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[ox] Wolfgang Polatzek * Von der lokalen zur transformativen Ökonomie (was: [ox-en] Conference documentation / Konferenzdokumentation)



Von der lokalen zur transformativen Ökonomie
============================================

Wolfgang Polatzek [renate.polatzek at t-online.de]

Grundthese: Trotz zunehmender ökonomischer Krise des kapitalistischen
Wirtschaftssystems besteht die Chance zur Verwirklichung einer
eigenständigen Ökonomie, die nicht den Prinzipien des Weltmarktes
unterworfen ist.

Einleitung
==========

Nach dem Ende des Realsozialismus hatte es eine Phase der Resignation
bezüglich der Chancen einer Veränderung bzw. der Überwindung der
kapitalistischen Weltwirtschaft geben. Die Resignation vieler
Altlinken ist in einen Zynismus umgekippt oder aus den Altlinken
werden neue Rechte wie Horst Mahler. Die kapitalistische Weltordnung
hat in ihrer Auswirkungen sowohl den lange friedlich schlummernden
deutschen Mittelstand wie auch die Einwohner ostsibirischer Siedlungen
erreicht. Das kapitalistische Wirtschaftssystem mit seinen
Marktgesetze ist der neue Gott, der entweder hymnisch gepriesen,
teilweise verflucht wird oder meist resignierend zur Kenntnis genommen
wird.

Noch ist der Widerstand in Deutschland gegen die herrschende
Wirtschaftsordnung zaghaft. Seit Attac auch in Deutschland arbeitet,
entsteht langsam eine neue ökonomische Bewegung. Diese Bewegung ist
sehr uneinheitlich und deshalb schwer zu überschauen. Es gibt bisher
keine Arbeitsgemeinschaft oder auch nur einen Informationsdienst, der
alle Facetten der neuen ökonomischen Bewegung berücksichtigt. Ich
werde mich auf einen Teilaspekt der neuen ökonomischen Bewegung
beschränken.

Projekte und Institutionen der alternativen und lokalen Ökonomie
================================================================

1.   Selbstverwaltete Betriebe mit den üblichen Rechtsformen (GbR,
     GmbH)

2.   Betriebe mit besonderer Rechtsform (z.B.
     Produktionsgenossenschaften)

3.   Betriebe mit bewusster ökologischer und/oder sozialverträglicher
     Produktion

4.   Sozialbetriebe von gemeinnützigen Organisationen (Diakonisches
     Werk, Caritas) und Integrations- und Behindertenwerkstätten als
     Gemeinnützige GmbH

5.   Konsumentenorganisationen: z.B. Konsumgenossenschaften, Erzeuger-
     Verbraucher-Initiativen, selbstverwaltete Dorfläden

6.   lokale Ökonomie / Stadtteilökonomie / ökonomische Selbsthilfe /
     gemeinwesenorientierte Ökonomie: Tauschringe, Umsonstläden,
     Produktentwicklungs-Initiativen, gebietsbezogene
     Technologie-Netzwerke, Stadtteilgenossenschaften,
     selbstverwaltete Energieversorgungsunternehmen, kommunale
     Bausparkassen, selbstverwaltete lokale Banken und Kreditvereine

7.   Regionale Geldsysteme wie z.B. der Chiemgauer, Roland
     Gutscheinsystem

8.   Verrechnungssysteme für Betriebe und Organisationen: gewerbliche
     Barterfirmen, kommunale Bartersysteme, WIR-Genossenschaft in der
     Schweiz, Mischsystem aus Tauschring und Barterfirmen beim Modell
     der Stiftung Strohalm (Liquid Capital Circuits)

9.   Gemeinschaften mit eigener Währung oder Verrechnungssystemen
     (Kibbuz, Diakoniezentrum Bethel mit dem Luthertaler)

