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[ox] P2P-Steuer und mehr: copy kills (music kills) capitalism



Hi Liste!

Für den 22.1.05 bin ich nach Leipzig zu einer Podiumsdiskussion mit
dem Titel

	copy kills (music kills) capitalism

eingeladen (Details siehe

	http://www.oekonux.de/projekt/ontour.html

). Ich habe das Vergnügen mit Oliver Moldenhauer (attac AG
Wissensallmende) und Matze Schmidt (n0name) auf dem Podium zu sitzen.

Der Anlass für die Veranstaltung ist u.a. die Diskussion um den
Vorschlag für die P2P-Steuer - aka Content Flatrate -, die nach diesem
Vorschlag zwecks Legalisierung von P2P-Kopien auf Internet-Zugänge
erhoben werden soll. Ging hier auch vor einiger Zeit schon mal über
die Liste. Threads beginnen bei:

	http://www.oekonux.de/liste/archive/msg08472.html
	http://www.oekonux.de/liste/archive/msg08525.html

Wenn ich's recht verstanden habe, dann ist die Veranstaltung aber
nicht auf dieses relativ enge Thema fixiert, sondern Weitergehendes
erwünscht. Mein Part ist dabei - leicht zu erraten ;-) - die eher
utopische Seite.

BTW: Die Content-Flatrate-Initiative scheint auch schon wieder
beerdigt zu sein. Die auf

	http://www.contentflatrate.org/

angekündigte Unterschriftensammlung hat es wohl nie gegeben und wie
ich gelesen habe, hat auch leider, leider das deutsche
Justizministerium den Vorschlag bei der Diskussion um den zweiten
Korb der Urheberrechtsreform nicht ernsthaft in Betracht gezogen. So
gesehen totes Fleisch. Aber die Logik dahinter scheint mir durchaus
nicht tot.

Ich würde zur Vorbereitung der Veranstaltung gerne den Komplex nochmal
hier diskutieren. Ich bin noch nicht sicher, wie ich mein
Eingangs-Statement (10 Min.) anlegen will, aber es wäre vielleicht
schick, wenn es in ein paar zünftigen Thesen enden könnte. Vielleicht
können wir ja hier was in dieser Richtung erarbeiten. Außerdem würde
ich mich natürlich gerne hier noch inhaltlich weiter vorbereiten, so
dass ich in der Diskussion auch was Intelligentes zu sagen habe :-) .

Der Hit wäre es natürlich, wenn wir zu diesem Themenkomplex was
Substantielles zu sagen hätten:

4 months (138 days) ago tt wrote:
wir werden nicht drum rum kommen, die jeweiligen felder der
wissensproduktion mit den ihnen eigene produktionsbedingungen zu
analysieren, und jeweils adäquate lösungsvorschläge zu erarbeiten, die
im
endeffekt eine sinnvolle informelle balance im umfeld digitaler netze
garantieren.

Das möchte ich nochmal unterstreichen.

Wobei ich es aber ein wenig vermessen fände, Lösungsvorschläge
erarbeiten zu wollen. Ich bin sicher, dass die entsprechenden
AkteurInnen das bei Bedarf sehr gut selbst können.

ich denke das war etwas missverständlich formuliert. ich wollte nur
anmerken, dass keineswegs um eine triviale frage geht. im gegenteil, es wird
 wohl sehr inteligenter konzepte bedürfen, um eben eine real existirende
urheberrechtliche balance zu erzielen, die eine produktion ermöglicht und
gleichzeitig eine möglichst breite teilhabe erlaubt.

ausserhalb der wissenschaftsbereichs werden "die entsprechenden AkteurInnen"
diese konzepte wohl kaum entwickeln. die content-industrie ist der einzige
beteiligte der seine interessen artikulieren und wahrnehmen kann. und so
sieht es auch aus.
ich denke schon, dass es wichtig ist hier gegenkonzepte zu entwickeln.
durchsetzen müssen diese, da geb ich dir recht, die betroffenen dann selbst.

Ich bin die Debatte auf der WOS-Liste nochmal durchgegangen und habe
mal einige wichtige Gedanken von dort extrahiert. Ich habe das ein
bisschen strukturiert, aber noch nicht beschnitten. Ich werfe das in
dieser recht rohen Form mal hier rein und freue mich über Feedback
aller Art.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

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Ziel der P2P-Steuer
-------------------

* Ziel: Verhinderung von DRM

  * Wo ist eigentlich das grundsätzliche Problem von DRM?

