subject city - stadt der subjekte
http://www.labor8.de/users/2030-tkn/
falls es so eine software schon gibt, würd ich gern wissen wie und wo.
falls nicht, wär das ein ding, wenn ihr das gemeinschaftlich entwickeln
wolltet. da wär ich gerne testnutzer. mein vorschlag ist vielleicht noch
auf das atomisierte ausgelegt. das wäre zu verbessern.
Das ist vielleicht wirklich mal ein interessantes Webprojekt. Nur mit
den Tabellen ist es aber wahrscheinlich nicht getan, weil sich jeder
was anderes unter diesen Rohdaten vorstellt. Man müsste also noch
einen Diskussionsprozess haben, der z.B. genauer definiert, was ein
Eintrag "T-Shirt" in der Datenbank den nun genau bedeutet. Und da
steckt der Teufel wohl im Detail.
Vom Ansatz her hab ich auch ein bisschen Probleme damit, Bedürfnisse
auf diese Art quantifizieren zu wollen. Das muss aber nicht heissen,
dass das nicht trotzdem sinnvoll sein kann.
meine prüfer schauen sich diese woche die webseiten nochmal an und geben
uns ab 22.april die note raus. könnt ihr mir bis dahin sagen, ob da was
weiter gehen kann, oder ob das ein alter hut ist? ist schon ein halbes jahr her,
daß ich nicht mehr in diese liste reingeschaut hab.
Die generelle Idee ist sicherlich nicht neu. Neu ist, dass Du es
wirklich tun willst und das ist dann auch das womit Du sofort aneckst,
wie Du ja gerade erfährst :-(
wen's interessiert, zu den andern arbeiten:
wesentlich aufwändiger als meine
http://www.labor8.de/2030/
Ist da auch Inhalt oder nur Layout und dumme Sprüche? Ich hab den
Inhalt zumindestens nicht gefunden.
viele grüße, tom
ps: unten anschließend der heutige brief an meine Profs:
Oh mein Gott. Du tust mir wirklich Leid. Lass mich raten, Deine Profs
sind wohl von der Sorte enttäuschter, verbitterter alt-68er, oder? Zur
Aufmunterung ein paar "Übersetzungen":
Prof. Jessen: «Herr K, wie stellen sie sich vor, sollen wir diese
Arbeit bewerten?»
Übersetzung: "Wir sind zu blöd um sie zu kapieren."
Prof. Jessen: «Was sie vorschlagen, sind anarchistische Vorstellungen
von vor 150 Jahren.
Heutige Anarchisten würden sich [wahrscheinlich] dagegen wehren.»
Übersetzung: "Hm, das ist irgendwie gefährlich."
Prof. Jessen: «Was mich beeindruckt hätte, wäre, wenn sie an ihrem
Beispiel des Vollkornbrotes anhand der Herstellungsstationen eine
Untersuchung gemacht hätten, welche irrationalen Vorgänge vonstatten gehen
und daß das, zum Beispiel, auf dem Rücken der «Dritten Welt» geschieht.»
Übersetzung: "Vielleicht können wir ihn ja eine Weile in einer
sinnlosen Tretmühle beschäftigen. Das treibt ihm schon die Flausen
aus. Hat bei uns schliesslich auch funktioniert."
Prof. Bott: «Das ist doch nichts neues. Marx haben wir doch schon vor
dreißig jahren gelesen. Was sie uns da bringen, ist Anfängerniveau. Marx-
Lesekreis erste Stunde. Mindestniveau, wenn man sich in einer
anarchistischen Theoriegruppe betätigen will.»
Übersetzung: "Wir sind über die erste Stunde nicht hinausgekommen,
weil uns das zu hoch war."
Prof. Bott: "Ihre Arbeit ist völlig ohne Recherche entstanden."
Mein Fehler war, meine Recherche nicht zu dokumentieren. Die
Auseinandersetzung mit dem Bestehenden zeigt sich unter anderem in
meiner Kritik des Papieres "Modell Stadt/Region 2030" der Projektgruppe
Stuttgart, der sie beide angehören.
Uff. Das auch noch. Du hast den Herren auch noch ans Bein gepinkelt.
Viel Glück!
Trotz des besserwisserischen
polemischen Tones scheint mir die Kritik in meinen Leitbildern
begründet, stichhaltig und nicht ganz von der Hand zu weisen. Dieser Ton
ProfessorInnen gegenüber steckt in so vielen StudentInnen. Sie haben
keine Ahnung, wie heimlich hinter ihrem Rücken gesprochen wird, um es
sich um der Prüfung willen nicht zu verscherzen. Das Machtgefälle
zwischen Lehrenden und Lernenden kreiert eine unmenschliche Kluft,
Verlogenheit und Selbstverleugnung. Wie kann jemand nur darüber hinweg
können?
Alles wahr, ich glaube die wissen das sehr wohl, es ist ihnen nur
scheissegal.
Ich bitte sie, die Arbeit im Hinblick auf die Leitfrage nach ihrem
Gehalt, künftige Handlungen an ihren Leitbildern orientieren [nicht
objektivierend ableiten] zu können noch einmal durchzuschauen, da es in
der Prüfung schien, sie hätten sie als nicht ausreichend erachtet.
"Leitfrage nach ihrem Gehalt" hat eine interessante Doppelbedeutung.
Leider bist Du nicht in der Lage sie ihnen zu stellen, sonst würden
sie ganz anders mit Dir reden ;-)
Grüße, Benni
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