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[ox] Fwd: Interview: Software als Kulturgut



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Subject: Interview: Software als Kulturgut
Date: Mon, 12 Jan 2004 17:52:45 [PHONE NUMBER REMOVED]
From: "Georg C. F. Greve" <greve fsfeurope.org>
To: fsfe-de fsfeurope.org

[ http://www.germany.fsfeurope.org/de/news/2004/cw-interview.de.html ]

        [ Mit freundlicher Genehmigung durch Stefan Krempl gespiegelt von
     [2]http://viadrina.euv-frankfurt-o.de/~sk/Pub/interview-greve.html ]

Software als Kulturgut

Georg C. F. Greve kämpft mit der Free Software Foundation gegen den
Raubbau an der Wissensgesellschaft. Interview: Stefan Krempl.
Veröffentlicht in: Computerworld Magazin 4/2003

     [3]Free Software Foundation Europe, die im März 2001 als Schwester
     des nordamerikanischen Pendants gegründet wurde, hat sich der
     Unterstützung der Freien Software in allen Bereichen verschrieben.
     Eine Hauptaktivität ihres Präsidenten, des Hamburgers [4]Georg C.
     F. Greve, besteht daher in der politischen Aufklärung. Feind der
     Aktivisten ist die proprietäre Software, die nicht modifizierbar
     und vom Nutzer nur beschränkt kontrollierbar ist. Ihr unterstellt
     der studierte Physiker Greve im Gespräch mit Computerworld einen
     "viralen" Charakter, da sie zur Monopolbildung neige und die offene
     Netzwerkökonomie verstopfe. Damit dreht er ein Argument von
     Microsoft-Führungskräften um, die das Herzstück der Freien
     Software, ihre GNU General Public License, wiederholt als "Krebs"
     und Krankheitserreger bezeichnet haben.

     Herr Greve, auf Ihrer Homepage verfolgen Sie die Philosophie der
     Freien Software bis zum Heiligen Augustinus ins 4. Jahrhundert
     zurück. War der Kirchenvater ein verkappter Code-Hacker?

     Georg C. F. Greve: Nach dem, was mir erzählt wurde, nicht
     unbedingt. Doch er gab eine klare Antwort auf die Frage nach dem
     Umgang mit Wissen. Die Weitergabe von Wissen und Ideen durch
     Kommunikation gehörte schon immer zu den grundlegenden Bedürfnissen
     der Menschen. Angefangen bei den ersten Höhlenmalereien und
     Musikinstrumenten haben Menschen danach gestrebt, sich mitzuteilen
     und soziale Netze zu knüpfen. Daher auch der Ausspruch von St.
     Augustinus, der (frei übersetzt) sagte: "Jede Sache, die dadurch,
     dass man sie weitergibt, nicht verloren geht, wird nicht auf
     richtige Weise besessen, wenn man sie nur besitzt, aber nicht
     weitergibt." Das Bemerkenswerte ist, dass hier bereits die
     Verlustfreiheit dieses Vorgangs eine zentrale Komponente ist.
     Wissen geht durch die Weitergabe nicht verloren, Lehrer etwa werden
     durch den Akt der Wissensvermittlung nicht unwissend. Die neue
     Generation ist vermutlich die Erste in der Geschichte der
     Menschheit, die mit dem Bild aufgewachsen ist, dass Wissen Eigentum
     sei, dessen Weitergabe ihr moralisches äquivalent in einem mit
     physikalischer Gewalt ausgeführten überfall ("Raubkopie",
     "Piraterie") hat.

     Sie weisen gern auf Gemeinsamkeiten zwischen den Prinzipien der
     Freien Software und der Wissenschaft hin. Lässt sich diese These
     erhärten?

     Greve: Wissenschaft beruht auf dem methodischen Arbeiten. Neben
     einer Objektivierung der Erkenntnis ermöglicht es die
     Zusammenarbeit vieler Menschen, um in Kooperation weiter zu kommen
     als jeder für sich allein. Sehr schön hat dies Sir Isaac Newton
     ausgedrückt, als er sagte: "Wenn ich etwas weiter sah als andere,
     so deshalb, weil ich auf den Schultern von Riesen stand." Den
     Vorteil hat die gesamte Gesellschaft. Ebenso funktioniert das
     Paradigma Freier Software, da es uns bewusst erlaubt, auf dem Stand
     der Technik aufzubauen und dazu beizutragen. Davon profitieren
     hinterher alle.