10.  Zur makroökonomischen Diskussion z.B. Ota Sîk´s Modell der
     ökologisch-humanen Wirtschaftsdemokratie

Die Liste ist nicht vollständig und bei einigen Punkten kann man auch
die Zuordnung zur alternativen bzw. lokalen Ökonomien hinterfragen.
Bis auf wenige Ausnahmen (z.B. kommunales Barterbüro) sind alle
erwähnten Projekte bzw. Betriebe kein Modell, sondern bestehen seit
Jahren. Es existierten Wirtschaftsvereinigungen alternativer Betriebe
(z.B. Netz NRW) Theoriearbeitskreise (AG Spak),
Forschungseinrichtungen (IFP lokale Ökonomie) und Forschungsnetzwerke
(Europäisches Netzwerk für ökonomische Selbsthilfe und lokale
Entwicklung Berlin). Die Tauschringe haben zentrale
Koordinationsgruppen und es gibt auch internationale Kontakte.

Die lokale Ökonomie befindet sich zur Zeit im Aufwind. Die neueste und
einflussreichste Entwicklung ist das Regionalgeldnetzwerk. Innerhalb
eines Jahres ist die Zahl der Regionalgeldprojekte von 1 auf 40
gestiegen. Inzwischen gibt es Unterstützung von der EU, so beim
Berliner Regionalgeldprojekt.

Grenzen der lokalen Ökonomie
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Bisher arbeiten Projekte der lokalen Ökonomie, aber auch alle anderen
schon erwähnten Einrichtungen, Stiftungen und Verbände nebeneinander.
Oft wissen die Projekte nichts von einander. Zum Teil ist man auch
sehr um Abgrenzung bemüht und will keinen Kontakt zu anderen Projekten
haben. Alle diese Projekte und Organisationen in einer Organisation zu
vereinigen halte ich unter den gegebenen Umständen für ziemlich
unmöglich. Aber die Ideen aller Gruppen und Projekte könnten in eine
transformative Ökonomie eingebracht werden.

Alle bisherigen theoretischen Ansätze und Projekte der lokalen
Ökonomie und anderer alternativen Ökonomie mit einer
einzelwirtschaftlichen Fokussierung haben versucht Defizite der
kapitalistischen Produktionsweise auszugleichen.

Die innerbetrieblichen Verhältnisse verändern oder eine Verbesserung
in der Region verbessert werden und es ging um die Schaffung von neuen
Arbeitsplätzen. Eine Tendenz in Richtung auf Transformation der
Wirtschaftsverhältnisse stand nicht zur Debatte. Bei den
gesamtwirtschaftlichen Konzepten, wie dem von Ota Sîk, ist der
transformatorische Charakter offensichtlich. Sîk hat ein Konzept für
eine ökologisch-humane Wirtschaftsdemokratie entwickelt. Das
gesamtwirtschaftliche Modell von Sîk benötigt zu seiner Realisierung
eine nationale politische Grundsatzentscheidung. Die verfassungsmäßige
Ordnung in Deutschland lässt eine solche Umgestaltung zu. Eine
Mehrheit im Bundestag für eine demokratische Wirtschaft zu erhalten,
erscheint mir vorläufig nicht möglich.

Die vorläufige Chancenlosigkeit von gesamtwirtschaftlichen Konzepten
hat zu meinem Konzept der transformativen Ökonomie geführt. Die Frage
war für mich, wie trotz der politischen und ökonomischen Bedingungen
allen Bürgern eine Option für ein anderes Leben und Arbeiten angeboten
werden kann. Es sollte also eine Wahlmöglichkeit geboten werden
zwischen verschiedene ökonomischen Existenzweisen bzw. Grundmodellen.
Das Ziel der transformativen Ökonomie, ist ähnlich wie bei Ota Sîk,
der Aufbau einer Wirtschaftsdemokratie. Solange dies nicht möglich
ist, soll eine transformative Ökonomie die Option anbieten unter
demokratischen Bedingen zu produzieren, konsumieren und zu leben. Wenn
diese anderen "ökonomischen Lebensräume" aufgebaut werden solle, ist
die Überwindung bzw. Einschränkung der Marktlogik eine zentrale
Aufgabe.

