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Subject: Interview: Software als Kulturgut
Date: Mon, 12 Jan 2004 17:52:45 +0100
From: "Georg C. F. Greve" <greve fsfeurope.org>
To: fsfe-de fsfeurope.org
Was entgegen Sie Kritikern, die der FSF einen Hang zum Dogmatismus
vorwerfen? Wäre es manchmal nicht sinnvoller, statt auf Begriffen
wie "Freier Software" statt "Open Source" oder "GNU/Linux"
herumzureiten, pragmatischer vorzugehen?
Greve: Leider scheint es, dass heutzutage "pragmatisch" oft als
Synonym für kurzsichtig herhalten muss. Das halte ich für
problematisch. Die Free Software Foundation hat sich immer um
langfristige Perspektiven bemüht und ist zumeist außerordentlich
pragmatisch vorgegangen. Ein gutes Beispiel ist die GNU General
Public License (GPL), die meistverwandte Lizenz Freier Software,
die von der FSF herausgegeben, gewartet und geschützt wird. Diese
Lizenz ist sehr bewusst so geschrieben, dass sie die maximale
Freiheit der Mehrheit schützt -- unter der Annahme, dass manche
Menschen sich egoistisch verhalten. Sie funktioniert ausgezeichnet
in einer rein pragmatischen Welt. Deswegen setzen sie Unternehmen
wie IBM ein. Was die Begriff angeht, so zeigt die Erfahrung, dass
diese die Art und Weise beeinflussen, wie Menschen denken. "Open
Source" wurde 1998 als Marketingbegriff für Freie Software
vorgeschlagen. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass er speziell
bei Nicht-Entwicklern den wahren Inhalt, die Freiheit, nicht
vermittelt. Dazu kommt, dass der Begriff sich als anfällig für
Missbrauch und inflationäre Verwendung erwiesen hat. Pragmatismus
kann auch bedeuten, einen Marketingversuch aufzugeben, wenn klar
wird, dass er mehr schadet als nutzt.
Georg Grewe bringt es hier auf den Punkt: die Vermittelbarkeit der Idee
der OS, GPL für die OnlyUser ist praktisch nicht gegeben. Daran muß
gearbeitet werden. Gesucht wird IMHO ein schlagfertiger Sloagan, welcher
witzig, einleuchtend und überraschen zugleich ist. Ein solcher Slogan
kann/muß/soll nicht die Wirklichkeit total erfassen. Dafür ist hier Oekonux
und OpenTheory.
Witzig finde ich z.B. den Spruch von SuSE:
"Lieber ein System mit 1000 Programmen als eins mit 1000 Problemen! "
oder
Warum Open Source: Ich bin doch keine Melkkuh
oder
Keine Abzoge durch meinen Softwarelieferanten
etc., etc.,
Zu Regierungsorganisationen muß man sich freilich solidere Sprüche
ausdenken.
Der Erfindungsgeist des Volkes bringt mit der Zeit witzigere und kürzere
Sprüche.
p&l
Helmuth