     Wie erklären Sie Politikern in Bern, Berlin oder Brüssel, denen Sie
     als Anwalt des offenen Source-Codes das Phänomen der Freien
     Software schmackhaft machen sollen, die Vorzüge der
     "Quellenarbeit"? Die philosophische Argumentation dürfte da ja
     wenig bewirken.

     Greve: Im Bereich der Politik konzentrieren wir uns in der Tat
     zumeist auf die betriebs- und volkswirtschaftlichen Vorteile Freier
     Software, sowie die Gewinne an politischer Unabhängigkeit und
     Handlungsfähigkeit. Der erste Schritt ist zu erklären, dass es bei
     Freier Software eben nicht "nur um eine Technologie" geht, sondern
     um ein neues Paradigma im Umgang mit Software. Software hat sehr
     viel mehr Einfluss auf die Gesellschaft, als allgemein angenommen.
     Der Zugriff auf Software ist die grundlegende Voraussetzung für
     wesentliche Teile unserer Wirtschaft, er entscheidet über die
     Meinungsbildung durch den Zugang zu Informationen und beeinflusst
     maßgeblich die Möglichkeiten des Einzelnen zu Bildung,
     Kommunikation und Arbeit. Das macht Software zu einer Kulturtechnik
     und einem Kulturgut. Bei Freier Software geht es darum, ein neues
     Paradigma zu etablieren, welches das System in Richtung auf mehr
     politische Unabhängigkeit, weniger Monopole, mehr
     Gleichberechtigung, niedrigere Markteintrittsbarrieren, bessere
     Möglichkeiten der informationellen Selbstbestimmung und eine
     gestärkte Volkswirtschaft ändert.

     Wie funktioniert das Lobbying der FSF Europe konkret? Die
     Organisation hat ja vermutlich nicht das Personal und die Mittel,
     um den politischen Entscheidungsträgern in Brüssel und den
     Nationalstaaten ständig gewiefte Lobbyexperten auf den Schoß zu
     setzen?

     Greve: Unsere Mittel sind in der Tat bescheiden -- vor allem im
     Vergleich mit Interessengruppen, denen an einer Ausweitung der
     intellektuellen Kontrollrechte gelegen ist. Daher bemühen wir uns,
     an den wichtigen Stellen Impulse zu setzen. Das kann die Teilnahme
     an einer Konferenz, einer Kommission oder auch das Schreiben eines
     Artikels sein. Außerdem gibt es auch Leute innerhalb der
     Institutionen, die die Vorteile Freier Software erkannt haben und
     die wir mit "Munition" ausstatten. Leider ist die Bedeutung dieser
     Arbeit schwer zu vermitteln, zumal sie langsam wirkt und eine recht
     hohe Frustrationstoleranz erfordert. Dabei ist sie so wichtig wie
     nie zuvor, bildet sie doch das Gegengewicht zur proprietären
     Software- und Medienindustrie, die dabei ist, sämtliche Claims der
     Wissensgesellschaft für sich abzustecken und dabei einen
     beträchtlichen Flurschaden anrichtet. Gegen diesen Raubbau am
     intellektuellen Fundament der künftigen Generationen arbeiten wir
     mit dem Ziel, ein wirtschaftlich wie sozial verträglicheres System
     zu etablieren.

     Warum macht sich die FSF just so sehr für den Einzug von Linux und
     Co. in die öffentlichen Verwaltungen stark?

     Greve: Das Paradigma proprietärer Software hat eine stark
     monopolisierende Tendenz. Dies leitet sich davon ab, dass
     üblicherweise Produkte eines Herstellers nur mit sich selbst gut
     funktionieren. Sind nun zwei Menschen darauf angewiesen,
     miteinander zu arbeiten oder zu kooperieren, müssen sie zumeist
     dasselbe Produkt desselben Herstellers benutzen. Theoretisch bieten
     offene Standards zwar einen Ausweg. Praktisch zeigt sich jedoch,
     dass dies kaum funktioniert. Die Versuchung, offene Standards zu
     "verbessern" ist offensichtlich zu groß für proprietäre
     Softwarehersteller. So ist dann nur noch die Migration zu dessen
     Produkt möglich.