Definition der transformativen Ökonomie
=======================================

Die transformative Ökonomie will den Weg beschreiten von der
kapitalistischen Ökonomie hin zu kleinen Regionen in denen die
Marktlogik eine langsam abnehmende Bedeutung hat. Die transformative
Ökonomie will "alternative Lebensräume" innerhalb eines vom der
kapitalistischen Wirtschaftsordnung geprägten Staatenverbundes (EU)
anbieten. Transformative Ökonomie bedeutet langsame und stetige
Abkopplung von der kapitalistische Ökonomie. In wie weit sich diese
partielle Umgestaltung der Wirtschaft ein Beitrag zu einer
Mehrheitsentscheidung für eine nicht-kapitalistische
Wirtschaftsordnung sein kann, ist nicht prognostizierbar.

Konkret bedeutetet das: Die transformative Ökonomie soll aus kleinen,
selbstverwalteten, lokalen Wirtschaftsgemeinschaften bestehen. Diese
lokale Wirtschaft sollte nach dem Prinzip der Selbstverwaltung
organisiert sein. Die Zielsetzung ist dabei möglichst viele Produkte
und Dienstleistungen innerhalb der Gemeinschaft zu produzieren. Je
leistungsfähiger die lokale Ökonomie ist um so unabhängiger wird sie
von der "normalen" Ökonomie. Diese Wirtschaftsgemeinschaften sind
"Inseln" einer anderen Ökonomie inmitten in einer kapitalistischen
Wirtschaftsordnung.

Diese kleine Gruppen sind Kristallisationskerne für weitere Projekt
und Gruppen. Wenn diese erfolgreich wirtschaften (im Sinne von
Weltmarktunabhängigkeit und dem Aufbau von regionalen Märkten), dann
sind sicherlich auch Bürgermeister und Gemeinderäte an solchen
Experimenten interessiert.

Strukturen der transformativen Ökonomie
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Die transformative Ökonomie ist ein vielgestaltiges Netzwerke von
kleinen Betrieben, Siedlungen, Stadtteilgenossenschaften und
Initiativen z.B. Arbeitslosengruppen. Diese unterschiedlichen Akteure
arbeiten in verschiedenen Stufen zusammen. Die erste Stufe der
Zusammenarbeit ist die in lokalen Gemeinschaften. In diesen lokalen
Gemeinschaften wird eine gemeinsame, demokratische abgestimmte
Produktion aufgebaut. Aus ökologischen Gründen und um den
Koordinationsaufwand zu minimieren, wird auf der 1. Stufe eine hohe
Bedarfsdeckung angestrebt. In der 2. Stufe erfolgt die Abstimmung der
gemeinsamen wirtschaftlichen Aktivitäten in der Region. Die
Bedarfslücke wird versucht auf den weiteren Stufen der Zusammenarbeit
zu schließen. In der 2. Stufe erfolgt ein weiter Austausch von
Produkten und Dienstleistungen in der Regionen z.B. Landkreisen. Wird
der Bedarf auf der 2. Stufe noch nicht vollständig gedeckt, wird dies
auf den beiden nächsten Stufen, der nationalen und transnationale
Stufe versucht.

Erst wenn der Bedarf nicht innerhalb der transformativen Ökonomie
gedeckt werden kann, erfolgt die Bedarfsdeckung über den
"Außenhandel".

