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[ox] Eine Antwort auf die Brötchenfrage



Benni Baermann schreibt:

Das erstaunliche an Freier Software ist ja gerade, dass es viele
verschiedene Kräfte sind, die sie vorantreiben, darunter so mächtige,
wie globale Konzerne und Nationalstaaten, aber eben auch die sich
selbst entfaltenden Individuuen der Multitude. Genau dies passiert
aber bei der globalen Subsistenz nicht. Weder ist eine breite Bewegung
in Sicht, die so etwas von unten organisieren würde, noch gibt es
mächtige "global Players", die ein Interesse an einer solchen
Entwicklung von oben haben, geschweige denn, dass sich die Interessen
von beiden treffen. Gutes Zureden wird da nicht weiterhelfen. Es
scheint also ganz materielle Gründe zu geben, die eine solche
Entwicklung verhindern. Selbst diese zu benennen hilft alleine noch
nicht weiter. Es ginge darum, eine Variante dieser globalen Subsistenz
zu entwickeln, die dieses Handicap nicht hat. 

Ganz Deiner Meinung. Ich teile auch die Einschätzung, daß die
Digitalisierung sowohl die
Monopolisierung als auch die freien koopertativen Entwicklungen extrem
fördert.

Den Schluß, das Oekonux Projekt aufzulösen kann ich nicht teilen, ganz im
Gegenteil.
Der Übertragungsgedanke ist immer noch produktiv, siehe unten.

Wir müssen uns dessen bewußt werden, daß wir keinen Geschichtsautomatismus
auf 
unserer Seite haben. Wir müssen etwas TUN. 

Wir sind selber ständig Teil der Geschichte,
über die wir reflektieren.

Du schreibst, daß es kein Interesse an Globaler Subsistenz gibt. Da bin
ich mir
nicht so sicher. Ich bin mir sicher, wenn das Konzept in Gang kommt, wird
es eine
unaufhaltsame Eigendynamik annehmen. Für das in Gang kommen müssen wir
aber sorgen,
das geschieht nicht ohne unser Zutun. Wir sind aber viele Millionen
kreativer Menschen,
und jeder braucht nur ein wenig beachten, was die anderen schon tun.
Interessanterweise
finden die meisten das Konzept globaler Subsistenz gut. Und jeden Tag
entdecke ich
einen neuen Baustein und einen neuen Schritt dorthin!

In diesem Sinn schrieb ich folgende Mail an meine Netzwerke, die nichts
anderes ist 
als eine kommentierte Weiterleitung einer mail an den Solarstammtisch -und
ich mach jetzt
einfach eine neue Weiterleitung. Ich glaub, ich gebe damit einen Teil der
Antwort auf Deine
Brötchenfrage - danke daß Du sie aufgeworfen hast.

Hallo Give-Liste, 

nach längerer Sendepause leite ich Euch folgendes Schreiben weiter, das
ich vor einigen Tagen den Proponenten des Wiener Solarstammtisches
geschickt habe. Die Adressaten hätten auch die Gruppe Angepaßte
Technologie oder Permakultur Austria sein können, oder die Vereinigung für
Agrarwissenschaftliche Forschung oder eines der vielen anderen Netzwerke
im Bereich der Revolutionierung unseres Umgangs mit Materie und Energie.
Der Inhalt ist nicht so spezifisch, er betrifft ein notwendiges Cross-Over
zwischen Ökologiebewegung und freier Software, das eigentlich schon längst
fällig ist. 

Jetzt gibt es einen Anlaß dieses Chrossing over zu thematisieren, und ich
möchte ihn schlicht bekannt machen. Die Rede ist von der Oekonux-Konferenz
im Mai im NIG der Universität Wien.

Ich denke da könnte eines der wirklich wichtigsten Ereignisse dieses
Jahres draus werden - es darf nur nicht als Treffen einiger abgehobener
Computerspinner wahrgenommen wird, sondern als ein Zusammenkommen vieler
verschiedener Entwicklungen, die gemeinsam eine große Wirkung haben
werden! Gerade heute war eine spannende Diskussion in Anschluß an eine
Präsentation von Sabine Liechtenfels und Rainer Ehrenpreis über die
geplante Experimentalsiedlung "Monte Cerro", in der Konsens erzielt wurde,
daß das Thema freie Technologien in einer Zeit der miteinander
kommunizierenden Dörfer nicht mehr aufzuhalten ist. Die freie kooperative
Entwicklung und Verbreitung von Wissen und die simultane Anwendung in
vielen dezentralisierten Lebensräumen verstärken einander und werden nicht
nur der verhängsnisvollen Tendenz zur Monopolisierung und Lizensierung
sogenannten intellektuellen Eigentums entgegenwirken, sondern stellen
meines Erachtens auch die einzige wirkliche Gestalt für eine nachhaltige
Alternative zum derzeitigen epochalen Niedergang in Wirtschaft und Politik
dar.

