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Re: [ox] Freie Software und Eigentum an Informationsguetern



Hallo Stefan, hallo Holger, hallo Liste,

werde die zu kommentierenden Punkte aus euren beiden Mails hier in einer zusammenfassen:

Könntest Du das noch näher ausführen, wieso am Eigentum "materieller Konsum" und "Geheimnisse" positiv sind, bzw. was das bedeuten soll?

Nun ganz simpel den Apfel, der mir per Rechtstitel gehört, kann ich
ungestörter konsumieren, da der Rechtstitel mir quasi die Gewaltmittel
in die Hand gibt, wenn andere mich davon abhalten wollen. Das finde
ich ein nützliches Ding am Eigentum, das auch in einer
emanzipatorischen Vision auf irgend eine Weise gegeben sein sollte.

Naja, das setzt ja aber stillschweigend schon voraus, dass es Leute gibt, die Dir den Apfel wegnehmen wollen. Wenn wir schon von einer "emanzipatorischen Vision" ausgehen, dann ist das doch gerade nicht die Regel, oder? Naja, vielleicht unter Bedingungen natürlicher (!) Knappheit, sagen wir, es gibt zu wenig Äpfel wegen schlechter Ernte oder sowas. Selbst dann ist es noch sehr fraglich, ob man davon ausgehen muss, dass aufgrund dieser natürlichen Knappheit mir gleich jemand den Apfel aus der Hand reissen würde. Es gibt soundso viele ethnologische Studien, die zeigen, dass Menschen in bestimmter Vergesellschaftungsform bei natürlicher Knappheit (also in Notzeiten) ihre Vorräte teilen. Und ich selbst würde nicht unbedingt einen exklusiven Rechtstitel auf meinen Apfel haben wollen, der es mir dann ermöglicht, die Polizei zu rufen, wenn mir den jemand weg nimmt, sondern das lieber persönlich klären, weil dieser Rechtstitel doch wieder einen Gewaltapparat benötigt, um ihn überhaupt wirksam zu machen.

Hängt natürlich stark mit der konkreten Verfügbarkeit erwünschter
(materieller) Güter zusammen.

Und der Gedanke mit den Geheimnissen stammt aus der Frage, ob es
Informationsgüter gibt, bei denen die Einschränkung der
Nutzungsmöglichkeiten für Nicht-EigentümerInnen sinnvoll sein könnte.
Geheimnisse sind genau das: Wenn's alle wissen / nutzen können, ist
das Geheimnis keins mehr und hat seinen Gebrauchswert verloren.
Informationen aus der Privatsphäre wären ein Beispiel für diese Klasse
von Informationsgütern. Oder Passwörter.

Das ist ein ganz ähnliches Argument: Es setzt eine quasi-natürliche Feindschaft zwischen Menschen voraus, sie müssen sich schützen, Geheimnisse voreinander haben, Passworte, usw. Woher kommt dieses Gegeneinander? Ist das universell für alle Gesellschaften gültig? Oder muss man da nicht nochmal kurz überlegen, woher diese Trennung von privat/staatlich/öffentlich eigentlich kommt, ob das nicht doch etwas sehr historisch-konkretes ist, usw. usf. - aber das würde jetzt zu weit gehen...

Stefan schrieb noch:
...verinnerlicht, dass wir es eigentlich andauernd mit Knappheit (d.h.
künstlicher Begrenzung) zu tun haben...

dazu hier ein Zitat aus Holgers Mail:

ACK. Wenn die Irrationalitaet des geistigen Eigentums betont wird, habe
ich auch immer die Sorge, dass damit zumindest implizit Eigentum an sich
als eine rationale, natuerliche, sinnvolle Sache verklaert wird.

Und nochmal Stefan:
Geistiges Eigentum dient ausschließlich der künstlichen Verknappung
^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^

Hier versuche ich mich durch das Attribut "künstlich", über die
genannte Klippe zu hangeln. Ich hoffe, dass das Publikum das dann so
versteht.

Indem Du das so betonst, "Geistiges Eigentum dient ausschließlich der künstlichen Verknappung" und auch ganz allgemein in Deinem Paper, klingt das ein bisschen schon so, als ob es bei Eigentum nicht so sei. Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen geistigem Eigentum und materiellem Eigentum, der aber liegt, wie bereits erwähnt in den Vollzugsmitteln der Ausschlußmethoden, aber/und: ob die übrigens ungleich schwer sind (bei immateriellen schwerer durchzusetzen als bei materiellen), weiß ich gar nicht so genau, ich gehe selbst auch immer von dieser Annahme aus. Aber: Es hat ja auch einigen Aufwand benötigt, all die materiellen Waren zu umgeben mit Zugangs-Schranken, Türschlösser, Torgatter, Alarmanlagen, Bewachungspersonal, Kassen, Videokameras - schau Dir mal einen Supermarkt an, was der alles an Technik hat, damit niemand einfach was mit rausnehmen kann, die Kassen vorneweg als Haupt-Zugangsschranke. Aber wir kennen das halt von Kindesbeinen an und nehmen es kaum mehr wahr, während wir diese Ausschluss-Architektur im Internet jetzt grade neu anerzogen bekommen (sollen). Also: Auch für materielle Güter brauchts einen Vollzugsapparat, der ist aber inzwischen weitgehend "unsichtbar" für uns, unsichtbar im Sinne von "normal", Teil unseres Alltags.

Naja - dennoch: Es ist schon einfacher, eine proprietäre Software zu cracken (wenn man weiß, wie es geht), als auf einem proprietärem Erdbeerfeld die Früchte zu klauen, dort kann mich jeder sehen, mir den Hund auf den Hals hetzen, usw.

Und noch zu Holger:

>Materielle vs. Informationsgüter

Den Unterschied finde ich in anderen Zusammenhaengen aber sehr wohl
relevant. Schlicht und ergreifend: Materielle Gueter erfordern im
Gegensatz zu immateriellen Arbeit zur Reproduktion. Dieser rein
stoffliche Unterschied ist ja oekonomisch nicht unbedeutend ;-)

Ja, bezüglich dieses Aspekts gibt es schon auch einen Unterschied, aber wofür ist der jetzt nochmal wichtig?

Gruß
Sabine


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