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Re: [ox] Copyleft in der Praxis



Hallo allerseits,

hm, eine Mail die ich gestern an die Liste geschrieben habe, scheint versackt
zu sein, mal sehen ob die hier durchkommt...

Holger Weiss wrote:
Wenn die Texte in Wiki 2 unter der CC-BY lizensiert wären, hätte Stefan Mn.
mit seinem Verhalten ebenso seine Rechte verwirkt.

In genau diesem Fall ja, aber die GFDL bietet eben zusaetzlich den
Copyleft-Hebel, der dem Lizenznehmer u.U. das Leben schwer machen kann.
Ich finde die CC-BY aber auch zu komplex und wuerde daher eine
moeglichst kurze, durchschaubare Lizenz verwenden. "Permission to use,
copy, modify, and distribute this content for any purpose is hereby
granted." Sowas in der Art wuerde die Gefahr, dass man sich mit solchem
Quatsch herumschlagen muss, minimieren, glaube ich.

Andererseits hat eine so permissive Lizenz aber den Nachteil, dass
Weiterentwicklungen in vielen Fällen weniger oder gar nicht frei sein werden
(weil jede Autorin selbst entscheiden kann ob und wie sie lizensiert) und
somit für neue Versionen des Originalwerks (das ja wohl unter derselben Lizenz
bleiben sollte) unbrauchbar sind. Schlimmer noch, da jeder nach Belieben über
restriktivere Lizenzbedingungen entscheiden kann, könnten lauter unkompatible
Varianten entstehen, zwischen denen dann kein Austausch mehr möglich ist.

Das ist doch schon ein klarer Vorteil von Copyleft, dass alle
Weiterentwicklungen eines Werks zwangsläufig unter derselben Lizenz bleiben
und somit frei miteinander ausgetauscht werden könnten. Grundsätzlich halte
ich dieses Argument bei Text für ähnlich bedeutend wie bei Software, und ich
schätze dass für den Erfolg der Wikipedia die Verwendung von Copyleft durchaus
hilfreich war.

Der praktische Nachteil bei Text ist natürlich, das Copyleft nur dann gut
funktioniert wenn es nur eine einzige ernstzunehmende Copyleft-Lizenz gibt,
sonst entstehen inkompatible Welten. Für Code das ist die GPL, bei Text
dagegen gibt es (mindestens?) zwei ernstzunehmende Copyleft-Lizenzen, nämlich
die GFDL und die CC-SA (und Varianten), und das sind eben zu viele.

Da gibt's zwei Wege damit umzugehen: man kann sich deshalb entscheiden, bei
Text ganz auf Copyleft-Klauseln zu verzichten, oder man versucht rauszufinden,
welche Copyleft-Lizenz langfristig am wahrscheinlichsten zum de-facto-Standard
werden wird, und nimmt dann die. Wenn man die zweite Alternative wählt, ist
wahrscheinlich die GFDL (ohne invariante irgendwas) die naheliegendste Lösung,
einfach weil es schon mindestens einen Riesenkorpus gibt (die Wikipedia), der
unter GFDL steht und für alle Zeiten stehen wird, so dass die Annahme, die
GFDL könnte in absehbarer Zeit in der Versenkung verschwinden, unrealistisch
sein dürfte.

Ich denke dass diese Entscheidung, für oder gegen Copyleft (für eigene neue
Texte), jedeR für sich selbst treffen muss. Dann aber auf andere (verbal)
einzuhauen, weil sie sich für eine Variante entschieden haben und erwarten
dass man die daraus folgenden Regeln ernst nimmt, finde ich unangemessen und
peinlich.

Mir scheint, daß es allmählich in Oekonux überhaupt nicht mehr um die
Praktiken der freien Software geht. :o(

Was Du hier veranstaltest, hat aus meiner Sicht nichts mit Praktiken der
freien Software zu tun. Formales Recht gegen andere anzuwenden, auch
wenn es inhaltlich noch so sinnfrei sein mag, gehoert eher zu den
Praktiken von Juristen.

Ach, also wenn die FSF darauf pocht, dass die GPL eingehalten wird, hat das
nichts mit dem Praktiken der freien Software zu tun? Oder wieso ist es
sinnfrei wenn man darauf hinweist dass einmal unter Copyleft gestellte Dinge
auch unter Copyleft bleiben?

Wozu wären den Lizenzen dann noch gut, wenn man nicht daran erinnern kann,
dass sie eingehalten werden sollten, ohne gleich ausgelacht und
zusammengeschissen zu werden?

Ciao
	Christian

--
|------------ Christian Siefkes --------------------------------------------
|      Email: christian siefkes.net      |      Web: http://www.siefkes.net/
|    Graduate School in Distributed IS:   http://www.wiwi.hu-berlin.de/gkvi/
|Information Extractor: http://www.inf.fu-berlin.de/inst/ag-db/software/tie/
|-------------- OpenPGP Key: http://www.siefkes.net/key.txt (ID: 0x346452D8)
Kohl ist out, Horst Köhler ist in. Die spannende Frage lautet: Werden in
Deutschland jetzt die Brotpreise erhöht? Das geschieht doch gemeinhin,
wenn der IWF in einem Land das Sagen hat.
        -- Jungle World, 10.3.2004


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