Re: Technischer Rückschritt; war: [ox] Krampfhafter Mangel / DRM
- From: Casimir Purzelbaum <quasi utopix.net>
- Date: Sat, 9 Nov 2002 10:51:28 +0100
Ref.: «Re: [ox] Krampfhafter Mangel / DRM»
Matthias Teege
(2002-11-08, 17:44:05 [PHONE NUMBER REMOVED], KW 45/2002)
... Ich habe vor einigen Tagen mit einem Rechtsanwalt gesprochen,
der sämtliche Computer aus seinen Büros entfernt hat und jetzt
wieder mit Schreibmaschinen arbeitet. Er konnte das Ergebnis noch
nicht in Zahlen fassen aber er meinte der Effekt wäre
atemberaubend. Er berichtete mir nebenbei begeistert den
technischen Fortschirtt auf dem Gebiet der Schreibmaschinen. Im
Moment testet er sogar ob er einen Kopierer durch den Einsatz von
»Durchschlagpapier« einsparen kann.
Hi Matthias!
Das finde ich ziemlich interessant: technischer Rückschritt als
Instrument zur Effektivitätssteigerung...
Mich würde jetzt vor allem interessieren, wo genau die Einsparungen
herkommen. Spontan fallen mir da folgende Faktoren ein:
1. Anschaffungskosten (dürfte nicht zutreffen, da die
fortgeschrittenen Schreibmaschinen wahrscheinlich nicht ganz billig
sind (im Vergleich mit älteren, aber als Schreibmaschine durchaus
tauglichen Computern) und er ja vorher Computer gehabt hat, die
Schreibmaschinen also finanziell eine Zusatzanschaffung waren.)
2. Wartungskosten (Minus für den Computer aufgrund schlechter Qualität
von Hardware / Software -- dürfte an sich auch nicht so sehr ins
Gewicht fallen, wenn man die Nutzung des Computers auf die
Funktionen einer Schreibmaschine reduziert, oder?)
3. Eindeutige Ordnung im Büro statt Chaos im Netzwerk aufgrund
mangelnder Übung mit (dem) elektronischen Ablagesystem(en) -- jetzt
kommt wieder *alles* in die Karteikästen.
4. Weniger Experimentiermöglichkeiten für die Arbeitskräfte in der
Verrichtung der eigentlichen Arbeit: der Funktionsumfang einer
Schreibmaschine ist wohldefiniert, dadurch reduzieren sich
Zeitverluste durch Experimentieren, durch 'Probleme' (wie macht man
denn das oder das), welche oft zu stundenlangem Nicht-'Arbeiten'
des eigentlichen Anwenders und mindestens eines anderen
Mitarbeiters oder sogenannten 'Experten' führen...
5. Weniger Ablenkung der Mitarbeiter durch diverse nicht direkt
arbeits-bezogene Versuchungen, die ein Computer mit sich bringt...
Ich habe den Verdacht, daß vor allem die letzten drei Faktoren den
Unterschied ausmachen, wobei mir scheint, daß der Grund für Punkt
3. (und teilweise für Punkt 4.) in der mangelnden Praxis
bzw. Gewohnheit im Umgang mit dem Medium gesucht werden kann
(Qualifikation, allgemeines 'Bildungs'-niveau).
Bei Punkt 4. und Punkt 5. würde ich aber den Knackpunkt vor allem in
der Möglichkeit zur Eigenaktivität sehen, welche der Computer im
Gegensatz zur Schreibmaschine aufweist. Das klingt so wie der Übergang
vom Handwerk (oder flexiblen Formen der unmittelbaren Kooperation
allgemein) zum Fließband -- Verarmung der Tätigkeit im Sinne der
Vereinfachung der benötigten Handgriffe, Mechanisierung der
menschlichen Arbeitsgänge... (back to Taylor & Co.)
Gruß, Casi.
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