[ox] Boden(un)recht (was Re: leben ohne geld)
- From: cr iac-research.ch (Christoph Reuss)
- Date: Sun, 28 Jul 2002 02:26:55 +0200
Das römische Boden(un)recht ist die Fortsetzung des Feudalismus mit
raffinierteren Mitteln. Allein für die dadurch künstlich überhöhten
Bodenpreise muss der "normale" Werktätige etwa 20%-40% seines Lohnes
abliefern (via Miete, Steuern[*] und allgemein höhere Preise) -- er
arbeitet also jede Woche 1-2 ganze Werktage für "Millionenbauern" und
Bodenspekulanten, die ihrerseits dafür weder arbeiten noch Risiken
tragen. Verglichen damit war der mittelalterliche "Zehnte" (10%
Gesamtsteuer) an die fürstlichen Herrschaften noch bescheiden!
[*] Anteil an der Miete: Durch künstlich erhöhte Bodenpreise ist der
Boden unter einem Haus oft etwa gleich teuer wie das Haus selbst,
die Miete wird also etwa verdoppelt.
Anteil an der Steuer: Ein grosser Teil der Staatsverschuldung geht
im wahrsten Sinne auf das Konto der Millionenbauern, durch staatliche
Landkäufe und allgemein höheres Preisniveau. Als Grössenordnung:
Zwischen 1949 und 1965 stiegen die Landpreise in Deutschland um
100 Milliarden DM, der Wohnungsbau wurde im selben Zeitraum mit
100 Milliarden DM subventioniert, und die Staatsverschuldung am
Ende des Zeitraums betrug ebenfalls 100 Milliarden DM. Die
Fachzeitschrift "Allgemeine Vermessungsnachrichten" (Nr. 11/1968)
fragte dazu: "Wurden hier etwa aus Steuermitteln Geschenke in
Höhe von 100 Mia. DM letztlich an die Grundeigentümer verteilt?"
Das Haupt-Unrecht besteht darin, dass der Bodenpreis bei der Umzonung
von Agrarland in Bauland astronomisch ansteigt (bis ca. 1'000-fach).
Im Nachkriegs-Deutschland besonders krass, weil Millionen von
Flüchtlingen aus den Ostgebieten nach Westdeutschland strömten,
und dort Wohnungen, Schulen, Spitäler für sie gebaut werden mussten.
An den Rändern der schnell wachsenden Grossstädte wurden deshalb
grosse Gebiete umgezont von Agrar- in Bauland, wodurch der Bodenpreis
enorm anstieg. So konnten einfache Bauern "über Nacht" zu Millionären
werden, durch den einfachen Verkauf von ein paar Aeckern. Zum Beispiel
der Bauer Josef Filser "verdiente" nach heutigem Wert 130 Mio. Euro
für einen Acker von 0.36 Quadrat-km etwa 30 km südöstlich von München.
Ein etwas bekannteres Beispiel ist der Fürst von Thurn und Taxis, der
für ein Gelände für die Uni Regensburg n.h.W. 200 Mio. Euro einstrich.
Bezahlt jeweils vom Staat, sprich Steuerzahler.
Die Millionenbauern erhielten oft nicht "nur" Riesensummen, sondern
auch ein Landstück derselben Grösse woanders, das (noch!) nicht in
der Bauzone lag. Als die Städte weiter wuchsen, kam dann auch dieses
Landstück in die Bauzone, sodass der Millionenbauer _erneut_ abzocken
konnte! etc. etc., iterativ weiter weg vom Zentrum. Mit dieser Masche
akkumulierte Baron von Finck ein Vermögen von 4.5 Milliarden DM --
einer der grössten Kriegsfolgen-Profiteure Deutschlands (er finanzierte
Adolf Hitler szt. den Bau des "braunen Hauses" in München).
Millionenbauern werden "über Nacht" (per Umzonung) reich, ohne dafür zu
arbeiten, ohne unternehmerische Risiken, und ohne im Kreuzfeuer der RAF
oder anderer linker Gruppen zu stehen -- ganz im Gegensatz zu Unternehmern,
auf die alle 3 genannten Merkmale zutreffen.
Schon durch den Verkauf eines kleinen Landstückes wird der Bauer zum
Millionär und Villenbesitzer -- während der Arbeiter ein Leben lang
schuften muss, um sich ein Haus zu kaufen; bis er es hat, muss er
im Gegensatz zum Bauer Miete zahlen, von der ein grosser Teil genau
an die Millionenbauern fliesst -- was die Ungerechtigkeit noch vergrössert.
Hinzu kommt noch die Ungerechtigkeit der Besteuerung: Wer 1 Mio. DM
als Vermögen erbt, muss 91'000 DM Erbschaftssteuer zahlen; wer hingegen
dieselbe Million als Bauland erbt, zahlt nur 858 DM Erbschaftssteuer
-- also weniger als ein Tausendstel ! (Beispiel aus D 1994)
Das alles überrascht nicht, wenn man die massive Verfilzung der
Millionenbauern mit der Politik bis in höchste Ebenen betrachtet.
Dies komplettiert das Gesamtbild des Neofeudalismus mit
raffinierteren Mitteln.
Wohlgemerkt: Das Bodenunrecht würde auch ohne Geldwirtschaft
"funktionieren". Ob die Bezahlung in Naturalien, Privilegien oder
Geld erfolgt, ist praktisch egal -- das Problem bleibt: Privater
Bodenbesitz und künstliche Bodenpreis-Ueberhöhung. Andererseits
wäre ein gerechtes Bodenrecht auch innerhalb der Geldwirtschaft
realisierbar:
Wie könnte ein gerechtes Bodenrecht aussehen ?
Z.Bsp. ein Allmend-Recht, in dem Landbesitz (bzw. -"Leihe") nur für
den Eigengebrauch (wohnen/gärtnern/bauern) erlaubt ist (d.h. man
muss den Boden im wahrsten Sinne _be-sitzen_), entsprechend dem
Bedarf und den Fähigkeiten der "Be-sitzer", und an die Bedingung
der guten Pflege geknüpft (-->auch keine Umweltverschmutzung).
(...nicht ganz GPL, denn Boden ist _echt_ knapp (nicht vermehrbar).)
Gruss,
Christoph
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