[ox] TELEPOLIS: Das Datengitter
- From: helmuth.s gmx.li
- Date: Sat, 19 Jul 2003 22:32:44 +0200
Dieser TELEPOLIS Artikel wurde Ihnen
von <helmuth.s gmx.li> gesandt.
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Dann kann ich mit einem PIII 550 MHz weiter werkeln, ?
OpenSource4ever
Helmuth
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Das Datengitter
Mario Sixtus 19.07.2003
Das CERN war die Keimzelle des WorldWideWeb. Zünden die CERN-Forscher
nun die zweite Stufe der Medienrevolution?
Als im Jahre Neunzig des vergangenen Jahrhunderts Tim Berners-Lee am
Genfer Teilchenphysikforschungszentrum CERN [1] einen virtuellen
Schalter umlegte und das WWW in Betrieb nahm, fand dieses Ereignis
weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Nach Sensation
roch der Vorgang auch wirklich nicht: Eine neue Art von
Computernetzwerkprotokoll sollte es Universitäten und
Forschungseinrichtungen erleichtern, Dokumente und Dateien miteinander
auszutauschen und zu verknüpfen. Toll. So eine Meldung schafft es noch
nicht einmal im Sommerloch auf eine der letzten Seiten einer
Tageszeitung. Wer damals den Begriff 'Revolution' in den Mund genommen
hätte, hätte sich selbigen wohl gnadenlos verbrannt und wäre mit
Verständnislosigkeit und Kopfschütteln belohnt worden.
Technologische Revolutionen keimen meist im Verborgenen, bevor sie
ihren Siegeszug durch Büros und Wohnzimmer antreten. Das war bei der
Elektrifizierung oder bei der Erfindung von Telegraph und Telefon auch
nicht anders als bei der Einführung des WorldWideWeb, auch wenn
hinterher wieder alle Medienwissenschaftler den gesellschaftlichen und
kommerziellen Impact frühzeitig vorhergesehen haben wollen. Prognosen
funktionieren eben nur dann zuverlässig, wenn sie in die Vergangenheit
gerichtet sind.
Nächste Woche bietet sich nun die Möglichkeit einer Prognose, die in
die Zukunft gerichtet ist, und der Deja vu-Effekt ist nicht ganz von
der Hand zu weisen. Wieder ist das CERN in Genf im Spiel und wieder
geht eine neue Form von Computernetz an den Start. Traut sich diesmal
vielleicht jemand, 'Revolution' zu rufen?
Nach dem Web das Grid
Das Web ist eine tolle Sache. Dokumente, Grafiken, Film- und
Audio-Dateien können von Servern heruntergeladen werden und auf dem
eigenen Rechner betrachtet oder bearbeitet werden. Fein. Genau genommen
ist es das dann aber auch schon. Bei der Verarbeitung dieser Daten ist
der User nach wie vor auf die Leistung seines lokalen Rechners
angewiesen.
Selbst wenn der Webserver durch die Bereitstellung der Dokumente noch
nicht einmal zu einem Prozent ausgelastet ist und die eigene Kiste bei,
sagen wir mal, dem Abspielen einer hoch komprimierten Video-Datei schon
beängstigend zu knirschen beginnt, besteht keine Möglichkeit, dieses
Ungleichgewicht zu ändern. Selbst distributed computing, wie es
beispielsweise durch das SETI Home-Projekt populär geworden ist,
funktioniert nach dem gleichen Prinzip: Datenhappen saugen, durchkauen
und die Ergebnisse wieder ausspucken. Jeder kaut so schnell wie er
kann. Wahres 'verteiltes Rechnen' ist das nicht.
Mag dieser Nachteil für den Heimanwender, der brav alle zwei Jahre
seine alte Kiste auf dem Sperrmüll, äh, mittels Recycling entsorgt und
sich den jeweils nigelnagelneuen Aldi-PC unter den Schreibtisch stellt,
noch zu verschmerzen sein - Moores Gesetz sei Dank -, so ist dieser
Zustand für Wissenschaftler, die Datenberge durchzukauen haben, die
sich in komplett anderen Dimensionen bewegen, auf Dauer unhaltbar.
Forschungsbereiche wie Hochenergiephysik, Biologie, aber auch die
Erdbeobachtung benötigen Computerressourcen und Speichermöglichkeiten,
wie sie sich keine Institution alleine leisten kann. Allein die
Teilchenbeschleuniger im CERN werden demnächst jährlich bis zu zehn
Petabyte Daten produzieren (zehn Millionen Gigabyte), die der
Auswertung und Verarbeitung harren.
Weiß nun schon der Volksmund, dass geteilte Freud doppelte Freud ist,
so verhält es sich mit Computing Power im Grundsatz nicht anders.