Zusätzlich zum im Text erwähnten Open Source ecology Programm ist mit
http://www.open-craft.org/ auch der erste Ansatz einer virtuellen offenen
Kooperative im Bereich des Handwerks ans Netz gegangen. Die Entwicklungen
eines offenen Sektors und damit die wirkliche Entfaltung
zivilgesellschaftlicher Logik befindet sich noch immer im Stadium
embryonaler "Keimformen"; doch die Multiplikation dieser Keimformen, das
Heranreifen kooperativer Projekte die im Kern die Logik der Ökonomie
hinter sich lassen und eine Logik partizipativer ressourcen entfalten, ist
ein sehr ermutigendes Zeichen.

In diesem Sinn wollte ich Euch alle auch auf die Möglichkeit, sich aktiv
oder passiv an dieser Konferenz zu beteiligen, hinweisen -
www.oekonux-konferenz.de - z.B. auch in Form von Workshops zu Themwen wie
dem unten beschriebenen.

Jede Form der Unterstützung der hier geäußerten Gedanken ist darüber
hinaus gerade jetzt höchst wirksam!

mit besten Grüßen

Franz Nahrada

-----------------------------------------------

Liebe Freunde vom Solarstammtisch!

Durch die freundliche Unterstützung von Univ.Prof. Herbert Hrachovec von
der Uni Wien wird vom 20. - 23. Mai  Mai dieses Jahres eine Konferenz über
Freie Software und ihre gesellschaftlichen Folgen stattfinden: die Dritte
Internationale Oekonux - Konferenz. 
Auf dieser Liste wurde mit so viel Erfolg diskutiert, daß sich die
Teilnehmer schon zwei mal, in Dortmund und Berlin, getroffen haben. Dabei
reisen Teilnehmer aus aller Welt an. Und heuer kommen sie nach Wien!

Die Konferenz steht unter dem Motto "Reichtum durch Copyleft -Kreativität
im Digitalen Zeitalter".

Konferenzsite: www.oekonux-konferenz.de


Sie mögen nun zu recht fragen: was hat das mit Solarenergie und
erneuerbaren Energien zu tun?

Nun, der Gegenstand dieser Konferenz ist weniger die technische Seite des
Betriebssystems Linux  oder anderer freier Softwareprodukte, sondern die
Frage der gesellschaftlichen Bedeutung und Wirk-kraft dieses Phänomens.
Und die ist eigentlich erstaunlich!

Bei Linux wird es mit jedem Tag offensichtlicher, daß ein freies
kooperatives Produkt sich besser dazu eignet, alle möglichen technische
Anforderungen zu erfüllen als das Produkt eines unermeßlich reichen
Weltkonzerns. Dieses kooperative Produkt ist tendenziell unerschöpflich,
für jedermann frei und ohne Bezahlung verfügbar, mit gewissen
Fachkenntnissen nutzbar und bildet - zu Ende gedacht - die Grundlage einer
freieren Gesellschaft in der nicht eine Minderheit mit ihren Monopolen die
Mehrheit kontrolliert.

Alles dies sind Parallelen zur Solarenergie. 

Ich behaupte, daß die Solarenergie (bzw.ihre Derivate Biomasse, Wind,
Wasser etc.) und freie Software sozusagen natürliche politische,
ökonomische und soziale Zwillinge sind. Freies Wissen und freie Ressourcen
gehören zusammen!

Soweit mir bekannt ist, hat noch niemand sich diese innere Verwandtschaft
genau angesehen. Ich würde gerne mit Interessierten aus Ihrem Kreis im
Zuge der Oekonux - Konferenz genau diese Frage  näher anschauen:

* Ist die Freie Software - oder allgemeiner: die freie Ressource Wissen - 
mit ihrer Qualitäten der 
- beliebigen Reproduzierbarkeit, 
- Unmöglichkeit jeder künstlichen Verknappung und Monopolisierung, 
- Stärkung der Fähigkeiten von unabhängigen und kleinen Unternehmen bzw.
autonomer Gemeinschaften und 
- kooperativen Entwicklungsstrategien 
nicht ein natürlicher Verbündeter der gesellschaftlichen Tendenzen, die
auf die Nutzung der freien Ressource Sonne und den Qualitäten erneuerbarer
Ressourcen und Kreislaufprozesse setzen?