     Der berühmte Lock-in-Effekt?

     Greve: Genau. Dieser "virale" Effekt proprietärer Software ist der
     Grund dafür, dass das proprietäre Paradigma eine sehr stark
     monopolisierende Tendenz aufweist. Besonders schwierig wird es,
     wenn die öffentliche Hand auf proprietäre Software setzt, da sie
     schnell Gefahr läuft, so Monopolen Vorschub zu leisten. Bei
     konsequentem Einsatz Freier Software wird dies vermieden und auch
     die politische wie wirtschaftliche Unabhängigkeit der Regierung
     gestützt. Außerdem geht davon eine gewisse Akzeptanz aus, die
     speziell im Wirtschaftsumfeld wichtig ist und es den Unternehmen
     eines Landes leichter macht, mit und durch Freie Software
     wirtschaftlich erfolgreich zu sein.

     Was sehen Sie als die Höhepunkte Ihres lobbyistischen Schaffens an?
     Was haben Sie in den vergangenen zwei Jahren seit der Gründung der
     Plattform erreicht?

     Greve: Seit der Gründung der FSF Europe Anfang 2001 konnten wir
     bereits einige Erfolge verbuchen. So waren wir zu Gesprächen und
     Vorträgen von Tokio bis nach Washington im Einsatz. Unsere
     Teilnahme am Vorbereitungstreffen für den Weltgipfel zur
     Informationsgesellschaft (WSIS) im Juli 2003 in Paris erfolgte als
     Teil der deutschen Regierungsdelegation. Andere Beispiele sind die
     Commission on Intellectual Property Rights der britischen
     Regierung, zu deren Expertenworkshop ich eingeladen war und die als
     Ergebnis den Entwicklungsländern den Blick auf Freie Software
     empfahl. Auch im Rahmen der Europäischen Kommission waren wir
     aktiv. So gelang es uns etwa, im Gebiet der Information Society
     Technologies (IST) eine generelle Aussage zugunsten Freier Software
     unterzubringen, die Projekten Freier Software einen
     Evaluationsbonus bei der Vergabe der Fördergelder gibt.

     Ist der Kampf gegen einen Milliardenkonzern wie Microsoft, der
     stellvertretend für die Welt des geschlossenen, proprietären
     Quellcodes steht, nicht trotzdem oft frustrierend?

     Greve: Zunächst einmal kämpfen wir nicht gegen Microsoft, auch wenn
     die Firma das manchmal anders zu sehen scheint. Das Monopol, das
     Microsoft innehat, ist das zu erwartende Ergebnis eines auf
     proprietärer Software aufgebauten Systems. Wäre es nicht Microsoft,
     wäre es jemand anders. Natürlich hat der aktuelle Inhaber des
     Monopols mehr zu verlieren als Andere und wehrt sich
     dementsprechend heftiger, doch ist uns nicht daran gelegen, ein
     Monopol gegen ein Anderes zu ersetzen. Wir möchten das System
     dahingehend ändern, dass es weniger Tendenzen zur Monopolisierung
     gibt. Dabei sind wir bereit, auch Microsoft auf dem Weg zu Freier
     Software zu unterstützen -- obwohl es vermutlich noch dauern wird,
     bis Microsoft diesen Schritt unternimmt.

     Die FSF Europe hat sich gegen die Einführung von Softwarepatenten
     ausgesprochen - die Haltung der EU-Kommission und von Teilen des
     Europaparlaments weist aber in die entgegen gesetzte Richtung.
     Zeigen sich hier die Grenzen des Lobbyings im Namen der Freien
     Softwareentwickler?