Trotzdem hat The DataGrid [2], wie das von der EU mitfinanzierte
Projekt getauft wurde ( Vom World Wide Web zum World Wide Grid [3]),
sich einiges vorgenommen. Schließlich sollen die unterschiedlichsten
Zugangs- und Verwaltungsmöglichkeiten der angeschlossenen Rechner unter
einen Hut gebracht werden, um eine "einheitliche und für alle
Beteiligten transparente Steuerung zu ermöglichen". Bei den
verschiedensten Plattformen und Systemen, die da miteinander
kommunizieren sollen, schon eine Aufgabe von babylonischem Ausmaß.
Nach dem Vorbild des Stromnetzes
Die Grundidee des Datengitters lässt sich sehr schön mit der so
genannten Stromnetz-Metapher beschreiben: Das elektrische Netz liefert
eine standardisierte Spannung und Stromstärke und jedes elektrische
Gerät, das diesen Spezifikationen folgt und obendrein über einen
ebenfalls standardisierten Stecker verfügt, kann daran angeschlossen
werden, ohne dass der Benutzer sich darüber Gedanken machen muss, ob
der Saft aus der Steckdose direkt nebenan oder in einem Hunderte
Kilometer entfernten Kraftwerk produziert wird.
Das DataGrid-Projekt will nun eine ähnliche Universalität in der
Computerwelt schaffen. Foster und Kesselmann beschrieben die Situation
in ihrem 1998 erschienen Buch The Grid: Blueprint for a New Computing
Infrastructure wie folgt:
Die Situation, die wir momentan im Computerbereich haben, ähnelt in
vielen Aspekten der, in der sich die Elektrifizierung im Jahre 1910
befand. Damals war es zwar möglich, elektrischen Strom zu erzeugen und
immer neue Geräte wurden entwickelt, die sich Elektrizität zu Nutze
machten, aber die Notwendigkeit, dass jeder Anwender sich zunächst
einen eigenen Generator besorgen und diesen betreiben musste, hinderte
die Verbreitung doch enorm. Die wahre Revolution war somit nicht die
Entdeckung der Elektrizität, sondern die Einführung des Stromnetzes.
Mit Hilfe des DataGrids wird es den Benutzern nun möglich sein, über
ein einheitliches grafisches User-Interface die gewünschte
Computeranwendung zu starten und diese mit den notwendigen Anfangsdaten
zu speisen. Das Grid-System wird sich daraufhin selbständig die
passenden und verfügbaren Verarbeitungs- und Speicher-Ressourcen
zusammensuchen, die jeweiligen Prozesse starten und überwachen, den
momentanen Fortschritt anzeigen und schließlich dem Anwender die
Ergebnisse präsentieren.
Der Nutzer muss sich dabei weder darum kümmern, welche oder wie viele
Rechner gerade an seiner Aufgabe arbeiten, oder gar, wo sich diese
befinden. Alles, was der User sieht, ist eine einheitliche Oberfläche,
egal mit welchem Gerät oder von wo aus er sich ins Grid einloggt. Die
Leistungsfähigkeit des eigenen Rechners spielt bei diesem Verfahren
überhaupt keine Rolle mehr.
Im ersten Schritt sollen nun insgesamt zehn Institutionen an das Grid
angeschlossen werden, ausgelegt ist das System allerdings für eine
unbegrenzte Zahl von beteiligten Rechnern und Subnetzen.
Revolution?
So. Und jetzt wollen wir doch langsam mal die Spekulationsmaschine
anwerfen. Da die Geschichte des Web gezeigt hat, wie schnell aus einer
kleinen Netzwerkidee, aus dem und für den Forschungsbereich, ein
globales Massenmedium werden kann: Was wäre, wenn wir demnächst alle
unsere Rechenknechte ans Grid bringen würden? Alte und neue, starke und
schwache, große und kleine? Die Leistungsfähigkeit des Zugangsgerätes
wäre bekanntlich künftig absolut unerheblich. Ein Smartphone würde
ausreichen, um irgendwo im Grid die Leistungsfähigkeit der
3D-Rendering-Engines der Pixar-Studios anzuwerfen und den fertigen Film
in Kino-Qualität mal eben irgendwo zwischenzuspeichern, bevor man ihn
sich zu Hause auf dem Beamer anschaut. Wo zwischenspeichern? Wo rendern
lassen? Mir doch egal! Soll sich doch bitte das Grid darum kümmern!
[Hier bitte selbst weiterspinnen...]
Um also wieder zum Anfang zurück zu kehren: Eine Handvoll Rechner von
einigen Forschungseinrichtungen werden im Laufe der nächsten Woche eine
neue Form von Netzwerkkommunikation in Betrieb nehmen. Traut sich hier
jemand, das Wort 'Revolution' in den Mund zu nehmen? Mutige bitte
vortreten.
Links
[1] http://www.cern.ch/
[2] http://eu-datagrid.web.cern.ch/eu-datagrid/
[3] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/4681/1.html
Telepolis Artikel-URL:
http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/lis/15215/1.html
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