    * Schließlich wird ja niemensch gezwungen

  * DRM wäre gerechter als heutige Verwertungsgesellschaften

    * Verwertungsgesellschaften sind Notlösung weil individuelle
      Abrechenbarkeit bei analogen Kopien nicht gegeben ist

    * Verwertungsgesellschaften werden mit DRM überflüssig

    * Alternativ könnten veränderte Verwertungsgesellschaften auf
      DRM-Technolgie basieren

      * Damit wäre die Gerechtigkeit auf jeden Fall erhöht

  * Sind unbedenkliche DRM-Formen möglich?

    * Sind DRM-Formen denkbar, die nicht mit BigBrother identisch
      sind?

    * Sind DRM-Formen denkbar, die die bekannten Schranken des
      Urheberrechts (Wissenschaft, Bildung, Privatkopie, etc.)
      gewährleisten?

    * Die marktgerechte Lösung wäre doch ein unbedenkliches DRM-System
      anzubieten

  * DRM könnte helfen, den Unterschied zwischen Freien und
    proprietären Informationsgütern klar zu machen

  * P2P-Steuer verhindert DRM nicht per se

    * DRM ist ja damit nicht verboten

  * P2P-Steuer bricht nicht mit der DRM-Logik

    * Stellt nur von individuell auf steuerfinanziert um

* Ziel: Kompensation der UrheberInnen / Interessenausgleich

  * Das wäre im Musikbereich neu

    * Gute MusikerInnen machen ihre Kunst auch ohne (große)
      Kompensation

      * Investieren vielmehr in Equipment und Ausbildung

    * Gibt es denn überhaupt eine reale Notlage?

      * Musikindustrie jammert immer

      * Wer geriete eigentlich sonst in Not?

    * In Großbritannien leben 900 Menschen vom Komponieren

    * MusikerInnen - also die potentiellen Nutznießer - sind durchaus
      nicht geschlossen gegen P2P

      * Flatrate würde auch diese, eigentlich positive Haltung
        aufweichen

  * Das wäre auch in anderen Bereichen neu

    * Z.B. bei der Textproduktion

      * Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften bedeuten dort ja
        öfters bestenfalls ein Taschengeld

  * Wie soll denn auch nur annähernd eine gerechte Aufteilung des
    Kuchens hinsichtlich verschiedener Medien erfolgen?

    * Ist ein 5-Minuten-Song mehr oder weniger (geld-)wert als ein
      5-Minuten Film?

  * Soll dieses System *wirklich* aufrecht erhalten werden?

    * Incl. der Witwenversorgung?

    * Incl. dem fetten Anteil, den die Verlage und eben nicht die
      UrheberInnen einstreichen?

    * Wenn nicht müsste ein völlig neues System installiert werden

  * Wären ggf. andere Kompensationsmodelle nicht sinnvoller?

    * Da wären die Street-Musician-Modelle doch plausibler

      * Was z.B. auch die c't-Aktion "50 Cent und gut" nahe zu legen
	scheint

      * Würden einen riesigen Verwaltungsapparat unnütz machen

      * Würde KonsumentInnen die Freiheit lassen

      * Würde nicht pauschal alle betreffen

  * Vermutlich ist die Problematik der Kompensation in der Praxis
    nicht innerhalb des Copyright-Systems lösbar

    * Kompensation - genauer: Geldversorgung - von Kreativen müsste
      völlig neu geregelt werden

  * Wo sollen die Schranken sein?

    * Z.B. auch für proprietäre Software?

    * Für alle möglichen Web-Sites?

    * Wie hoch soll denn diese Steuer dann sein?

    * Das ist der echte Einstieg in die lange befürchtete Auspreisung
      / Kommerzialisierung des Webs!

  * Warum sollen die Schranken dort sein?

    * Tiefer liegendes Problem: Digitale Kopie ist universell

  * Höhe der Kompensation soll auch über Messung erfolgen

    * Wo ist der genaue Unterschied zu DRM?

      * Wie soll die Nutzung denn z.B. In-House gemessen werden?

  * Ist Verwertung ein *Recht* der UrheberInnen?

    * So etwas wird gesellschaftlich entschieden und kann sich ändern

  * Musikindustrie ist übrigens nicht begeistert von einer P2P-Steuer

    * Sind es die UrheberInnen?

  * Auch die UrheberInnen müssten die P2P-Steuer zahlen

* Ziel: Kriminalisierung von P2P-NutzerInnen verhindern

  * P2P mit Copyright-Material *ist* nach dem Willen der UrheberInnen
    aber illegal

    * So wie die Betätigung außerhalb der Zünfte illegal war

    * Oekonux-Perspektive: Das ist so beim Übergang von einem Regime
      zum nächsten

      * Folgerung: Einfach aushalten?

