Re: [ox] Ein Versuch (Virtuelle Genossenschaft Open-Craft.org)
- From: Claus Mueller <claus open-craft.org>
- Date: Sun, 14 Dec 2003 23:09:19 +0100
zum Posting von Franz Nahrada:
Lieber Franz,
ich kann nur sagen, ich bin beeindruckt. Mit einer so ausfürlichen und auch
positiven Auseinadersetzung mit meiner Initiative hatte ich nicht gerechnet.
....Open-Craft hingegen den Weg der virtuellen Genossenschaft.
meines Wissens ist es das erste Mal, daß letzterer Weg betreten wird.
Es ist wert, diese Tatsache einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu
machen.
OK, laß uns mal damit arbeiten!
Fangen wir an!
Eine virtuelle Genossenschaft ist ein potentiell unendlicher
Zusammenschluß von Unternehmen, die mit freien partizipativen
Ressourcen arbeiten. An die Stelle von "Unternehmen" könnte man auch
das neutralere Wort von den "assoziierten Produzenten" setzen.
Ohne je davon gehört zu haben, gefällt mir die Idee der virtuellen
Genossenschaft spontan sehr gut.
Einer muß den Anfang machen, verliert vielleicht aber die Lust, wenn
nichts zurückkommt. Mir scheint daß die Sache derzeit noch sehr einseitig
von Dir ausgeht.
Schau´n wir mal. Die Sache geht im Augenblick wahrlich nur von mir alleine
aus. Meine Frau Sandra, mit der ich gemeinsam die Schreinerei betreibe, steht
hinter mir, doch ist sie nicht so die glühende Utopistin wie ich. Mir ist es
aber wirklich ein Herzensanliegen, es ist das was ich wirklich will.
Mich stört ein wenig das einschränkende Wort "Handwerker". natürlich sind
das die wesentlichen Träger, aber zu einer freien Entwicklung können auch
andere Akteure beitragen.
Z.B. die Kunden, Hobbybastler, wissenschaftliche Forschungsinstitute,.....
Auf Handwerker beschränke ich meine Initiative nur, weil ich selbst einer bin.
Ich will damit nicht die ganze Welt auf einmal umkrempeln, sondern in dem
Bereich, in dem ich tätig bin, das vielleicht Mögliche zu erreichen.
Ich freu mich schon auf die Präsentation auf der
Oekonuxkonferenz im Mai in Wien, machst Du bitte einen Vorschlag für ein
Referat, Workshop etc. Deinerseits?
Ich komme gerne, doch flößt mir der Gedanke an ein Referat gewaltigen Respekt
ein.
Einerseits ist der Schritt positiv und zu begrüßen, andererseits wird IMHO
eine virtuelle Genossenschaft umso besser, je klarer die Vorgaben oder
zumindest Zielformulierungen des Maintainers sind. (Dazu hab ich unlängst
was von Kim Veltman gepostet: ich halte das Kathedralenmodell für
treffefnder als das Bazaarmodell, Helmut Leitner vom GründerWiki hat aber
dann die schöne Auflösung gemacht, daß wahrscheinlich beide Metaphern das
wesentliche an freier Software nicht treffen, daß vielleicht das Modell
"Garten wissend planen und anlegen und schauen was wächst und was
gebraucht wird" eine bei weitem gescheitere Metapher ist, die sowohl die
Maintainerrolle als auch die freie Kooperation beinhaltet)
Ja, sieht für mich auch so aus, als ob jemand den Gärtner machen muss. Ich
wollte nur bei der ersten Präsentation meiner Vision nicht alle überfahren,
weil ich bisher keinen Eindruck habe, auf welche Ansprüche ich mich
einstellen muss. Ich habe keinen großen theoretischen Background und agiere
einfach aus meiner Weltsicht heraus. Doch grundsätzlich bin ich für den
Gärtnerjob bereit.
Die erste Entwicklungstufe hat Open-Craft.org durch die Bereitstellung
von
Kalkulations?tabellen zur Preiskalkulation, Zeiterfassung, ... bereits
erreicht.
Dazu müßte man selbstkritisch sagen: das ist natürlich Wissen, das voll
und ganz an der betriebswirtschaftlichen Form der Produktion hängt.
Wieder der Hinweis auf meinen mangelnden Background. Aus der Praxis eines
"libertär sozialistisch" denkenden Unternehmers heraus (falls das nicht schon
ein Widerspruch in sich ist) sehe keine andere Möglichkeit als die
betriebswirtschatliche Form der Produktion. Ich bin in witschaftliche Zwänge
eingebunden, die ich nicht durchbrechen kann (z.B Kredit für die
Betriebsgründung, Miete, ...)
Hier ist der Punkt, an dem man sagen könnte: die Konstruktionszeichnungen
sind so gut wie der Prozeß, durch den sie gegangen sind. Ulrich Sigor, der
die Theorie der virtuellen Genossenschaften schon vor nahezu 10 Jahren
entwickelt hat, hat nicht umsonst für synchrone Telekooperation im
Entwurfsprozeß plädiert.
Was Konstuktionszeichnungen angeht, gibt es zumindest ein freies Werkzeug, ein
CAD-Programm namens QCAD (http://www.ribbonsoft.com/qcad.html), welches das
weitverbreitetste Dateifomat für CAD, DXF, verwendet.
Es gibt wenig bis gar keine systematisch entwickelte Entwurfssprachen
für kooperative Entwicklungen.
Kooperative Entwicklungen geht mir, praktisch Betrachtet, schon zu weit. Ich
dachte eher an einen Pool, in dem in welcher Form auch immer, Handwerker ihre
Lösungen hinterlegen, so dass alle anderen darauf zugreifen können.
Es gibt keine Vorarbeit auf dem Gebiet der sozialen und institutionellen
Innovationen, die für die Aufrechterhaltung eines solchen Prozesses
entwirtschafteter kooperativer Tätigkeit vonnöten sind.
Man muss es ja nicht übers Knie brechen. Wenn sich Leute finden, die
teilnehmen wollen, werden sich auch Lösungen finden.
also die Fröhlichkeit schwindet, wenn man die Sache objektiv betrachtet,
und ein großer Berg unerledigter Aufgaben tut sich auf. Das soll aber
Eurer Fröhlichkeit natürlich keinen Abbruch tun!!
"Eurer" ist gut :-) Meiner Fröhlichkeit soll es keinen Abbruch tun, denn
Fröhlichkeit ist immer das Moto meines utopischen handelns. (Wir versuchen
auch, unsere Schreinerei radikal ökologisch zu führen und tun dies auch
lieber fröhlich als verkrampft)
Naja, es kommt auch hier zum Ausdruck daß es mal um unerfüllte
Voraussetzungen geht. Bitte nicht den Mut nehmen lassen und lieber einen
gescheiten Zielkatalog formulieren als Kompromisse mit schlechten
existierenden Technologien machen.
Ich danke dir für deine ausführliche Auseinandersetzung mit meiner Idee und
wünsche uns eine fruchtbare Zukunft.
Grüße, Claus
--
Claus Mueller
http://www.open-craft.org
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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de