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Re: [ox] EuroMold - spannender als LinuxTag



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Liebe Liste,

gerade fahre ich von der EuroMold nach Hause. Es war *superspannend*!!

Hi Stefan, wo warst Du?

Ich war gegen 11 Uhr an allen möglichen Eingängen.

Das Ganze fühlte sich an wie ein Besuch in der Zukunft :-) . Was wir
hier über Fabber / Rapid Prototyping / Rapid Tooling nachdenken - dort
war es Realität.


* 3D-Messmaschinen

  Eine sehr interessante Maschinengattung fand ich die
  3D-Messmaschinen, die es in allem möglichen Formen und Größen gab.

  Solche Maschinen werden u.a. zum Reengineering verwendet - was die
  Hersteller auch ganz offen so sagen. Das verwundert mich als
  Softwerker deswegen, weil Reengineering für mich wie Disassemblieren
  klingt - und das ist bei (proprietärer) Software i.A. streng
  verboten. In der materiellen Welt sieht mensch das aber offenbar
  lockerer und es wurde z.B. hervorgehoben, dass damit eine Form
  dauerhaft gespeichert werden könne.


Nun dass ist auch verständlich. Es gibt schlichtweg Maschinen mit 30 Jahren
Laufzeit in denen ein Teil kaputt geht. Allerdings gibt es den Hersteller
nicht mehr, oder er hat keine Pläne mehr oder keine Zeit / Lust  mehr  oder
macht die Ersatzteile so teuer (Faktor 10 ist wohl normal), dass man andere
Lieferanten suchen muss. Früher wurden die Teile per Hand aufgenommen, heute halt
mit 3-D-Maschinen.


* Fräsmaschinen

  An ca. jedem dritten Stand waren Fräsmaschinen zu sehen. Die Dinger,
  wie ich sie ähnlich neulich schon mal beschrieben hatte - da war es
  wohl allerdings eine Drehmaschine. Oh, ich kenne mich zu wenig mit
  den Details aus ;-) . 

(Beim Drehen bearbeitet man in der Regel rotationssysmmetrischen Körper,
welche gedreht werden und das Werkzeug herangeführt wird , während bei
Fräsmaschinen idR flächige Körper mittels eines drehenden Werkzeuges an der Oberfläche
bearbeitet werden. Löcher machen nennt man dann Bohren. ;-))


  Die Fräsmaschinen gab es ebenfalls in Größen vom etwas groß
  geratenen Mikrowellenherd bis hin zur realen Größe eines Autos. Sie
  fräsen aus verschiedenen Materialien Formen heraus. 

Es gibt Fräsportale, die sind 20 und mehr Meter lang.

* Industrieroboter

Die fand man häufig bei der Hannover Messe (Kuka, Faun und so).(2003 wollen
die wohl nicht - zu wenig Kundschaft?!) Bei aktuellen James Bond arbeiten
drei Kuka-Roboter mit.
Die Euromold ist die falsche Messe für Industrieroboter.



* Silikonform im Vakuum

* Laser-Sintern

  Noch beeindruckender fand ich die Ergebnisse, die mit
  Laser-Sinter-Technik erzielt werden können. Hier wird ein feines
  Pulver Schicht für Schicht von einem Laser an den gewünschten
  Punkten erhitzt, so dass es schmilzt und mit der darunter liegenden
  Schicht verschmilzt. Am Ende kommt dann ein Block mit Pulver raus,
  in dem das gewünschte Objekt praktisch eingebettet ist. Ist ein
  bisschen wie ein Wunder ;-) (woraufhin mein Gesprächspartner
  übrigens meinte, dass es sich nicht um ein Wunder, sondern nur um
  Technik handele ;-) ).

  Auch die Firma, wo ich ein kurzes Gespräch geführt habe, macht
  übrigens Lohnfertigung - d.h. Kunde liefert Daten und sie
  materialisieren auf ihren Maschinen. Sie hatten dort ein Schachspiel
  stehen, dass sie aus Jux (d.h. Selbstentfaltung :-) ) mal entworfen
  hatten. Dieses Schachspiel (d.h. 32 Figuren) läge so ca. bei 300EUR.
  Auch (noch) nicht wirklich billig, aber in besonderen Fällen
  durchaus interessant. Und dafür, dass du dir wirklich
  super-exklusive Spielfiguren bauen kannst, könnte ich mir
  vorstellen, dass SchachliebhaberInnen hier evt. sogar bereit wären
  zu zahlen.

  Bei den Objekten, die sie dort ausgestellt hatten, wurde auch
  nochmal klar, was mit Schichttechnik machbar ist. So war der Turm
  des Schachspiels im Innern mit einer winzigen Wendeltreppe(!)
  versehen - und oben eine Plattform auf dem Turm. Das ist bei einem
  Teil aus einem Stück mit einer anderen Technik wohl gar nicht
  möglich. Auch faszinierend fand ich eine Kette, die so wie sie war,
  als Kette gefertigt wurde - d.h. nicht die Kettenglieder einzeln
  gefertigt und zusammengesetzt, sondern alles auf einmal hergestellt.

