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Re: [ox] Re: Interessengruppen und Klassen



Stefan Merten wrote:

Du hattest es selbst andernmails nochmal gesagt: Die AutofahrerInnen
über die RadfahrerInnen. Hier werden von Außen - nämlich von den
AutofahrerInnen - Attribute an konkrete Menschen herangetragen -
nämlich die RadfahrerInnen. Da sah ich den Kern der Entfremdung: Da
das von Außen Herangetragene eben nicht mehr einer konkreten
Willensäußerung entspricht, ist es den RadfahrerInnen gegenüber eben
fremd / entfremdet.

Ehm, ist es der Autofahrer der einen Radfahrer zum Radfahrer macht ?
Ist es der Radfahrer, in dem er seinen 'Willen "aussert' ?

Dieses Herangehen l"asst mich an Casimirs Bemerkung zu Begriffen denken:
Begriffe als Widerspiegelung von Realit"at, sind damit in erster Linie
von der Realit"at selbst bestimmt, und erst in zweiter Linie von unserer
Erkenntnis.
Ein Radfahrer ist ein Radfahrer, weil er rad f"ahrt. Ausser dieser
Aktivit"at braucht es nichts (weder von ihm noch von irgendwelchen
Autofahrern, um ihn erst dazu zu machen), d.h. 'Wille' spielt hier kaum
eine Rolle.
Und indem er ein Radfahrer ist, hat er ('per constructionem') auch
bestimmte 'objektive' Interessen. Auch die sind niemandes Willen
untergeordnet.

Und wieso m"ussen
sich Menschen dazu entscheiden ?


Weil ich auf der Grundlage einer Willensäußerung - aka Entscheidung -
eine andere Basis für mein eigenes Handeln im emanzipatorischen Sinne
habe, als wenn diese Willensäußerung nicht vorliegt.

Stimmt. Wenn ich mir meiner objektiven Interessen bewusst werde, kann
ich auch zumindest mittelbar darauf Einfluss nehmen. D.h. ich kann
versuchen mich bestimmten gesellschaftlichen Relationen auszusetzen
oder zu entziehen, weil ich verstanden habe, wie das meine Interessen
teilweise determiniert. Das ist in der Tat ein hochinteressanter
emanzipatorischer Prozess.

Wenn "die
AutofahrerInnen" jetzt also Maßnahmen für oder gegen "die
RadfahrerInnen" ergreifen, dann kann das mit dem Willen "der
RadfahrerInnen" übereinstimmen - oder eben nicht. Im letzteren Fall
wäre dies dann eine Beschränkung von Handlungsmöglichkeiten, die nicht
selbstgewählt ist und von daher mal anti-emanzipatorisch.

Ich denke hier musst Du aufpassen und klar zwischen 'Interesse' und
'Wille' unterscheiden.

Das Wort 'Entfremdung' hast Du schon mehrmals benutzt, und immer
habe ich mich gefragt was Du damit meinst.


;-)

Na, auf jeden Fall ist es mein momentaner Lieblingsbegriff.

...hab' ich gemerkt ;-)


Konkret: Die Gruppe der RadfahrerInnen wird für mich erst dann in
emanzipatorischem Sinne diskutierbar, wenn sie sich als solche
konstituiert hat. Über Freie-Software-EntwicklerInnen im Allgemeinen

hmm, und wie kann sich die Gruppe konstituieren ? Oder besser: woraus ?


Nun wie sich Gruppen eben so konstituieren. Vor allem durch einen
entsprechenden Beschluss, der eine gewisse Öffentlichkeit braucht.

ok, das ist nun ein ganz spezieller Gruppenbegriff, der nicht direkt
an den von Casimir vorgeschlagenen gekoppelt ist.

BTW: Wenn ich das irgendwo richtig aufgeschnappt habe, dann werden
solche Menschengruppen, die durch gemeinsame Merkmale gekennzeichnet
sind, wohl in manchen Sprachspielen als soziologische Gruppen
bezeichnet.

naja, von Soziologen eben ;-)

Im Ernst: es kommt doch dann immer darauf an, was das f"ur Merkmale
sind, d.h. welche Dom"ane man damit beschreiben will. Ein "Okonom
wird eher nach Relationen wie 'Produktionsverh"altnissen' oder so
suchen, und die Menschen danach klassifizieren (oder nicht :-).
Damit kommt man dann eben zu einem (politisch / )"okonomischen
Klassenbegriff.

Ja, der Begriff der Institution hängt hier sicher irgendwie mit drin.
Kam ja schon in den Debatten mit ThomasBe zu Adorno auch zur Sprache.
Eine Institutionalisierung der Gruppe ist aus meiner Sicht vor allem
eine Verfestigung einer bestehenden Struktur.

na erstmal eine bewusste / kreative Anerkennung einer bestehenden.

Ja. Wie gesagt, ich bin hier auch nicht so richtig sicher. Ok,
vielleicht macht das Sinn: Eine Interessengruppe kann es auch vor
deren expliziter Institutionalisierung geben. Bei Freier Software z.B.
die Zeit, als es den Begriff "Freie Software" noch nicht gab.

Im emanzipatorischen Sinne problematisch wird es eben dann, wenn von
Außen solche Zuschreibungen vorgenommen werden. Dann trampelt es über
die Leute tendenziell hinweg. Hier ist also maximale Vorsicht und
haufenweise Korrektive nötig.

mit dieser Generalisierung bin ich nicht einverstanden. Muss ich Dich
erst um Dein Einverst"andnis fragen, bevor ich Dein nat"urliches
Interesse nach Sauerstoff zum Atmen oder sauberes Wasser konstatiere ?

Gruss,
		Stefan (S)


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