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Re: [ox] DRM, P2P und Freie Kultur



Hi Liste (und Julian)!

Yesterday Stefan Merten wrote:
Eine ganz nette Sache: Wenngleich recht dünn besucht,
kam wohl genau aus dieser Atmosphäre eine spannende Diskussion zustande, in
der ich mich mal nicht mit der Musikindustrie sondern mit Stefan Merten von
Oekonux und einem Publikum das ebenfalls deutlich links von mir stand herum
schlagen durfte.

Wo du dich aber wacker gehalten hast :-) .

Ich finde es durchaus fraglich, ob die angetroffene Position als
"links" in irgend einem klassischen Sinn betrachtet werden kann.
Immerhin gingen meine Aussagen ja eher in die Richtung: "DRM ist für
Marktwirtschaft ok". Das wäre für mich eher eine liberale als eine
linke Position. Im übrigen ist das wohl genau der Raum, in dem ich mit
meinen Thesen auch anecke. Nun, dafür sind sie ja da: Auf ihren Gehalt
überprüft und möglichst argumentativ weiter entwickelt zu werden.

Ansatz war die Aussage, DRM und Copyrightgesetze seien egal für freie
Kultur, Freie Kultur würde diesen Angriff auf die Bürgerrechte ignorieren.

Hier würde ich gerne ein bisschen differenzieren. Copyright ist ja
gerade ein *Bürger*recht, da es mit der bürgerlichen Gesellschaft
überhaupt erst aufgekommen ist. Insofern kann es kein Angriff auf
Bürgerrechte sein und nicht zuletzt beruhen *alle*
Freien-Software-Lizenzen auf genau diesem Bürgerrecht. Copyright
abzuschaffen wäre - unter aktuellen Bedingungen - also ziemlich heikel
und für mich ohne eine grundlegende gesellschaftliche Alternative
nicht zu denken.

Zu DRM hatte ich gesagt, dass die Big-Brother-Versionen, die heute
marktgängig sind, natürlich problematisch sind und ich denke, dass
hier der Angriff auf die Bürgerrechte schon eher zieht. Ich würde
dennoch gerne zwischen diesen Auswüchsen und der Idee eines
technischen Schutzsystems für Copyright an sich unterscheiden. Ich
sehe sachlich nicht, dass das eine mit dem anderen identisch sein
muss.

Das mag technisch so lange stimmen wenn es möglich bleibt, Freie Kulturgüter
zu publizieren und rechtlich für sich auch wahr sein. Aber, da ist mein
Knackpunkt, es gibt Grenzen Freier Kultur.

Es ist meines Erachtens sehr elitistisch und vermessen zu behaupten, dass es
in einer Welt, in der man sich technisch für eine von zwei Lösungen
entscheiden muss, also ob man DRM-Mainstream-Kultur oder Freie Musik, Filme
und andere Dinge konsumieren möchte, es eine ausreichende Menge Menschen
geben wird, die sich für die Freie Variante entscheiden. Im Gegenteil: Die
Künstler, die sich zwischen beidem entscheiden müssen und ein wenig auch auf
ihre Reputation und Ihr Publikum achten werden es noch weniger in Betracht
ziehen, ihre Musik unter Freien Lizenzen zu veröffentlichen.

Nun, meine Wahrnehmung ist da durchaus anders. Auch wenn es noch ein
bisschen zaghaft ist, gibt es durchaus KünstlerInnen, die sich sehr
bewusst und öffentlich für Freie Kultur entscheiden und m.E. sogar
beim Publikum mehr Reputation beziehen können als im anderen Fall. Und
in den Umfragen bei MusikerInnen sind durchaus nicht alle gegen P2P in
der heutigen Form mit ihren Werken. Warum im Übrigen gerade das
Publikum eine solche Entscheidung nicht honorieren sollte, ist mir
völlig schleierhaft.

Das andere Problem ist aber auch eines, das jetzt schon zutrifft: Unfreie
Kultur mag zwar direkt aus der Freien profitieren, umgekehrt ist dies jedoch
nur schwer bis gar nicht möglich.

Nun, dieses Problem gilt für Freie Software auch. Ich kann nicht
erkennen, dass es Freier Software irgendwie nachhaltig geschadet
hätte. Im Gegenteil schaffen Nachprogrammierprojekte wie Mono eine
Grundlage, auf der mensch softwaretechnisch nicht den ganzen alten
Mist mit sich rumschleppen muss und eben auch die qualitätssichernden
Eigenschaften Freier Software zum Tragen kommen können.

Stefan konnte mir leider nur mit "Ja, dann muß man sich eben eigene Musik
schaffen", antworten.

War nicht nur ich. Aber in der Tat ist das die Methode, wie Freie
Software in die Welt gekommen ist. Wenn ich das als erfolgreiches
Modell ansehe, dann wüsste ich gerne Argumente, warum das bei Musik
nicht gehen *kann*.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

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