  Auch auffallend bei dieser Technik: Die Korngröße des verwendeten
  Pulvers liegt bei 50 Mikrometern. 

Bei der Firma EOS (Marktfüher der Sintertechnologie) arbeitet man mit
Schichtdicken von 20 Mikrometern.
Hier erhielt ich auch eine Kabelschelle, welche in Serie hergetsllt wir,
zwei einfach Lager beinhaltete und billiger war als normales
Installationsmaterial aus dem Baumarkt.
Auf den Maschinen werden entweder serienreife Kusnstoffteile, oder Formen
für Spritzguss gefertigt (P-Reihe), bzw. Metallteile direkt gesintert, die in
Werkzeugen (auch Druckguss, wenn auch nur für kleine Serien) oder direkt als
Bauteil gefertigt werden. EOS will auch weg vom reinen Prototyping hin zum
Serienmaschinenhersteller. Kostenpunt einer Polymermaschinen, ca. 350000 Euro.

Dagegen gibt es einen RapidPrototyper fürs Büro für 45 000 Euro einer
anderen Firma für den Bereich Design und Konstruktion. Hier wird nicht gesintert
sondern mit Stützschicht (brauner Kunsstoff) und objektkunststoff (weiss)
gearbeitet. Die Stützschicht wird ausgewaschen und kann einfach über die
Kanalisation entsorgt werden. Auch hier werden bewegliche Teile  hergestellt. 
Allerdings sind die mechanischen Werte bei weitem nicht so, dass sie als
Serienteile verwendet werden könnten.

* Spritzgusstechnik



* Metallsintern

  Definitiv in Schichttechnik hergestellt werden aber die Metall-Tools
  einer Firma. Diese Tools haben eine hohe Haltbarkeit und können so
  auch in Großserie eingesetzt werden (z.B. 50,000 Stück). Ein
  extremes Beispiel war ein Tool für einen Golfball, das für mehr als
  20,000,000 Golfbälle zum Geburtsort wurde.

  Mit dieser Technik ist es also möglich, direkt aus den CAD-Daten
  haltbare Tools zu generieren, die dann in einer Spritzgussmaschine
  für die Erzeugung entsprechender Objekte verwendet werden können.
  Wenn ich es richtig verstanden habe, dann bestimmen vor allem die
  Tools das Produkt. D.h. die Spritzgussmaschine selbst kann jederzeit
  auf ein anderes Tool umgerüstet werden und etwas anderes
  produzieren.


Genau, Du warst bei EOS. Mittels Prototyping werden schnell Formen
hergestellt, die dann in seit Jahrzehnten bewährten Maschinen, dann ihren Einsatz
finden. 

Das Zeitproblem:

Ein Zeitdieb ist das Aufwärmen der Maschinen (bei MEtall werden Temperaturen
bis 500°C erreicht.)
Ein weiterer ist beim Sintern, die Verfahrzeit des Recoater oder Befüllers,
der das Metall oder Polymerpulvers Schicht für Schicht aufträgt (Schichtdicke
20 Mikrometer). Je nach Komplexität werden alle 20, 40 oder 60 Mikrometer
der Laser in Gang gesetzt. Dadurch kann es auch schneller gehen. Man kann in
einer Kammer auch mehrer Kleinteile ohne wirklichen Zeitzverlust herstellen, da
der Recoater immer den ganzen Weg fahren muss, während so ein Laser sehr
schnell alles erhitzen kann.


Werkstoffe:

Je nach Herstellungsverfahren kann man Metalle, Polymere, Polymere mit Glas
oder mit Alu sintern.
Auch Sand wird gesintert (für Kerne bei Sandgussformen).

Es gibt auch Metallsinterer die unecht sinter (so würde ich es nennen). Die
haben nämlich harzgetränktre Metallkugeln und verbinden das Harz
untereinander und lösen dies später hinaus um es durche einen anderen Stoff zu ersetzen
(hier habe ich irgendwie verpatzt nachzufragen :-( )
Das Metall wird nicht direktz verbunden.


Werkstückgröße:

Die Größte Maschine die ich sah könnte Teile von ca. 700 * 380 * 580 (Eosint
P 700) aufbauen.
Die größte Metallsintermaschine war 250*250*200 groß.

Es gibt noch keinen Bedarf für größere Maschinen. Ein wichtiger
Technologiefüher in der Anwendung ist im übrigen die Formel 1 Industrie.

Meine These, dass Rapid Tolling den Maschinenbau verändern und prägen wird
wie der Kopierer die Bürowelt seit ca. 20 Jahren, wurde entweder positiv
erstaunt oder bejahend bestätigt.

* Vision

  So, nach den ganzen Eindrücken noch ein paar Takte zur Vision.

