[ox] Bericht von der attac-Sommerakademie
- From: Stefan Merten <smerten oekonux.de>
- Date: Mon, 04 Aug 2003 00:38:55 +0200
Liebe Leute,
gerade komme ich von der attac-Sommerakademie und möchte euch ein paar
Eindrücke schildern und natürlich eine Idee davon geben, was in der
Diskussion des Seminars so lief. UliF war übrigens mit mir dort und
korrigiert und ergänzt mich sicher gerne.
Zu der Gesamtveranstaltung waren wohl 800 Leute angemeldet, die
VeranstalterInnen rechneten mit 1[PHONE NUMBER REMOVED]. Vormittags verteilten sich
die Leute auf über 50 Seminare, die durchgehend von Samstag bis
Dienstag, dem letzten Haupttag der Akademie laufen. Nachmittags gab es
dann Einzelveranstaltungen in ähnlicher Anzahl und am Abend jeweils
ein Podium. Masse habe ich vor allem in der Mensaschlange am Samstag
erlebt. Ansonsten verliefen sich die Leute auch auf Grund der mehreren
Veranstaltungsgebäude ziemlich stark. In dem Seminar, in dem ich
engagiert war, waren z.B. 15-20 Personen - angenehme Größe also.
Ich fand übrigens die Verteilung der Leute ganz interessant. Es waren
viele junge Leute, ich würde denken hauptsächlich so die
Alterskategorie von StudentInnen. Mir fiel auf, dass die Leute
eigentlich alle relativ normal aussahen. Ich empfand das als
ziemlichen Gegensatz zu manchen linken Veranstaltungen, bei denen
viele durch buntes und/oder martialisches Auftreten auffallen. Es
waren übrigens auch ziemlich viele Frauen dort - auch nichts, was ich
bei linken Veranstaltungen als sonderlich üblich erlebe. Ich weiß
nicht die genaue Verteilung, aber es würde mich nicht wundern, wenn
sie in der Nähe der 50% lag.
Auffallend war auch, dass vor allem die (alte) Gruppe "linksruck" im
Programm ziemlich sichtbar war. Auch Leute aus dem Umfeld der SoZ
waren wohl einige im Programm, die sich allerdings nicht so offensiv
kenntlich gemacht haben. Insgesamt würde ich aber sagen, dass
irgendwelche Versuche die Veranstaltung zu dominieren, schon an der
Masse der Angebote scheiterten. Angenehm ;-) .
Ansonsten war so ziemlich quer Beet alles auf der Sommerakademie
vertreten, was im linken und alternativen Umfeld so existiert. Das
thematische Spektrum war entsprechend breit, hatte aber den
(attac-typischen) Schwerpunkt auf Globalisierung, Machtfragen,
Finanzpolitik, etc. Für eine nächste, ähnliche Veranstaltung sollten
wir vielleicht überlegen, ob wir als Oekonux(is) da explizit was
machen wollen. Die Resonanz auf meine beiden Vorträge war jedenfalls
interessiert und lebendig.
Ok, was kam so an Rückfragen. Nun, zum ersten Vortrag kam nicht mehr
viel, weil die Zeit uns da schon etwas davon gelaufen war. Dafür gab
es zum zweiten Vortrag "Pro und Kontra geistige Eigentumsrechte" eine
sehr spannende Diskussion. Sie war über weite Teile sehr oekonuxig und
hätte genauso gut hier auf der Liste statt finden können :-) .
Ich versuche mal an Hand meiner Notizen ein paar Diskussionslinien /
Nachfragen zu skizzieren. Leider konnte ich nicht wirklich
protokollieren, da ich zu sehr involviert war :-( .
* Plädoyer für die Abschaffung geistigen Eigentums?
Tja, war mein Vortrag ein Plädoyer für die Abschaffung von
Eigentumsrechten auf Informationsgüter? Ich hatte differenziert
geantwortet, dass das langfristig anzustreben wäre.
* Wovon leben Freie-Software-EntwicklerInnen?