     Greve: Softwarepatente schaden der Freien Software extrem, sind
     aber nicht eine ausschließliche Frage der Freien Software.
     Tatsächlich geht es hier eher um Belange kleiner und
     mittelständischer Unternehmen. Diese mögen in Europa den größten
     Teil des Bruttosozialproduktes erwirtschaften, haben aber praktisch
     kaum politisches Gewicht. Es sind vor allem Organisationen wie die
     amerikanische Business Software Alliance (BSA), die zugunsten von
     Softwarepatenten arbeiten. Dass die BSA kein einziges europäisches
     Mitglied hat, macht diesen Umstand besonders pikant. Bei einer
     Umfrage der Europäischen Kommission zum Thema äußerte sich die
     Mehrheit der europäischen Unternehmen übrigens klar kritisch zu
     Softwarepatenten. Die Auswerter der Studie haben sich im Nachhinein
     dennoch für Softwarepatente ausgesprochen, nachdem die Stimmen
     entsprechend des Finanzvolumens der Unternehmen gewichtet wurden.

     Wie sich schwammige Patentansprüche gegen die Community einsetzen
     lassen, zeigt der heftige Streit zwischen SCO und der Linux-Welt.
     Ist das ein Ausblick auf kommende Schlachtfelder oder der Nachhall
     eines im Sterben liegenden Softwareverständnisses?

     Greve: Die SCO-Auseinandersetzung ist der Todeskampf einer Firma,
     die bereits seit Jahren kein klares Konzept und keine innovative
     Kraft mehr hat. Daher versuchen sie, mit solchen Manövern eine
     übernahme zu erreichen oder zumindest den Aktienkurs kurzfristig in
     die Höhe zu treiben. Obwohl SCO selber Freie Software vertrieben
     hat, hat das Management sie offensichtlich nie verstanden. Insofern
     zeigt sich hier, dass es nicht reicht, sich Freie Software auf die
     Fahnen zu schreiben, ohne sie auch in ihren Grundlagen zu
     durchdringen. Bei SCO saß man aller Wahrscheinlichkeit der irrigen
     Ansicht auf, es handele sich bei GNU/Linux nur um ein neues
     Betriebssystem.

     Momentan wird in vielen europäischen Ländern die umstrittene
     Urheberrechtsrichtlinie aus Brüssel umgesetzt. Wo liegen hier und
     in der geplanten Verschärfung des Paragraphenwerks die Gefahren für
     die Freie Software?

     Greve: Die Gefahren der European Copyright Directive (EUCD) sind
     nicht auf Freie Software beschränkt, treten dort aber besonders
     deutlich zutage. Die Strafbarmachung der "Umgehung technischer
     Schutzmaßnahmen" bedeutet die teilweise Umwandlung der Demokratie
     in eine Technokratie. Sie erlaubt es, Barrieren im öffentlichen
     Raum zu schaffen, deren überschreitung strafbar ist. So hat
     beispielsweise Scientology die entsprechende Gesetzgebung in den
     Vereinigten Staaten, den Digital Millennium Copyright Act (DMCA),
     erfolgreich zur Zensur eingesetzt. Ein anderes Beispiel ist das des
     norwegischen Teenagers Jon Johansen, der wegen Verletzung des DMCA
     angeklagt wurde: er hatte die Möglichkeit geschaffen, regulär
     gekaufte DVDs auch unter GNU/Linux abzuspielen. Das eigentliche
     Ziel von DMCA und EUCD ist es, die Auseinandersetzung mit Software
     selbst dann strafbar zu machen, wenn diese völlig legal ist. Es
     geht um die Implementierun eines Digitalen Restriktionsmanagements
     (DRM), von dem sich die Plattenindustrie die Lösung ihrer internen
     Strukturkrise verspricht. Erforderlich ist dafür die totale
     überwachung des Nutzers. Das verträgt sich naturgemäß nicht mit
     Freier Software, die darauf ausgelegt ist, dem Nutzer die Freiheit
     der Kontrolle über seine informationelle Umgebung zu geben.

     Sie haben im Februar das Fiduciary Licence Agreement (FLA)
     veröffentlicht. Was genau ist das und wer profitiert davon?

