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[ox] Wissens- und/oder Informationsgesellschaft?



Hi Liste!

Seit längerem gibt es eine schwelende Debatte um die Frage ob die
Bezeichnung "Wissensgesellschaft" oder "Informationsgesellschaft" die
richtigen Termini für eine/jede positive Weiterentwicklung des
Kapitalismus sind. In letzter Zeit ist diese Debatte verschiedentlich
wieder hoch gekommen und ich würde gerne mal versuchen zu klären,
wovon wir hier überhaupt reden.

Im übrigen finde ich die Frage gar nicht so unwichtig: Eine
Bezeichnung x-Gesellschaft macht durchaus Sinn, wenn x denn eben das
Dominante in dieser Gesellschaft ist. So macht es z.B. m.E. Sinn, die
heutige Gesellschaftsformation mit Industrie- oder auch
Geldgesellschaft zu bezeichnen - oder Kapitalismus was mit letzterem
praktisch synonym ist. Eine treffende Bezeichnung "x-Gesellschaft"
transportiert also eine bestimmte Analyse und deswegen finde ich die
Wortwahl an dieser Stelle nicht vernachlässigbar.

Ich beginne einfach mal damit, meine derzeitigen Arbeitsdefinitionen
runter zu beten. Wenn wir von "Wissensgesellschaft" oder
"Informationsgesellschaft" sprechen, müssen wir zunächst und
zuvorderst klären, was Wissen und Information eigentlich ist -
genauer: Was sie unterscheidet. Ein weiterer Begriff, der in diesem
Zusammenhang auftaucht, ist "Daten". Aus dieser Begriffsdefinition
ergibt sich dann zusammen mit der gesellschaftlichen Analyse der
jeweils richtige Begriff.

Daten
-----

Daten sind für mich die basalste Einheit. Daten sind das, was bei
irgendeiner Messung anfallen kann. Z.B. ist die exakte Höhe von Wellen
auf dem Ozean in einem bestimmten Gebiet Daten. Daten müssen erst mal
niemensch interessieren.


Information
-----------

Information sind für mich Daten, die einen Unterschied machen. Z.B.
wäre die Höhe der Wellen eine Information, die ich brauche, wenn ich
etwas über die Durchschnittshöhe sagen will. D.h. Informationen sind
eine spezielle Sorte von Daten.

Dabei ist weder Träger interessant noch für welche Entität die
Information einen Unterschied macht. Die Information, die durch die
DNS gegeben ist, macht z.B. einen erheblichen Unterschied zwischen
belebter und unbelebter Natur. Genau so macht eine Software, die ja
pure Information ist, einen Unterschied auf einem Computer. Die
Software auf einer CD macht dagegen keinen Unterschied wenn kein
Computer verfügbar ist. Die Pits und Lands auf der CD mutieren dann
wieder zu Daten.

D.h.: Bei dem Begriff Informationen muss genau genommen angegeben
werden, in welchem Zusammenhang die Daten einen Unterschied machen.


Wissen
------

Wissen ist für mich *vor allem* immer an ein Subjekt, i.A. also an
einen Menschen gebunden. Dem üblichen Sprachgebrauch folgend kann nur
ein Mensch etwas wissen - eine Maschine weiß nichts. Dieses Wissen
kann unglaublich viele Formen annehmen und die wenigsten davon dürften
explizit beigebracht werden - insbesondere Handlungswissen.

Da Wissen immer an ein Subjekt gebunden ist, kann es auch nicht
entäußert werden. Wissen, das ich nieder schreibe oder sonst wie
formalisiere wird zur Information, die andere Menschen nutzen können,
um ihr eigenes Wissen zu verändern. Wissenstransfer ist im engeren
Sinne also nicht möglich.


In diesem Sinne ist Wissen also etwas, was dem Menschen eigen und
damit auch jeder Gesellschaft eigen ist. Gehe ich weiter davon aus,
dass die Menge des Wissens, die einem Menschen zur Verfügung steht
überhistorisch unveränderlich ist, dann ändert sich am Wissen von
Gesellschaftsform zu Gesellschaftsform gar nichts. Andernfalls wären
alle anderen Gesellschaftsformen mit Dummengesellschaften richtig
bezeichnet, was ich inakzeptabel finde. Die Inhalte mögen sich ändern,
nicht aber der Fakt des Wissens an sich. M.a.W.: Jede Gesellschaft ist
eine Wissensgesellschaft, der Begriff diskriminiert nichts und ist
deswegen überflüssig.

Der Begriff Informationsgesellschaft transportiert dagegen, dass
Information zu einer wichtigen Größe geworden ist. Zwar ist
Information natürlich ebenfalls unveräußerlich Bestandteil dieser Welt
und also auch Bestandteil menschlicher Gesellschaft. Aber heute
erleben wir, dass Information in ihrer nicht-materiellen Gestalt, also
als reine Idee, zunehmend existiert und - das ist mir eben
entscheidend wichtig - die Information auch mittels Computern
zunehmend operationalisierbar wird. Neben biologischen
Informationsverarbeitungssystemen wie der DNS haben wir mit Computern
Informationsverarbeitungssysteme auf der Ebene menschlicher
Gesellschaft. Das ist historisch neu und deswegen halte ich
Informationsgesellschaft für die richtige Bezeichnung.

Na, soweit mal. Sicher nicht wasserdicht aber ein Anfang.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

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