[ox] Kriterien fuer interessante/emanzipatorische Technologie
- From: f.nahrada magnet.at (Franz J. Nahrada)
- Date: Sat, 28 Dec 2002 14:49:00 +0100
liste oekonux.de (Stefan Mn) writes:
Was ich aber wichtig fände: Was wären im Oekonux-Sinne Kriterien an
Technologie? Oder anders formuliert: Welche Kriterien muss eine
Technologie (heute) erfüllen, um emanzipatorisches Potenzial zu haben?
super-gute Frage! Das sind die Fragen wo wir jetzt weitermüssen!!
sie zu stellen ist enorm wichtig, s.u.
Teilweise hat sie ja Thomas Berker schon versucht in den Griff zu kriegen.
Diese Frage mit einem Katalog von Kriterien zu beantworten ist sicher
nicht leicht. "Aus Segen Fluch, aus Wohltat Plage" gilt sicher nirgends
mehr
als im Bereich von Technologien. Ein Solarauto kann eine Supertechnologie
sein, wenn dadurch der allgemeine Autowahnsinn verstärkt wird tritt eben
das ein, was manche als "Rebound-Effekt" bezeichnen. Sicherlich auch
ein Grund warum Oscar nicht wirklich was wurde: OSCAR war nicht
"eingebettet" in eine nachhaltige Strategie.
Andernthreads habe ich gestern versucht, an Greffraths Artikel zu
erinnern, der schön zeigt, wie das "empowerment" in Abhängigkeit umschlägt.
Also dieses "du sparst Dir Zeit und Mühe" Argument mit den letztlich
sechs Saucen oder auch der ganze Multimediazirkus mit dem konkreten
Bebildern und der Zerstörung von Abstraktionsfähigkeit wird schon
von vielen als anti-emanzipatorisch erlebt, obwohl es ja auch als Befreiung
empfunden wird, wenn einem Technologie plötzlich das Gefühl gibt, ohne Mühe
Dinge tun zu können, die man vorher nicht konnte.
Also ist eben neben der kurzfristigen Möglichkeit etwas zu tun, was man
vorher nicht konnte, auch ein Rattenschwanz von Folgewirkungen
mitzubedenken.
Gut.....
Was PRIMÄR auffällt, ist daß wir keine Theorie davon haben, wir haben zwar
eine
ISO9000, aber offensichtlich taugt die nichts für unsere Fragestellung.
Warum,
kann man auch einmal diskutieren, vielleicht hier nur soviel: ein Begriff
der Qualität als "Add-On" zu einem Vorgang hat rein deklamatorische
Marketing-
funktion, entspricht entspricht dem Wunsche des repräsentativen
Unternehmens,
lokal (für sich) Dysfunktionalität auszumerzen, und pure Reibungslosigkeit
des Getriebes herzustellen und sich dies mit einem entsprechenden Label
sanktionieren zu lassen. Welche Externalisierungsketten da in Gang gesetzt
werden, ist im Qualitätsmanagement kaum erfaßt.
Was wäre demgegenüber eine grobe Außenbeschreibung der Theorie, die uns da
offensichtlich fehlt? Das Fehlen dieser Theorie zu konstatieren ist
übrigens
"enormes Bewußtsein"! Ich möchte für den von StMn geforderten
Kriterienkatalog
den Terminus "Qualitative Ökonomie" für diese fehlende Theorie einführen,
um der
physikalisch - technischen oder der betriebswirtschaftlichen Reduktion
einen
Riegel vorzuschieben.
Also von vorneherein dem Umstand Rechnung tragen, daß
Technologie eingebunden ist in ein menschliches Handlungs-
system mit Schnittstellen etc. Thomas hat ja einiges davon
vorweggenommen, indem er auf Aneignung, Einbettung und
Sinngebung verwiesen hat. Ich glaub aber nur daß er nicht das
gesamte Feld erfaßt hat, sondern eher nur den Anwender-
aspekt.
Na gut, und wie sähe dann die grobe Gesamt - Architektonik einer
solchen "qualitativen Ökonomik" aus? Ganz einfach so:
Grundsätzlich geht es um 2 Aspekte: einerseits soll die einzelne
Technologie nicht nur für einen singulären Prozeß relevant sein,
sondern in ihrer Gestaltung auf andere Prozesse abgestimmt sein.
Davon steht schon vieles bei Thomas B)
Die Grundkriterien hießen hier zum Beispiel
-einfach (inkl. accessible)
-stabil (das berühmte "verläßlich" oder "accountable")
-multifunktional
-verträglich, unaufdringlich
Man könnte hier, wenn man will, vom "User-Aspekt" der Technologie sprechen,
aber eigentlich ist der Begriff des "Anwenders" ziemlich Inhaltsleer und
betrifft
gerade nicht die komplexeren Bezüge, die in diesem "System der Qualitäten"
angesprochen wären. Vielleicht muß hier auch noch sehr kräftig
differenziert
werden. Als gutes Beispiel fällt mir die Notebookfirma ein, wo Du den
Deckel
abschrauben und an jedes herkömmliche Photostativ anschrauben kannst,
und Du hast plötzlich sagenhafte Freiheitsgrade der Konfiguration.
Qualitative Ökonomik würde also die Qualitäten (Gebrauchsweisen) der
Dinge beschreiben, wie sie mit anderen Dingen interagieren, wie sie mit
Menschen und Menschen mit ihnen interagieren etc. Sind sie Zeiträuber,
machen sie uns wirklich freier, klüger, glücklicher etc...??
Andererseits soll Technologie auch wesentlich der Erweiterung, Entwicklung
und kreativen Anpassung dienen, dem was man gemeinhin "Fortschritt" nennt.
Es geht also um Verfügbarkeit, Ausbaubarkeit, Gestaltbarkeit, Modularität
- also die Qualitäten die ich auch bei Digitaler Kreativität angeführt
habe:
- Der Bauplan ist offen
- Weiterentwicklung ist möglich, indem mir alles was ich brauchen kann zur
Verfügung steht, und ich nur Module austauschen oder Funktionen neu
gestalten muß
- Ich selbst bedenke die Fähigkeit anderer zur Weiterentwicklung meiner
Entwicklung mit..
Qualitative Ökonomik wäre also hier ein System der Selbstbestimmung und
Selbstentfaltung.
Vielleicht gibt uns dieser doppelte Ansatz einen tragfähigen Boden, auf
dem wir uns bewegen können, ohne daß es uns immer gleich in die eine oder
andere Richtung schleudert.
Eine qualitative Ökonomik wäre auch freizuhalten von Opportunismus, wie er
bei Thomas positiver Aufnahme des "Freund-Feind" Schemas
durchschimmert..;-)
Franz Nah.
PS
Ist das tragfähig? oder banal?
Wills wer weiterentwickeln?
An Beispielen durchspielen?
Opentheory?
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