     Greve: Die Treuhänderische Lizenzvereinbarung (FLA) erlaubt es
     Autoren Freier Software, die FSF Europe oder eine andere
     Organisation zum Treuhänder ihrer Rechte zu machen. Dadurch kann
     die FSF Europe die langfristige juristische Wartbarkeit und
     Sicherheit Freier Software gewährleisten und zudem die Autoren vor
     einem Teil des juristischen Risikos schützen. Die FSF Nordamerika
     macht dies bereits seit einiger Zeit für das GNU-Projekt und das
     hat sich gerade auch im SCO-Fall von unschätzbarem Wert erwiesen.
     Nicht umsonst konzentrieren sich alle Angriffe von SCO
     ausschließlich auf den Linux-Kernel des GNU/Linux-Systems, denn
     dort wurden solche Vorkehrungen nicht getroffen. Nutznießer des FLA
     sind also die Autoren und Nutzer Freier Software, vor allem auch
     die kommerziellen Nutzer, die auf eine entsprechende
     Rechtssicherheit angewiesen sind.

     Im Dezember steht der World Summit on the Information Society in
     Genf an, auf dem im internationalen Rahmen die Weichen für die
     vernetzte Gesellschaft gestellt werden sollen. Die FSF Europe
     vertritt dabei mit die Interessen der Netzbürger. Haben Sie ein
     gutes Gefühl oder werden sich die großen Konzerne hier ähnlich wie
     in der World Intellectual Property Organization (WIPO) durchsetzen?

     Greve: Tatsächlich steht dies zu befürchten. Momentan tun viele so,
     als ob der WSIS der falsche Ort sei, um die Rechte an der
     Informationsgesellschaft zu diskutieren. Dies solle man lieber
     innerhalb der WIPO tun, heißt es. Dazu kommen Probleme mit
     Regierungen, die sich gegen diese Diskussion mit dem Argument
     wehren, sie sei Aufgabe einer Menschenrechtskommission. Dass
     Informationstechnologie auch dazu eingesetzt werden kann,
     bestehende Menschrechte de facto außer Kraft zu setzen, fällt
     schnell unter den Tisch.

     Was ist nötig, um Software als "Kulturgut" stärker ins öffentliche
     Bewusstsein zu hieven?

     Greve: Zunächst einmal ist es wichtig, dass Menschen beginnen, zu
     verstehen, wie sehr Software bereits in das tägliche Leben
     eingedrungen ist. Im Zweifelsfall müsste dies auch an Schulen und
     Universitäten behandelt werden. Grundkenntnisse im Programmieren
     wären hilfreich dabei, die Möglichkeiten der
     Informationstechnologie zu verstehen. Das Wissen um grundlegende
     Zusammenhänge und die Existenz bestimmter Fragen und Gefahren
     dürfte unverzichtbar sein. Teil des Problems ist, dass diese Fragen
     in den Medien üblicherweise im Technik- oder Wissenschaftsteil
     behandelt werden, obwohl sie eher in den politischen Teil und oder
     ins Feuilleton gehören.

     Kann die freie Softwaregemeinde heute bereits mit ausreichenden
     Alternativen zur proprietären Softwareentwicklung aufwarten?

     Greve: Ja, alle Standardprobleme lassen sich ebenso gut oder sogar
     besser lösen. Speziell bei den vernetzten Aktivitäten hat Freie
     Software klar die Nase vorn - der größte Teil des Internet basiert
     darauf. Mittlerweile lässt sich sagen, dass GNU/Linux nicht mehr
     schwerer zu bedienen ist als beispielsweise Windows. Allerdings
     sollten Umsteiger die Bereitschaft mitbringen, sich mit etwas Neuem
     auseinanderzusetzen. Die Ausnahme bilden im Moment noch einige
     branchenspezifische Lösungen, die häufig auf Windows
     maßgeschneidert wurden. Doch auch hier lassen sich in der Praxis
     oft Lösungen finden und es zeigt sich, dass diese Lücken zunehmend
     geschlossen werden.

     Monopole wie Microsoft erleichtern Anwendern häufig das Arbeiten
     mit dem Computer, etwa durch die raschere Etablierung von
     Standards. Ist das wirklich immer nur schlecht für den
     (Dumm-)Nutzer, der selbst mit dem Quellcode gar nichts anfangen
     kann?

