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Re: [ox] Wieder mal Neues zum Kernthema und OHA



Hi Helmut!

Last month (33 days ago) Franz Nahrada wrote:
Franz Nahrada:

Ich bitte Dich mir diese Sachen näher zu erläutern. Wir haben das ja
vielerorts als "Transformationsproblem" bezeichnet und viele
verschiedene
Standpunkte existieren zum "Open Source Hardware" Problem. Bitte schalte
Dich ein, wenn Du möchtest.


Helmut Leitner:

Ich zögere, weil es mir grausam erscheint, den Idealismus der
OS-Transformation
zu bremsen. Andererseits scheint es noch grausamer, Freunde auf
labyrinthischen
Wegen gehen zu lassen.

Idealismus ist bei Oekonux glaube ich nicht so sehr im Spiel. Mehr
eine Form von Materialismus, die versucht mehr vom Menschen zu
verstehen, als dessen Orientierung am Geldwert.

Also: die meisten OS-Enthusiasten sind selbst keine Software-Entwickler und
verstehen die wirkenden psychologischen Mechanismen nicht. Was man nicht
versteht, kann man aber auch nicht so leicht übertragen.

Nun bin ich nicht sicher über die meisten OS-Enthusiasten, aber die
meisten EntwicklerInnen Freier Software sind jedenfalls auch relativ
enthusiastisch gegenüber diesem Modell. Und auch wenn nicht alle
glücklich über die Existenz von Oekonux sind, hat IIRC noch niemensch
aus diesen Reihen unsere theoretischen Überlegungen auf Grund der
Fakten ins Reich der Phantasie verwiesen. Bei den Weiterungen
gibt's halt unterschiedliche Auffassungen.

BTW gibt es z.B. von mir auch ein paar kleinere
Freie-Software-Projekte und manche bei [ox] sind bei wichtigen
Projekten dabei.

Es ist ein desillusionierendes Merkmal unserer Gesellschaft, dass sie den
Spalt zwischen dem Verfolgen von Eigeninteressen und der Verkauf dieser
Handlungen als gesellschaftliches Gutes, die Kluft zwischen Egoismus und
altruistischer Illusion marketingmäßig perfektioniert hat.

Ich glaube du machst hier schon den Kardinalfehler: Es geht bei Freier
Software *nicht* um Altruismus. Nichts wäre falscher. Etwas, was für
andere nützlich ist und mir nicht einen geldwerten Vorteil bringt ist
deswegen noch lange nicht altruistisch.

Die OS-Mechanismen bilden keine Ausnahme. OS entsteht, weil die Beteiligten
unmittelbare egoistische Vorteile lukrieren, nicht weil daraus ein gesamt-
wirtschaftlicher Nutzen entsteht.

Warum ist das ein unauflösbarer, ewiger Widerspruch?

Die Vorteile für den OS-Projektbetreiber sind:
  - die Maximierung von Marktanteilen durch Gratisvergabe, die zur
Fokussierung
    vno Feedback und Kunden-Innovationen führt und Gewinne aus Nachnutzung,
    und Dienstleistung verspricht. Kommerzielle Phantasie bleibt immer.

Du verwechselst Freie Software mit Werbegeschenken. Was genau haben
denn aber die ganz frühen EinzelkämpferInnen wie Linus und Richard
genau beworben? Da gab es schlicht nichts.

  - der Machtzuwachs als unkontrollierter "Maintainer" einer Software, an
den
    sich alle für Neuerungszulasssungen halten müssen.

Dieser Machtzuwachs löst sich schnell in Machtlosigkeit auf, wenn du
als MaintainerIn zu heftig gegen die Bedürfnisse der Mitwirkenden
verstößt. Das empfinden Leute i.d.R. dann eher als Belastung, als als
Machtzuwachs.

  - der Zuwachs an Reputation als "Center" eines erfolgreichen
OS-Projekten,
    der sich auch wieder in Kapitalien umwandeln lässt.

Ist für die durchschnittliche Feld-Wald-Wiesen-Freie-SoftwerkerIn
sicher auch kein realistischer Anreiz. Davon abgesehen ist es nicht
automatisch gut, wenn eine künftige ArbeitgeberIn in deinen Code
schauen kann...

Nichts davon ist Altruismus.

Auch die anderen Gründe nicht, wie z.B. Freude am produktiven Tun.

Im OS-Bereich ergibt sich Macht und Fokussierung durch die Natur der
Software.
Das "Forken" ist ein so schwieriger Prozess, dass er nur selten
unternommen
wird und gelingt.

Das Forken ist ganz im Gegenteil von der (Software-)Materie her
super-einfach. Repository ziehen, an anderer Stelle neu aufbauen und
gut.

Bei einem gut geführten Projekt ist es dagegen schwierig, das Projekt
quasi zu verdoppeln. Das gelingt aber bei schlecht geführten Projekten
und ist insofern Ausdruck einer Krise.

In anderen wirtschaftlichen Bereichen ergeben sich Fokussierung, Macht und
Reputation nicht annähernd im selben Ausmaß. Z. B. beim Know-How.


Beispiele:
   (1) Berater geizen mit ihren Ideen, weil sie davon leben, Ideen
       von A nach B zu tragen, die allbekannte Maus als Innovations-
       Elefant zu verkaufen.

Und das ist bei Software anders? Warum veröffentlicht M$ seinen
Source-Code dann nicht?

   (2) Nirgendwo kommt OpenContent schlechter an, als bei jenen, die
       davon leben, Content zu produzieren und zu verkaufen.
       Z. B. Journalisten.

Ja. Verknappung von Informationsgütern ist deren Geschäftsmodell. Das
funktioniert eben nicht mit OpenIrgendwas.

Ich bin nicht grundsätzlich pessimistisch bezüglich der OS-Transformation,
aber ihre Theorie müsste auf den "natürlichen" Egoismus und eine
realistische
Psychologie der Akteure aufsetzen. Die scheint mir im gegebenen
ideologischen
Umfeld jedoch schwer möglich.

Nun, ich habe leider das Gefühl, dass deine Kenntnisse in diesem
Bereich durchaus ausbaufähig sind ;-) .


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

--
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________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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