[ox] Ausbildungsabbrueche in den IT-Berufen - hier: Zur Situation von Frauen
- From: Stefan Merten <smerten oekonux.de>
- Date: Mon, 04 Aug 2003 08:51:04 +0200
Hi!
In der c't 12/03, S.50 erschien ein Artikel "Fahnenflucht -
Ausbildungsabbrüche in den IT-Berufen" von Angela Meyer, bei dem auch
das Thema Gender auftauchte. Es ging um Ausbildungen in den IT-Berufen
(Informatikkaufleute, FachinformatikerInnen,
IT-System-ElektronikerInnen, IT-System-Kaufleute,
InformationselektronikerInnen). Ich denke, dass der Artikel sehr viele
interessante Passagen enthält, die so oder ähnlich hier auch schon
angeklungen sind. Ich zitiere mal die (vielen) Gender-relevanten
Passagen.
...
Einige Hinweise darauf, warum die Auszubildenden aussteigen, liefert
die Begleitforschung des Projekts idee_it "Frauen und Männer in der
IT-Ausbildung", durchgeführt vom Kompetenzzentrum Frauen in
Informationsgesellschaft und Technologie in Kooperation mit dem
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie der
Initiative D21. Die Studie hat sich zum Ziel gesetzt, das
Berufswahlverhalten, die Ausbildungssituation und den Übergang von
der Ausbildung in den Beruf zu untersuchen - jeweils auch mit Blick
auf geschlechterbezogene Unterschiede. Von 2002 bis 2004 erheben die
Wissenschaftler bei mehreren Hundert Auszubildenden einmal jährlich
über einen Online-Fragebogen die notwendigen Daten. In der
diesjährigen Erhebung erden auch Fragen zur Abschlussprüfung dabei
sein.
Ein wesentlicher Auslöser, die Untersuchung geschlechtsspezifisch
anzulegen, war die Erkenntnis, dass Frauen durchgängig in allen
IT-Berufen (einzige Ausnahme: Informationselektronikerinnen 2000
[was bei der relativ kleinen Grundgesamtheit m.E. auch einfach ein
statistischer Ausreißer sein kann -- SMn]) deutlich häufiger als
ihre jeweiligen männlichen Kollegen die Ausbildung vorzeitig
beenden. In den Medienberufen, zu denen insbesondere die
Mediengestalter zählen, lassen sich solche Tendenzen nicht erkennen.
Hier führen mal die Frauen, mal die Männer die Statistik an.
Frauen auf dem Rückzug
Dabei sind die Frauen in den IT-Berufen sowieso schon deutlich
unterrepräsentiert. Während sich der Frauenanteil in den
Medienberufen, wozu insbesondere die Mediengestalter zählen, seit
Jahren bei durchschnittlich etwa 50 Prozent hält, liegt er bei den
IT-Berufen allen Aufklärungs- und Werbebemühungen zum Trotz im
Schnitt bei etwas über 13 Prozent, Tendenz leicht fallend. Die
Spanne ist recht groß: Während die Frauen bei den Informations- und
IT-System-Elektronikern mit rund zwei beziehungsweise vier Prozent
nach wie vor eine Ausnahme darstellen, erreicht ihr Anteil bei den
Fachinformatikern nur gut ein Zehntel, und auch bei den IT-System-
und Informatikkaufleuten mit etwa 30 beziehungsweise 23 Prozent sind
nicht einmal ein Drittel weiblich. Dieser bereits bei den
Bewerbungen sichtbare Trend wird durch das Einstellungsverhalten der
Betriebe noch verstärkt.
Da scheint das Ziel der Bundesregierung, den durchschnittlichen
Frauenanteil in der IT auf 40 Prozent zu erhöhen, nach wie vor
bestenfalls in ferner Zukunft erreichbar - und bis 2005, wie
eigentlich geplant, inzwischen schlicht unrealistisch.
Wie die erste Zwischenauswertung der idee_it-Befragung vom
vergangenen Jahr zeigte, muss jedenfalls nicht nur die
Ausbildungssituation generell noch verbessert werden, sondern auch
in den Köpfen der Mädchen noch einiges passieren. Bereits bei der
Entscheidung für einen IT-Beruf haben 40 Prozent der Mädchen
Bedenken - bei den Jungen sind es lediglich 14 Prozent. Nach Ansicht
der Forscher führt dies wahrscheinlich dazu, dass viele Mädchen mit
geringerem Selbstbewusstsein in die Ausbildung starten, obwohl sie
durchschnittlich höhere und bessere Schulabschlüsse haben.
Dazu passt, dass unter den Befragten immerhin noch jede vierte Frau,
aber nur jeder siebte Mann schon einmal an einen Abbruch gedacht
haben. Obwohl relativ gesehen jeweils mehr Frauen als Männer dies
auch tatsächlich tun, geben 87 Prozent der Frauen gegenüber 80
Prozent der Männer in IT-Ausbildungen an, dass ihnen diese gut oder
sehr gut gefällt - auch wenn jeweils mehr als die Hälfte gerne etwas
verändern würden.
...
Die Zwischenprüfung erhält von zwei Fünfteln der Azubis ebenfalls
das Prädikat "praxisfern". Gut die Hälfte beurteilen die
Übereinstimmung zwischen Prüfungsfragen und Ausbildungsinhalten in
Betrieb und Berufsschule als gering. Entsprechend sind die
Prüfungsergebnisse, wobei die Frauen tendenziell schlechter
abschneiden: Unter den Befragten gab es keine Eins, bei vier Prozent
der Frauen beziehungsweise 13 Prozent der Männer eine Zwei, bei 21
beziehungsweise 32 Prozent eine Drei, 44 gegenüber 39 Prozent
erreichten nur eine Vier und 21 Prozent der Frauen sowie 11 Prozent
der Männer fallen durch. Dabei scheint die Ursache nicht in den
Unterschieden bei der schulischen Vorbildung zu liegen: Bei beiden
Geschlechtern geben jeweils 50 Prozent an, bei der schulischen
Vorbildung besonders in Mathematik und Naturwissenschaften
Schwerpunkte gesetzt zu haben.
Auch wenn ein durchaus nennenswerter Anteil Probleme mit der
Zwischenprüfung zu haben scheint, machen die Azubis je nach
Geschlecht andere Lösungsvorschläge. So beklagen knapp ein Drittel
der Männer, dass sie in der Berufsschule nicht genügend auf die
Prüfungen vorbereitet werden, während gleichzeitig nur gut sechs
Prozent angeben, fachlich überfordert zu sein. Bei den Frauen ist
die Relation genau umgekehrt: Lediglich knapp ein Fünftel der Frauen
fordert eine bessere Prüfungsvorbereitung in der Berufsschule,
obwohl ein Viertel angibt, sich fachlich überfordert zu fühlen. Die
idee_it-Studie führt diese auf die bereits in der biat-Studie
gewonnene Erkenntnis zurück, dass weibliche Azubis in ihren
Betrieben weniger Unterstützung erhalten als ihre männlichen
Kollegen. Konkret heißt dies unter anderem, dass Frauen tendenziell
weniger zugetraut wird, sodass sie seltener mit anspruchsvolleren
Aufgaben betraut werden.
Betrachtet man die zusätzlichen Schwierigkeiten - mehr Unsicherheit
am Anfang, weniger Unterstützung und damit schlechtere Ergebnisse
bei der Zwischenprüfung - müssen Frauen in der IT-Ausbildung im
Schnitt mehr Durchhaltewillen aufbringen als Männer.
...
Mit Freien Grüßen
Stefan
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de