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Re: [ox] Boden(un)recht



Hast Du jemals einen Vergleich angestellt zwischen dem vorhandenen
Reichtum und dem, was ein normaler Mensch auf seinem Teller hat, bevor Du
über zu hohe Löhne redest? Fällt Dir nicht auf, daß Du uns in hundert
wortreichen Varianten immer dieselbe Geschichte erzählst, daß der Erfolg
der Wirtschaft und der durch sie zustandegekommene Reichtum auf Armut
beruht - egal ob in China, bei uns oder anderswo? Und daß tatsächlich
diejenigen gerecht und damit überproportional "belohnt" werden, die diesen
Erfolg betreiben und den Lohn senken was das Zeug hält?

Da wären doch einige Schlüsse fällig bezüglich dieses real existierenden
Wirtschaftssystems, das leider keine Utopie ist!

Man kann da ziemlich vielfältige Schlüsse ziehen.

Es ändert alles nichts daran, dass bis auf weiteres entweder die
Lohnkosten sinken oder die Arbeitslosigkeit weiter ansteigt oder beides.
Dort, wo sich Industrie noch in DE hält, beobachten die Unternehmer den
Zulieferermarkt in aller Welt und stellen fest, dass die Teile, die
anderswo 1/5 kosten, allmählich auch die strengsten Qualitätsanforderungen
erfüllen.  Anderswo werden deutsche Firmen wegen des Wertes der
etablierten Marke vom Ausland (u.a. chinesischem Kapital) aufgekauft.
Ein solcher Aufkäufer erzählte mir frustriert von einem Streit mit der
örtlichen Gewerkschaft, den er natürlich beendete, indem er das Werk
schloss und eines in Tschechien aufbaute.

Ein bisschen Potential für Deindustrialisierung ist vielleidcht noch da,
aber irgendwann ist da auch das Ende der Fahnenstange erreicht.  Und auch
der Traum, DE könnte ein Labor für Erfindungen und Patente sein, die dann
anderswohin verkauft werden, zerplatzt, wenn die industrielle Basis
woanders hin gewandert ist, sofern er überhaupt jemals realistisch war.

Dann bleibt einem nur der Versuch, an China u.a. Schwellenländer hohe
Menschenrechtsstandards anzulegen, in der Hoffnung, diese damit zu
destabilisieren.  Von solchem Denken mögen die immer wieder
heraufbeschworenen Greuelbilder von Massenerschießungen oder "Great
Chinese Firewall" etc geprägt sein.  Zumindest in den Zentren des
Wirtschaftsaufschwungs in China ist das zivile Leben nicht wesentlich
anders als hier, es konvergiert, egal ob die Partei das will oder nicht.
Allerdings erwarte ich mit zunehmendem Aufschwung immer mehr westliche
Menschenrechtskritik.  In Zeiten, wo China wirklich die Hölle war, hörte
man von solcher Kritik hingegen eher wenig.  Ich bin n.b. öfters in China,
habe dort ca 4 Jahre verbracht, spreche mit meiner Familie nur Chinesisch,
empfinde jeden Aufenthalt dort als einen Heimatbesuch.  Deshalb kreisen
viele meiner Beobachtungen und Beispiele um dieses Land, aber man könnte
viele andere Beispiele anführen. Vor 10 Jahren war ich übrigens auch in
Menschenrechtsarbeit aktiv, was auch wiederum innerchinesischen
Stimmungslagen entsprang, die sich inzwischen geändert haben.
Demokratisierung o.ä. entwickelt sich und wird kommen, aber solange die KP
ihr Machtmonopol nicht zu viel mehr als Ordnungswahrung benutzt, hat
niemand es damit so eilig wie früher.  Genau diese Ordnung wird in China
und Russland als lebenswichtig empfunden, während vom Westen her oft
Menschenrechtspredigten in einer Weise eingesetzt werden, die diese
Ordnung zu unterminieren geeignet ist (insbesondere durch Anfachen
nationaler Konflikte).  Solches Unterminieren ist wiederum leicht als die
Waffe von Mächten zu verstehen, die auf ihren hohen Wohlstandsstandards
und hegemonialen Vormachtstellungen sitzen bleiben und sich durch ein
der Armut entrinnendes China oder Russland bedroht fühlen.

-- 
Hartmut Pilch, FFII e.V. und Eurolinux-Allianz            +49-89-12789608
Innovation vs Patentinflation                       http://swpat.ffii.org/
120000 Stimmen 400 Firmen gegen Logikpatente    http://www.noepatents.org/






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