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Re: [ox] Interview mit Andre Gorz



liste oekonux.de writes:
Hier ein Interview mit Andre Gorz zu seinem neuen Buch, das in weiten
Strecken wie ein Oekonux-Pamphlet klingt:

http://www.woz.ch/wozhomepage/26j03/gorz26j03.html

Grüße, Benni

Ein schöner Gleichklang, auch mit dem was von Krisis-Seite
eben grade hier zu lesen war....das freut!!

Ein gewisser Grundkonsens ist so mal umrissen, auch wenn die
"politische Ökonomie des Wissens" bzw. die Kritik der politischen
und physischen Ökonomie der monopolisierten Information 
erst geschrieben werden muß. Aber es gibt doch wieder, nach
völlig irren Zerfallserscheinungen, eine "Perspektive" 
theoretischer Kohärenz und Weiterentwicklung. Ich wünsch
mir daß sich Oekonux damit auch weiterentwickelt, dieser
Theorieentfaltung Raum gibt, sie dokumentiert etc.

Was ich mir genauer wünsche in diesem Zusammenhang:

Erstens genauere Explikation der Begriffe Wissen und Information
Bei Gorz ist auch ein Satz drinnen, der mir bei Ernst Lohoff gefehlt hat,
nämlich daß "Wissen.... ganz unterschiedliche Dinge bezeichnet"....
Es gibt hier eine unglaubliche Bandbreite, die mit dem Begriff
"Wissen" nur unzulänglich erfaßt ist. Vor allem die spezifischen
Charakteristika der Digitalisierung lassen sich mit diesem Begriff
nicht fassen. McLuhan hat immer wieder darauf hingewiesen, daß das
elektrische Medium einerseits Symbole transportiert, andererseits
Kraft - und daß diese Doppelnatur auf der Gebrauchswertseite
zu einer  Fülle von neuen Erscheinungen führt liegt auf der Hand.

Es gehört also die Spannung von Wissen und Information dargestellt.
Information heißt "Ablösbarkeit der Form", sowohl nach der
Seite des Wissens, als auch nach der Seite der "Gußform", der
automatischen Wiederherstellung und Reproduktion des 
Gegenstandes. 

Brisant wird die Geschichte für den Kapitalismus vor allem
dadurch, daß über Automatisierung der eigentliche Produktions-
prozeß seine zentrale Funktion als Produktionsprozeß von Wert
verliert. Wenn Form ablösbar und in hunderterlei Varianten
transportierbar ist, wenn Form genetische Form ist, also das
Produktionsprogramm impliziert,  dann ist einerseits der 
Wertbegriff in seiner Substanz theoretisch und praktisch
infragegestellt.

Andererseits lebt ja der Laden weiter, auch wertförmig.
Informationsrente nimmt dann z.B. die Form der Aufspaltung
des industriellen Profits an. Tendenziell autonome Produzenten
werden in verschiedenen Formen von "outgesourcter" Abhängig-
keit gehalten.Möglich wird das durch die spezifische Gestalt,
in der Wissen auftritt, als extrem zerstückeltes und partikulares.
Wissen ist in dieser Form Macht, Potential für Fremdbestimmung.

Das ist dann die zweite Bandbreite, die in die "politische Ökonomie
des Wissens" eingehen sollte, der Herrschaftscharakter von Wissen.
Um es mit der Perspektive von J.W. Smith auszudrücken
(http://www.ied.info/books/ed/intro.html#_Toc1808321)
die Wissensökonomie macht die subtilen Monopolisierungsstrukturen
sichtbar, die immer schon wesentlich das Funktionieren der
kapitalistischen Ökonomie prägten. Es löst sich, um ein Wort
von Marx zu paraphrasieren, der Aspekt der Plünderung vom
Aspekt der Versorgung und tritt rein(er) hervor.

"Old Economy" heißt in diesem Zusammenhang übrigens nicht
die Rückkehr zum industriellen Kapitalismus, sondern ist 
eigentlich nichts anderes als die Erinnerung, daß politische 
Macht vonnöten ist, um Monopole aufrechtzuerhalten.
http://www.tzw.biz/www/home/article.php?p_id=2019
Diese richtet sich strategisch gegen die neue Produktionsweise,
ohne sie total negieren zu können. Der Weg der neuen 
Produktionsweise vom Ansich zum Fürsich, in dem wir mitten
drin stehen, ist voller generalpräventiver Hindernisse.

Übrigens, in diesem Zusammenhang:
Ansätze zum Kapitalismus hat es schon in der Antike gegeben; 
Optimismus, daß sich Keimformen so ohne weiteres durchsetzen
müssen, ist sträflich dumm.

Franz

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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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