  * Pauschale Steuer ist ungerecht

    * Nicht alle nutzen P2P

    * Nicht alle gleichermaßen

  * Bei Software ist wirksamer Kopierschutz selten wirklich gewollt

    * Microsoft wäre ohne Raubkopien wohl niemals so groß geworden

  * Ist die massenhafte Kriminalisierung überhaupt realistisch?

    * Das wird seit Napster (ca. 2000) befürchtet

    * Außer viel Schaumschlägerei ist aber nicht wirklich viel
      passiert

    * Im Gegenteil: Mangels Unrechtsbewusstsein diskreditiert sich die
      Musikindustrie selbst mit ihren Hammer-Spots

* Ziel: Stärkung und Demokratisierung der Verwertungsgesellschaften

  * Kann das ernsthaft ein Ziel sein?

  * Ist deren Demokratisierung denn überhaupt realistisch?

  * Funktioniert heute schon nicht für die UrheberInnen

  * Das Problem der exklusiven Vereinnahmung der UrheberInnen durch
    die GEMA könnte auch durch nicht-universelle Mitgliedschaft
    einfacher gelöst werden

  * Noch eine Verwertungsgesellschaft (Online-VG)?

  * Was ist mit internationaler Nutzung vs. nationaler
    Verwertungsgesellschaft?

* Fehlanzeige: Stärkung Freier Inhalte

  * Es ist aus NutzerInnensicht nicht einmal möglich, unkompensierte
    Inhalte zu bekommen

    * Interessen der UrheberInnen Freier Inhalte werden nachhaltig
      geschädigt

  * Copyright-Status der Inhalte bliebe erhalten

    * Weitere Werknutzung ist nicht möglich

      * Z.B. Remix

    * Bewußtsein für Copyright-Problematik wird in der Praxis
      verhindert

      * "Ich darf es doch jetzt sogar legal kopieren - was
        interessiert mich da noch Copyright."

  * KünstlerInnen bewegen sich in einem hoch-konkurrenten Raum

    * Geldquellen für künstlerische Betätigung sind knapp

    * Daran ändert die P2P-Steuer gar nichts

    * CreativeCommons ist da sinnvoller im Sinne eines Opus Magnus, an
      dem die UrheberInnen gemeinsam wirken


Ziele aus Oekonux-Perspektive
-----------------------------

* Kompensation überflüssig machen

  * Selbstentfaltung als zentralen Grund für Urheberschaft

* Verknappung von Informationsgütern abschaffen

  * Ist nicht materiell begründet

    * Bei materiellen Gütern ist dies zumindest einfacher

  * Ist nicht gerechtfertigt, da es keine genialen Informationsgüter
    gibt

    * Beitrag der Gesellschaft ist immer viel höher als jeder
      Einzelbeitrag

* Qualität ist bei Selbstentfaltung höher

  * Kein Schielen auf Verwertungsinteresse nötig wenn es kein
    Verwertungsinteresse gibt

  * Freie Software hat sich wegen dieser Qualität durchgesetzt


Realpolitik
-----------

* Es ist nicht klar, wie weit die DRM-Initiativen kommen werden

  * Technische Umsetzung ist schwierig

    * TPM

    * TCPA

    * Redesign des Computers an sich

  * Politische Umsetzung ist begrenzt

    * Privatkopie

  * Akzeptanz ist bescheiden

    * Un-CD-Kampagne der c't

    * Verbreitet fehlendes Unrechtsbewusstsein

* Es ist nicht klar, wie weit die Oekonux-Perspektive konkret werden
  kann

  * Tja ;-)

* Was ist sinnvolles Handeln?

  * P2P-Steuer stützt das bestehende System

    * Verwischt Grenzen zwischen Freier und restriktiver Welt

      * Der beste Weg der Integration einer Keimform

    * Macht durchsetzungsfähig, was der Musikindustrie nicht gelingen
      will

    * Ermutigt wertorientierte Produktion

      * Auch wenn die Ausschüttungen noch so gering sind, verkaufen
        viele ihre Seele

  * P2P-Steuer verhindert DRM nicht per se

    * Würde nur verhindert, wenn DRM gleichzeitig verboten würde

      * Wie realistisch ist das?

  * Bessere Forderung: Koexistenz von DRM und Freien Inhalten
    ermöglichen

  * Stärkung Freier Lizenzen wie z.B. CreativeCommons

  * Reform oder Revolution?

    * P2P-Steuer ist in allen Hinsichten ein sozialdemokratisches
      Modell

  * Sollten wir vielleicht geduldiger sein?

  * Ist Musikindustrie und P2P überhaupt so wichtig?

    * Wichtiger ist das, was im Bereich der Wissenschaft geschieht


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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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