     Greve: Im professionellen Bereich gelten andere Kriterien und
     Maßstäbe, doch begegnet man dieser Frage gelegentlich im Bereich
     der Privatanwender. Allerdings erweist sich die Annahme bei Licht
     betrachtet als auf Sand gebaut. Zu den wesentlichen Eigenschaften
     des proprietären Software-Paradigmas gehört die Notwendigkeit von
     erzwungenen Updates. Diese erfordern von den Nutzern zum Teil eine
     wesentliche Umstellung und es wird oft bewusst die Kompatibilität
     zu alten Versionen aufgegeben. Dazu kommt, dass der Preis für diese
     scheinbare Standardisierung recht hoch ist und die Frage nach dem
     Sourcecode dafür sekundär ist. Vom gesellschaftlichen Standpunkt
     zentral ist die persönliche informationelle Freiheit und
     Selbstbestimmung des Nutzers.

     Was entgegen Sie Kritikern, die der FSF einen Hang zum Dogmatismus
     vorwerfen? Wäre es manchmal nicht sinnvoller, statt auf Begriffen
     wie "Freier Software" statt "Open Source" oder "GNU/Linux"
     herumzureiten, pragmatischer vorzugehen?

     Greve: Leider scheint es, dass heutzutage "pragmatisch" oft als
     Synonym für kurzsichtig herhalten muss. Das halte ich für
     problematisch. Die Free Software Foundation hat sich immer um
     langfristige Perspektiven bemüht und ist zumeist außerordentlich
     pragmatisch vorgegangen. Ein gutes Beispiel ist die GNU General
     Public License (GPL), die meistverwandte Lizenz Freier Software,
     die von der FSF herausgegeben, gewartet und geschützt wird. Diese
     Lizenz ist sehr bewusst so geschrieben, dass sie die maximale
     Freiheit der Mehrheit schützt -- unter der Annahme, dass manche
     Menschen sich egoistisch verhalten. Sie funktioniert ausgezeichnet
     in einer rein pragmatischen Welt. Deswegen setzen sie Unternehmen
     wie IBM ein. Was die Begriff angeht, so zeigt die Erfahrung, dass
     diese die Art und Weise beeinflussen, wie Menschen denken. "Open
     Source" wurde 1998 als Marketingbegriff für Freie Software
     vorgeschlagen. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass er speziell
     bei Nicht-Entwicklern den wahren Inhalt, die Freiheit, nicht
     vermittelt. Dazu kommt, dass der Begriff sich als anfällig für
     Missbrauch und inflationäre Verwendung erwiesen hat. Pragmatismus
     kann auch bedeuten, einen Marketingversuch aufzugeben, wenn klar
     wird, dass er mehr schadet als nutzt.

   Last update: $Date: 2004/01/12 13:54:41 $ $Author: greve $ [5]Über
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   beliebiger Form ist gestattet, sofern dieser Hinweis erhalten bleibt.

References

   1. http://www.germany.fsfeurope.org/index.de.html
   2. http://viadrina.euv-frankfurt-o.de/~sk/Pub/interview-greve.html
   3. http://www.germany.fsfeurope.org/
   4. http://gnuhh.org/
   5. http://www.germany.fsfeurope.org/about/about.de.html
   6. http://www.germany.fsfeurope.org/associates/associates.de.html
   7. http://www.germany.fsfeurope.org/contact/contact.de.html
   8. http://www.germany.fsfeurope.org/documents/documents.de.html
   9. http://www.germany.fsfeurope.org/help/donate.de.html
  10. http://www.germany.fsfeurope.org/events/events.de.html
  11. http://www.germany.fsfeurope.org/help/help.de.html
  12. http://www.germany.fsfeurope.org/news/news.de.html
  13. http://www.germany.fsfeurope.org/order/order.de.html
  14. http://www.germany.fsfeurope.org/press/index.de.html
  15. http://www.germany.fsfeurope.org/projects/projects.de.html
  16. http://www.germany.fsfeurope.org/projects/community.de.html
  17. http://www.germany.fsfeurope.org/projects/legal.de.html
  18. http://www.germany.fsfeurope.org/projects/other.de.html
  19. http://www.germany.fsfeurope.org/projects/technical.de.html
  20. http://www.germany.fsfeurope.org/help/thankgnus.de.html

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Georg C. F. Greve                                 <greve fsfeurope.org>
Free Software Foundation Europe	                 (http://fsfeurope.org)
GNU Business Network                        (http://mailman.gnubiz.org)
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