Message 05755 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT05345 Message: 84/91 L7 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Macht und Verantwortung (was: Re: [ox] Zum Begriff der Herrschaft)



Hi Guido und Liste!

2 weeks (17 days) ago Guido wrote:
Vielleicht ist das Wort Macht zu negativ belegt.

Meine Rede.

Um aus diesem Dilemma
zu entkommen führen wir entweder verschiedene Dimensionen von Macht ein,
oder wir suchen nach Unterschieden.

Eine Begriffsklärung ist definitiv angesagt. Wir sammeln hier seit
mittlerweile ziemlich geraumer Zeit Elemente dafür :-) .

Ich habe die vorhergehende Diskussion nicht mitbekommen, weil ich erst
seid einigen Tagen auf der Liste stehe, deshalb kann es sein, dass ich
jetzt verschiedene Dinge wiederhole, die schon längst abgehandelt sind,
vielleicht aber auch nicht...

Und selbst wenn es so wäre ist das nicht unbedingt ein Problem. Schon
oft hat das Aufwärmen alter Threads neue, interessante Einsichten
gebracht. Manche Themenkomplexe brauchen auch einfach eine gewisse
Zeit zum Abhängen - da kann schon mal locker ein Jahr ins Land gehen.

Nach meinem persönlichen Empfinden hängen Macht und Verantwortung eng
miteinander zusammen, ja bedingen sich.

Ich würde hier differenzieren. Macht an sich hängt erstmal nicht von
Verantwortung ab. Bush hat Macht, handelt aber verantwortungslos (was
mit Blick auf das Völkerrecht selbst echte Liberale eingestehen
müssen).

Was du m.E. meinst ist die legitime Macht. Die hängt auch nach meinem
Dafürhalten äußerst eng mit Verantwortung zusammen. Die Verantwortung
bezieht sich hier auf die Legitimitätsgrundlage. Um beim obigen
Beispiel zu bleiben: Bush hat sich auf das Völkerrecht zu beziehen,
wenn er in diesem Rahmen legitim Macht ausüben will. Oder für
Freie-Software-Projekte: Die MaintainerIn hat sich bei all ihren
Handlungen am Wohl des Projekts zu orientieren, da dies ihre
Legitimitätsgrundlage bildet. Was das Wohl im Einzelfall genau ist,
ist dabei nicht ohne weiteres klar - aber das beschädigt nicht den
grundsätzlichen Punkt.

Verantwortung wiederum hängt eng
mit den Tu-Wörtern (Betonung liegt auf Tun) können und wollen zusammen.

Und mit Antwort - steckt sogar im Wort.

Nur derjenige, der vor einer Sache Ahnung hat (können) und auch Zeit und
Muße findet (wollen) kann seiner Verantwortung gerecht werden.

Definitiv. Fähigkeit ist eine Voraussetzung für verantwortliches
Handeln.

Maintainer verkörpern diese Einstellungen zu ihrer Sache und übernehmen
als solche die Verantwortung für die Sache. Das damit auch die Ausübung
von Macht verbunden ist, liegt in der Natur der Sache und zwar in
zweifacher Hinsicht:

1. Sie Verantworten den Prozess und sein Gelingen. Damit setzten sie
sich zumindest selbst unter Druck, weil sie ein Projekt zu ihrer Sache
machen und die Energien, die dafür verwendet wurden nicht verloren gehen
dürfen, sowohl ihre eigenen, als auch die des Teams

Zumindest wirken sie verantwortlich an diesem Prozess mit. Andere
EntwicklerInnen tun das nach meiner Lesart durch ihre Beiträge auch.

2. Sie sind in der Regel Initiator und Maintainer gleichzeitig und damit
geht es vor allem um die intrisische Motivation, die ja bekanntlich
stärker ist als alle anderen künstlich herbeigeführten Motivationsgründe.

Dem würde ich gefühlsmäßig zustimmen. Aber ich habe noch keine
theoretische Begründung dafür, dass andere, die später zum Projekt
stoßen, da eine andere Stellung haben. Aber vielleicht ist es
tatsächlich einfach der Punkt des Projektinteresses. Später
Hinzukommende können ja ein ähnliches Interesse entwickeln wie die
MaintainerIn. Dann ist die intrinsische Motivation auch bei denen
gegeben.

Beides führt dazu, gute Entscheidungen treffen zu müssen. Da häufig der
demokratische Weg mit Kompromissen (also ein bischen davon und ein
bischen davon) verbunden ist, der Prozess erheblich verlängert wird, hat
sich meiner Meinung nach die Gemeinde bei der Entwicklung von z.B. Linux
dazu entschlossen, Lösungsangebote an den Maintainer zu machen, in der
Hoffung, ihre Lösung ist die vernüftigste.

Es gibt wohl auch demokratische Modelle in der Freien Software.

Aber ich würde dir zustimmen, dass Kompromisse manchmal schlechtere
Lösungen sind, als eine der Reinlösungen. Außerdem sind sie
niemenschens Selbstentfaltung mehr, sondern letztlich das Ergebnis
eines Machtkampfs. Ein guter Entwicklungsprozess versucht m.E. die
Selbstentfaltung aller zu gewährleisten und ist daher tendenziell an
Konsenslösungen interessiert (Konsens = KeineR muss mehr
widersprechen).

Mit Freiheit oder Unfreiheit hat das also wenig zu tun (weil mein
Handeln selbst ja nicht eingeschränkt wird), Macht heißt nicht, die
Freiheit des Anderen einzuschränken, sondern bedeutet, Entscheidungen
treffen zu können, ohne Kompromisse machen zu müssen.

Es gibt, denke ich, schon beide Seiten. Dann sprechen wir von einem
Konflikt.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


[English translation]
Thread: oxdeT05345 Message: 84/91 L7 [In index]
Message 05755 [Homepage] [Navigation]