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Re(2): [ox] Boden(un)recht



Hartmut schreibt:
Im Gegensatz zu Informationen können all diese Dinge nicht zu Kosten von
Null beliebig vermehrt werden.  Die Grenzkosten einer Mehrung von Boden
sind etwa in Holland sicherlich erheblich, und bei uns geizt man erst
recht aus gutem Grund mit der Umwidmung von Landschaft in Bauland.

Trotzdem hat Stefan recht, wenn er bezweifelt, daß es einen Übergang
gibt zwischen der prinzipiellen Begrenztheit des Bodens und der
kapitalistischen Form der Grundrente. Die Begrenztheit des Bodens
führt ja unter kapitalistischen Bedingungen auch mal zum genauen 
Gegenteil des Marktes, nämlich zu höchst prosaischen Formen der
Enteignung durch staatliche Agenturen!!

Stefans Argument war: Boden wird knapp gemacht, und das heißt daß
im Regelfall Boden zum Gegenstand des Kaufens und Verkaufens und
zum Geschäftsmittel erklärt wird. Was Existenzgrundlage der Menschen
war, erhält einen (fiktiven) Wert und wird zur Anlageform von Kapital -
zu einer wegen prinzipieller Knappheit grundsoliden, oftmals dem 
Gold überlegenen. Deswegen wollen alle "in den Boden" gehen! Aber deswegen
und dadurch entsteht auch - umgekehrt - die Knappheit! Die kommt
nicht von irgendeiner historischen oder natürlichen Voraussetzung her.
Der Grund liegt rein in der kapitalistischen Gesellschaft selbst....

Umgekehrt soll dieser Boden aber Rendite abwerfen und nicht einfach
Wert aufbewahren, ALSO sind Grundeigentümer in der Regel daran 
interessiert, den exklusiven Zugriff zahlungskräftiger Interessen
mit ihrem Boden zu verknüpfen - ihn relativ wertvoll zu machen.

Nirgends wird die Geschichte mit der Knappheit so schlagend widerlegt
wie in der darauffolgenden Industrialisierung und Kapitalisierung der
Landwirtschaft. Ohne Rücksicht auf stoffliche Rationalität wird der 
Boden ausgelaugt und findet eine Produktionsschlacht mit Nitraten
und Hormonen statt, um einen möglichst großen Teil des Markts abzu-
räumen. Das Resultat sind Butterberge und Milchseen und immer 
ungenießbarere Lebensmittel. Es wird gar kein Verhältnis mehr aufgemacht
zur Masse der gesellschaftlichen Bedürfnisse. 

Insoferne würde ich Stefans Argument noch weiterführen. Unter heutigen
gesellschaftlichen Bedingungen, wo in peripheren Gebieten die Wälder
wieder zuwachsen, gibt es tatsächlich kein Verhältnis zwischen 
Bodenfläche und Bedürfnisbefriedigung mehr. Umgekehrt aber 
ist eine absolute Verarmung unserer Gesellschaft konstatierbar, 
wenn sie Kulturlandschaft aufgibt. Sie ist nicht mehr in der Lage
die gesellschaftliche Energie früherer Zeiten zu mobilisieren und 
den Bedürfnissen den stofflichen Reichtum der Natur in rationeller
Form zu erschließen. Eine zunehmende Entfremdung von Mensch 
und Natur ist die Folge. Heute wird ja schon ernsthaft die These
diskutiert, man könnte die gesamte deutsche Bevölkerung im Rheintal
unterbringen und würde sich einen Haufen Infrastrukturkosten sparen!

Der Global Village Ansatz geht hier einen umgekehrten Weg: Er weist
in Richtung einer Neugestaltung der Kulturlandschaft auf der Basis
existenter technnologischer Errungenschaften. Warum sollte man nicht
auch auf dem flachen Land urban verdichtet leben können? Ein 
nach wie vor gültiger Entwurf ist Arcosant (www.arcosanti.org).
Die These ist weiter, daß nur eine Beibehaltung der Kulturlandschaft die
ökologische Katastrophe abwendet, das grüne "noli me tangere" 
hingegen die Ideologie war und ist, die indirekt einem zerstörerischen
Naturgebrauch das Wort redet.

Boden hat noch vielmehr als viele andere warenförmig gemachte 
Phänomene die Eigenschaft, gegen die abstrakte Zuschreibung einer
Wertgröße tausend reale Wirkunngsketten zu besitzen. Wir müssen
diese Wirkungsketten begreifen und uns mit ihnen auseinandersetzen.
Dann aber ist die Verwendung von Grund und Boden eine Frage 
verfahrenstechnischer Optimierung und ökologischer Analyse und
kreativen Designs kreislaufförmig- biotopartiger Wirkungsketten,
und keine der Geldanlage mehr.

Franz


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