Re: [ox] Re: Forken und Demokratie
- From: Hans-Gert Gräbe <graebe informatik.uni-leipzig.de>
- Date: Mon, 28 Mar 2005 11:01:17 +0200
Hi all,
Stefan Meretz wrote:
Till: Sollen z.B. für einen Betrieb keine demokratischen Entscheidungen
gefällt werden, sondern der Maintainer (neudeutsch: Direktor) nach
Rücksprache mit der Belegschaft im Konsens entscheiden? Was
passiert, wenn kein Konsens gefunden werden kann? L'etat c'est moi?
Ja, unter den Bedingungen der Marktwirtschaft ist Demokratie fehl am
Platze. Du darfst aber nicht den Begriff des Maintainers, den wir aus
der Freien Software kennen, auf warenproduzierende Betriebe
übertragen - die Beschäftigten haben keine Möglichkeit zum Fork, sie
können nicht alle bisher geschaffenen Ergebnisse mitnehmen usw. Das
btw. war eine Idee von Christoph Spehr, ob man nicht einen Betrieb
wie eine "freie Kooperation" organisieren könne. Geht nicht, meine
ich.
Hier wird besonders deutlich, dass die Dynamik eines Projekts und die
(gesamt-lebensweltliche!) Dynamik der beteiligten Akteure vollkommen
unterschiedliche Dinge sind, so dass hier ein Bindungsmechanismus
erforderlich ist, der einen gewissen Mindestgrad an Verbindlichkeit und
Verantwortlichkeit herstellt. Sozusagen ein Metaregelwerk, damit nicht
jedesmal von Neuem zu starten ist, wie das Regeln der Regeln zu regeln
ist. Schon wieder "Produktion der Verkehrsformen selbst".
Als Modell für gesellschaftliche Entscheidungen (z.B: die Frage:
wie bekämpfen wir das Ozonloch? das müsste weltweit entschieden
werden) taugt der Fork überhaupt nicht, da wir keine zweite Erde
haben, auf die wir uns forken können.
Doch gerade hier wäre das Modell hervorragend geeignet. Es ist doch
überhaupt nicht denkbar, dass ein globales Problem von _einem_
Projekt "gelöst" werden können. Sondern dafür brauchen wir eine
hochgradige Vernetzung von tausenden global verteilten Projekten, die
unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen und Maßnahmen vor Ort umsetzen.
Dazu brauchen wir Logistik-, Kommunikations-, Analyse-, Planungs- und
Infrastruktur-Projekte, deren Aufgabe es ist, für andere die
Bedingungen für ihre Tätigkeit zu schaffen etc. - alles, was
tieforganisierte und arbeitsteilige Gesellschaften eben benötigen.
Hmm. Es sind doch aber _viele_ Denk-Projekte, die dann in _ein_
Handlungsprojekt münden müssen. Kant paraphrasierend: "Raisonniret bis
zum rough consensus, dann gehorchet diesem".
... werden sich durchschnittlich die Wünsche durchsetzen ...
Ich wünsche uns allen was Besseres als das statistische Mittel. Eben
_Produktion_ der Verkehrsformen.
Viele Grüße, HGG
--
Prof. Dr. Hans-Gert Graebe, Inst. Informatik, Univ. Leipzig
Augustusplatz, D-04109 Leipzig, Raum 5-53
tel. : [PHONE NUMBER REMOVED]
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