Hatte ich schon länger nicht mehr gehört. Meine Standard-Antwort
war, dass sie sich ebenso anderweitig alimentieren wie andere
HobbyistInnen auch. Uli ergänzte, dass es eben bis auf weiteres
dieses eine Bein in der Geldlogik noch braucht.
* Geld für individuelle Leistung, Geld als Motivationsquelle
Überhaupt nahm dieser Komplex einen größeren Raum ein. Ich denke, es
konnte ganz gut heraus gearbeitet werden, dass Geld nur eine von
vielen möglichen Motivationsquellen ist. Ruhm wurde z.B. für
KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen als Alternative formuliert.
Auch die Frage, wer die Drecksarbeit machen soll, kam.
Als Vorschlag für eine Übergangsphase wurde erwähnt, dass
Live-Konzerte für MusikerInnen oder die präsente Lehrtätigkeit für
WissenschaftlerInnen ja quasi als Dienstleistung funktionieren, die
nach wie vor geldwerte Nachfrage generieren. Ebenso wurde z.B. für
Bücher argumentiert, die auch materiell einem ästhetischen Anspruch
genügen sollten. Wobei ich Letzteres für einen Aspekt halte, den
weiterer Technikeinsatz ins Leere laufen lassen könnte.
Es wurde befürwortet, dass Menschen für solche kreativen Aufgaben
Frei gestellt werden sollten, so dass sie ihre Fähigkeiten und
Fertigkeiten voll entfalten könnten. Faktisch würde das heute eine
Geldalimentierung bedeuten. Vielleicht ist eine Frage die, woher die
Alimentierung kommen soll. Eine mögliche Antwort ist:
* Freie Software als öffentliches Gut finanzieren?
Mehrfach wurde die Frage gestellt, ob das öffentliche Gut Freie
Software eben nicht auch öffentlich finanziert werden sollte. D.h.
Entwicklung Freier Software im staatlichen Auftrag. Na ja, bei
kommerzieller Freier Software bin ich ja sowieso etwas gespalten.
Aber faktisch - fällt mir jetzt ein - geschieht das ja schon, wenn
die öffentliche Hand entsprechende Aufträge vergibt. Allerdings
vergeben die meines Wissens bisher praktisch nur für Projekte, die
sie selbst brauchen. Eine Entwicklung eines Office-Pakets (z.B.) ist
meines Wissens noch nie staatlich gesponsort worden.
* Ist die Entwicklung Freier Software vergleichbar mit (z.B.)
literarischer Tätigkeit?
Nun, eine Frage, die direkt auf den Kern der Übertragbarkeitsthese
auf andere Informationsgüter zielt. Hatten wir hier vor einiger Zeit
ja auch schon - mit offenem Ende - diskutiert.
Hingewiesen wurde hier vor allem darauf, dass z.B. literarische
Arbeit ja eben oft nicht in einem kommunikativen Prozess entsteht.
Hmm... aber wenn ich jetzt nochmal drüber nachdenke, dann gibt es
auch einige Freie-Software-Projekte, die - zumindest am Anfang - im
Alleingang entstehen.
Es wurde auch angemerkt, wer denn das machen würde, seine Texte
einfach Frei zu geben, wenn dafür Geld verlangt werden könnte. Nun,
wenn ich nur mal Oekonux und OpenTheory nehme, dann sehen wir hier
doch so einige, die das praktisch auf einer täglichen Basis machen.
Es gibt weitere Beispiele. Außerdem wandte ich ein, dass der
finanzielle Gegenwert für eine Mitgliedschaft z.B. bei der VG Wort
lächerlich gering ist. Da frage ich mich schon eher, welches Motiv
AutorInnen treibt, für diese paar symbolischen Euro ihre Seele zu
verkaufen.
Na, so weit mal. Ich glaube die wichtigsten Sachen sind mir
eingefallen, aber Uli sollte sicher ergänzen.
Mit Freien Grüßen
Stefan
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