  Mehr als je zuvor bin ich davon überzeugt, dass auf diesem Sektor
  der materielle Weg in die Zukunft liegt - der kapitalistische auf
  jeden Fall, aber auch und gerade der emanzipatorische. Auf einer
  Messe wie der EuroMold wird sichtbar, was es mittlerweile auf dem
  materiellen Sektor an Potential gibt, das voll kompatibel zur Logik
  Freier Software ist und die Verschiebung des Schwerpunkts der
  materiellen Produktion *kräftig* in Richtung der
  Informationsproduktion verschiebt. Mehr denn je habe ich den
  Eindruck, dass auch hier die ganz innerkapitalistische
  Produktivkraftentwicklung in eine Richtung geht, die eine andere
  Welt, die wesentlich auf der Informationsproduktion - und damit auf
  der Selbstentfaltung der Menschen - beruht.

  Mein Eindruck ist, dass die meisten dieser Materialisierer *selbst*
  auf einer verhältnismäßig einfachen und überschaubaren Technik
  basieren. So ein 3D-Drucker insbesondere ist im Grunde einem
  Tintenstrahldrucker nicht so unähnlich. 

Das Know How liegt im Verfahren und der Werkstoffwissenschaft. Das heißt die
Materialien sind wichtig! Die Mechanik ist bekannt, die Anstzeuerung und die
Auswertung der 3D-Daten macht den Rest an KnowHow.

Wahrscheinlich gilt bei den
  meisten Materialisierern, was ChristofB auf der Oekonux-Konferenz
  als These genannt hat: Die allermeisten Teile sind Standardteile und
  nur ganz wenige Teile sind sehr speziell - beim 3D-Drucker
  vermutlich der Druckkopf.

  Wenn ich jetzt mal die Analogie zur Freien Software weiterspinne,
  dann wäre es so langsam an der Zeit, dass das RMS-Analogon unter den
  Maschinenbauern aufsteht und sagt: "Ich will eine Freie
  Rapid-Prototyping-Maschine haben!" und das Projekt ARM (ARM is a
  Rapid prototyping Machine) gründet, das das Ziel hat, einen Freien
  Entwurf mit möglichst vielen Standardteilen zu erzeugen. 

Dafür sind die Maschinenbauer zu kulturkónservativ.

Wäre diese
  erst mal da, so könnte sie selbst die Spezialteile fertigen - oder
  zumindest vorbereiten - die für sie gebraucht werden. Sie könnte
  sich quasi selbst reproduzieren :-) .


Das Material erhält man derzeit wohl nur über die Maschinenhersteller!!! Die
Materiallieferanten haben sich mit den Maschinenherstellern
zusammengebunden.
Also: MAschine = Computer, Material= Software?


  Aber auch die heute schon existierenden Maschinen sind locker dazu
  in der Lage, eine Community mit Spezialteilen zu versorgen. 

Das geht auch mit konventioneller Technik.

Oder -
  wo das immer noch zu teuer ist und auch das wohl immer noch nötige
  Know-How fehlt - eben entsprechende Teile in Lohnfertigung
  herstellen lassen. Das einzige, was dazu nötig wäre, ist eine gut
  organisierte Datenbank im Internet, die erfolgreiche Designs zur je
  eigenen Verwendung bereithält - so wie die FSF die GNU-Software
  bereithält.

  Eine solche Rapid-Prototyping-Maschine stelle ich mir als einen
  Ergänzung, vielleicht sogar als Ersatz für die handwerkliche
  Werkstatt vor, die viele Leute aus Hobbygründen einrichten.

Denk ich auch.



  Wenn ich nochmal neu drüber nachdenke, dann kommt mir auch eine
  Parallele zum Übergang aus dem Feudalismus in den Kapitalismus. War
  es damals nicht so, dass z.B. die Erfindung des Kunstdüngers aber
  auch die Bergwergstechnik die vormals den Gesamtprozess
  beherrschende Bearbeitung des Bodens revolutioniert haben? Und die
  Bearbeitung des Bodens damit gleichzeitig zum Anhängsel der
  industriellen Produktion machten? Und damit selbst zum Katalysator
  für die bürgerliche Gesellschaft wurden? M.E. haben die heute
  entwickelten Maschinen in den Bereichen, die auf der EuroMold
  ausgestellt waren, das gleiche Potential für die industrielle
  Fertigung.

Meine These: Der Maschinenbauer ist der Bauer des 21. Jh.. Er wird auf einen
Lohnfertiger gestutzt, die Weiterverabeitung /Montage und Adaptionen wird
immer wichtiger. Normteile und so lasten die Maschinen nur noch aus und können
nur noch Familöienbetrieb mehr schlecht als Recht ernähren.

 Interessant auch der universalistische Faktor dieser
  Technologien: Abgesehen von einigen Materialfaktoren spielt es für
  einen Laser-Sinterer praktisch keine Rolle mehr, was genau
  inhaltlich für ein Produkt hergestellt werden soll. 


Tschö MAWI

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