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Re: [ox] Gedanken :: 3.2. Weder Tauschen noch Schenken



On Tue, Jul 23, 2002 at 12:26:51PM [PHONE NUMBER REMOVED], Karl Dietz wrote:
Der Kapitalismus bietet einige solcher Dinge:
zB GMX-Adressen
zB YahooGroups
zB Google
...

Als Beispiele dafuer, dass es Dinge gibt, die man frei nutzen kann, ohne
etwas dafuer tun zu muessen...?


Ich weiss, der Vergleich hinkt in einigen Punkten, aber in anderen
stimmt er schon. zB die YahooGroups: damit kann jedeR eine
Liste aufmachen und damit tun und lassen was er/sie will. Die
Technik ist sehr einfach. Niemand will was von einem...
Die lassen einen einfach in Ruhe.

...denn das verstehe ich nicht ganz: von welchem Vergleich redest du 
denn? Ansonsten, wenn du obiges meinst, dass die Beispiele hinken 
wuerden, ja, man kann zum Beispiel nicht in den Sourcecode kucken. Oder 
gar die Software fuer sich nutzen. Ich faende es naemlich schon nett, 
wenn man "Google" fuer das Intranet in einer Firma nutzen koennte.

Aber interessant finde ich uebrigens, dass sich GMX und Google bei mir 
nie als besonders kommerziell im Kopf festgesetzt haben. Woher das 
ruehrt, das weiss ich nicht, kann es sein, dass beide sich aus 
vormals nichtkommerziellem Aspekt her entwickelt haben? Oder ist es 
lediglich die wenig aggressive Platzierung von Werbung?

Anders sieht es aus, wenn Du von "alternativen Projekten" was
willst. Die haben keine Zeit, keine ... , um die Dinge zu fördern oder
zu unterstützen, ...
Manche von euch haben das ruhmlose Ende der Krisis-List
miterlebt. Das war so ein Bsp...

Falls wer nachlesen mag:

http://www.krisis.org/mailing-liste.html

Mir leuchteten vorhin beim Schmieren des Toastbrotes die Worte vor 
meinen Augen, dieser "vertretbare Preis, Kooperationen verlassen zu 
koennen". Es ist natuerlich hart, wenn gerade die Maintainer sich dazu 
entschliessen, alles sein zu lassen und sich auch nicht in die Pflicht 
nehmen lassen, alternative Projekte zu foerdern.

Das erinnert mich etwas an das grosse Mailboxsterben vor ein paar 
Jahren. Ich war mal in einer groesseren Mailbox, die hatte ca. 20 
Leitungen, das hat ein Privatmensch finanziert, das war sein Hobby. Dort 
haben wir diskutiert, gechattet, gespielt, vieles mehr. Auch 
Verantwortungen innerhalb dieses Systems wahrgenommen, "Bretter" 
gepflegt, Spiele programmiert, Treffen organisiert. Internet war fuer
den Privatmenschen noch nicht aktuell.

Dann gab es dort Quereleien, die ersten Menschen zogen ab, suchten sich 
alternative Moeglichkeiten, um mit Leuten was zu tun, gingen ins Internet 
etc.. Bretter und Emails wurden zumeist noch in der Mailbox benutzt. 
Das war etabliert. Da verabredete man sich etc..
Der Typ hatte dann irgendwann auch keine Lust mehr, fuer nichts seine 
Zeit und sein Geld zu investieren: die Leute waren kaum mehr 
da, lasen nur 10 Minuten ihre Post und verschwanden wieder. Er reduzierte 
erst die Leitungen und machte dann irgendwann die Box dicht. 

Es war interessant zu sehen, wie der Strom der ganzen Leute sich 
verteilte und verschwand (so habe ich mir das zumindest vorgestellt)
Leute, mit denen man frueher oft geredet hatte, die waren einfach nicht 
mehr da. Ueber Internet war man noch nicht in Verbindung. Telefonnummern
auszutauschen war ja nicht noetig.

Mit der Zeit rekombinierte sich das ganze, man lernte neue Leute kennen, 
traf sich mit denen, hatte Spass miteinander, die Plattform hat sich 
geaendert. Irgendwann trudelten auch alte Leute wieder ein, man erkannte 
sich an den Nicks, tratschte und klatschte, tauschte Telefonnummern 
und Email-Adressen aus, "aber wie frueher wurde es nie."

Irgendwie klingt das liberal und gleichgueltig, ich wuerde aber 
heute sagen wollen, die Zeit war reif fuer diese Veraenderung.

Dass ein Typ einfach die Mailbox zumachen kann, das nahm man damals in 
Kauf. Dass die "Bretter" zensiert wurden, nahm man damals in Kauf. Dass 
User ausgesperrt wurden, weil sie sich "daneben" verhielten, nahm man 
damals in Kauf.

***

Wenn die Mailingliste der Krisis-Leute geschlossen wird aus bestimmten
Motiven, koennen sich die uebriggebliebenen Leute neu zusammentun, man 
hat die Email-Adressen voneinander, man kann eine neue Liste 
zusammenschrauben. Wenn denn der Zusammenhalt gross genug ist, es den 
Leuten auch wichtig genug erscheint, das u.a. koennten Motive fuer das 
weitere Miteinander sein.

Wenn nicht, zerfleddert alles und die Leute verteilen sich wieder.
Vielleicht trifft man sich irgendwo erneut.

Ich denke also, der Preis war vertretbar, diese Kooperation zu 
verlassen. So wie Menschen Listen verlassen und betreten koennen, 
koennen Mailinglisten geschlossen und geoeffnet werden. Der Name 
"Krisis" ist vielleicht ein Verlust, oeffnete einem die Tuer, 
andererseits ist jedoch auch kein Markenartikel, auf den man Ruecksicht 
nehmen muss und auch verzichten kann.

***

So, das andere war, dass ich es persoenlich auch sehr schwer finde, fuer 
meine Projekte Unterstuetzung zu finden, wenn es kein Geld gibt. Wenn man 
jemanden fragt, heisst es oft: "Mach erstmal, ich schaue spaeter und 
kucke, ob es etwas fuer mich ist."

Damit habe ich leben gelernt, ich erwarte da nicht diesselbe 
Begeisterung, wie ich sie gerade empfinde. Und freue mich, wenn dann doch 
jemand zustoesst.

Es steht mir auch jederzeit frei, bei einem der Projekte mitzumachen, 
die es zum Beispiel auf sourceforge.net gibt. Aber deren Begeisterung 
teile ich oft ebensowenig. :-) Das ganze umgekehrt halt.

Letztens dachte ich mir, die Statistik, die hier vor geraumer Zeit 
auftauchte (nix Referenz zur Hand), deckte sich auch mit meiner 
Beobachtung, dass ein Grossteil der "offenen" Projekte von 
Einzelpersonen betrieben werden. 

Jedenfalls, von "alternativen Projekten" einfach so Unterstuetzung und 
Foerderung zu erwarten, wenn man von ihnen etwas will, das widerspricht 
einer freien Kooperation. Es kann sein, es muss nicht. 

Und aus einer oft gesehenen Praxis folgt keine Regel. Wenn sie gerade 
nicht helfen wollen, kann es trotzdem passieren, dass ein Einzelner 
daherkommt und helfen will.

Irgendwie so.
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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