* deutet sich durch die Verbindung dieser beiden Bereiche nicht so etwas
wie eine neue Ökonomie jenseits des Dogmas der Knappheit an -  eine
Ökonomie der freien Güter und partizipativen Ressourcen, die gerade nicht
im herkömmlichen Sinn "bewirtschaftet" zu werden brauchen, um
gesellschaftlich verfügbar zu sein?

Wir entdecken daß die Natur ein phantastisches Modell der Produktion von
Reichtum durch Hochtechnologie ist; die "Kraftwerke" der Pflanzen, ihre
Speicher- und Verbrennungsmechanismen etc. sind im Wirkungsgrad unseren
Technologien noch immer überlegen; und dabei kommt die Natur ohne
"geistiges Eigentum" sowie ohne Geld und Preis aus! Ganz im Gegenteil: der
beständige Stoffluß und die optimale Allokation von Prozessen (natürliche
Kreislaufwirtschaft) sind eigentlich evolutionäre Vorbilder einer
Wirtschaftsform, zu der wir uns erst hinarbeiten müssen. Einer
Wirtschaftsform, die weitgehend wieder dezentral werden kann, basierend
auf autonomen Einheiten, die aber vom gewaltigen Grad der globalen
Wissensvernetzung profitiert.

Der Mensch verfügt, wie Paolo Soleri es einmal ausgedrückt hat, über zwei
Quellen seiner Existenz: die "äußere Sonne" der Natur, die uns alle
Energie unseres Lebens auf diesem Planeten schenkt, und die "innere Sonne"
von Wissen und Kultur, die es uns gestattet, voneinander zu lernen und
Fortschritte zu machen.

Diese Ökonomie der "zwei Sonnen" ist eine in der sich die beiden Seiten
notwendige ergänzen: denn noch immer ist die Frage ungelöst, wie sich die
Freiheit und Produktivkraft des Wissens, dieser Ressource die "mehr wird
indem man sie teilt", adäquat in der materiellen Welt ausdrückt, in der
die Ressourcen angeblich knapp und endlich sind. Die Antwort liegt auf der
Hand: die materielle Welt ist durchaus voller reproduzierbarer und
insoferene freier Ressourcen, die wir durch Verbreitung von Wissen und
Automation immer besser nutzen können.

Die wichtigste dieser Ressourcen ist die Solarenergie bzw. die Formen in
denen sie gespeichert und wiederverfügbar gemacht werden kann. Ihr Ausmaß
übersteigt bis auf weiteres den gesellschaftlichen Energiebedarf gewaltig;
nur unsere Fähigkeit sie zu nutzen ist noch minimal.

In diesem Sinn wollte ich wie gesagt zu einem Workshop einladen; nun ist
aber noch eine zusätzliche  positive Überraschung dazwischengekommen.

Aus Amerika erreichte mich die Bewerbung von Dr. Marcin Jakubowski von
Open Source Ecology, Inc., der daran arbeitet, die Schnittstelle zwischen
den Bereichen "erneuerbare Energien" und "freie Software" zu gestalten. In
diesem Bereich ist die Entwicklung rasant, und ich hätte nicht gedacht daß
es so bald zu einer Berührung kommen wird. Dr. Jakubowski hat angeboten,
im Fall seines Kommens (erst muß sein Vortrag noch durch oekonux
approbiert werden) auch einen Vortrag auf dem Solarstammtisch am 27. Mai
zu halten, das wäre nur wenige Tage nach unserer Konferenz.

Sie finden seine im Aufbau befindliche Website unter http://sourceopen.org

Ich würde mich freuen, Feedback zu diesen Anregungen zu erhalten und
verbleibe 

mit freundlichen Grüßen

Ihr 

Franz Nahrada
vom Labor für Globale Dörfer (GIVE)
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PS: Benni, ich möchte mit Dir und anderen den Workshop zur Brötchenfrage
machen. Meine Antworten sind ja bekannt, und ich würde gerne noch
rumfragen, wer sich beteiligen möchte. 
Franz

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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