Die "Außenhandelsbeziehungen" stellen eine besondere Herausforderung
an die transformative Ökonomie dar. Ein Teiles konsumtiven Bedarfs und
vor allem der wesentlichen Teil des Investitionsbedarf sowie Rohstoffe
müssen aus der "normalen" Ökonomie gekauft werden. Die dafür
erforderlichen "Devisen" dürften ein sehr knappes Gut sein.
Mittelfristig können die Betriebe der transformative Ökonomie nur
durch die Vermarktung ihrer Produkte nur unter dem Selbstkostenpreis
erfolgen (Selbstausbeutung). Weiter Strategien der Devisenbeschaffung
wären: Ein Teil der Mitglieder arbeitet in Teilzeit außerhalb der
transformativen Ökonomie. Ein Teil der Mitglieder erhält
Transferzahlungen (Renten). Einrichtungen übernehmen soziale Aufgaben
oder beteiligen sich an Bildungsmaßnahmen und erhalten dadurch
Transferleitungen des Staates oder der sozialen Sicherungssysteme.

Die Einbindung in Staat und Gesellschaft erfordert die Erwirtschaftung
von Steuern und Sozialabgaben. Die notwendigen Mittel werden sich
kurzfristig auch nur über "Devisen" zu begleichen sein. Mittelfristig
könnte die zentralen Koordinationsgremien versuchen wenigsten ein Teil
der Leistungen durch die Verrechnung von Dienstleistungen und
Produkten zu begleichen. Als Vorbild für dieses Verfahren könnten die
Regelungen beim Kirchenbartern sein.

Die Verteilung der Güter und Dienstleistungen kann über eine eigene
Währung, Verrechnungssysteme oder auch ohne Vergleichsinstrument
erfolgte. Wird eine Verteilung ohne Geld oder Verrechnung angestrebt
so kann dies nach festgelegten Regeln (sozialen Standards) erfolgen.
Diese Standards werden durch demokratische Willensbildung festgelegt.
Unter diesen Bedingungen würde kein Markt und keine Warenproduktion
entstehen. Wie weit sich so ein soziales Regelsystem auch für die
Abwicklung des ökonomischen Austausches zwischen den Regionen eignet,
wird sich zeigen.

Erfolgt der Austausch regional oder national über Regiogeld oder
Verrechnungssätze so unterliegen die Preise der freien Vereinbarung.
Es sollten jedoch Preisgrenzen festgelegt werden, um Selbstausbeutung
und ökonomische Ungleichgewichte (terms of trade) zu vermeiden.

Die ethischen Grundlagen der transformativen Ökonomie
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Die Forschung zur neuen sozialen Bewegung hat ergeben, dass die
demokratisch geleiteten Betriebe und Kollektive ein hohes Maß an
Idealismus und sozialem Zusammenhalt brauchen um auf Dauer überleben
zu können. Eins muss klar sein: Transformative Ökonomie ist kein
Allheilmittel. Sie kann nur eine Option anbieten für die Menschen, die
in einer anderen Ökonomie leben und arbeiten wollen. Es darf kein
Zwang sein unter diesen Bedingen zu arbeiten, sondern es kann nur die
freiwillige Entscheidung sein. Wer sich gut im Kapitalismus
eingerichtet hat, für den wird dies keine Alternative sein.

Zu dieser Ethik gehört es auch mit weniger Bedarf zu recht zu kommen.
Dies schließt die Bereitschaft ein, in der Qualität und in der Höhe
der Technologie Abstriche zu machen. Was es dann gibt ist die Existenz
eines nicht-kapitalistischen Binnenmarktes und eines kapitalistischen
Außenmarkt. Dieser nicht-kapitalistische Binnenmarkt wird nur
überleben, wenn Zufriedenheit besteht anders wirtschaften und leben zu
können und die Gelassenheit hinzunehmen, das es nicht das Neuste und
Schickste sein muss.

Entscheidungsprozesse und Partizipation.
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In der transformativen Ökonomie sind andere soziale
Regelungsmechanismen zur Gestaltung der ökonomischen Prozesse nötig.
Da die sozialen Prozesse nach demokratischen Spielregeln verlaufen
sollten, ist ein Aushandlungsprozess in den einzelnen Gruppen und
Projekten notwendig, falls sich nicht auf eine formale Struktur z.B.
in Form einer Satzung geeinigt wird.

Die sozialen Regeln stehen in einem Spannungsverhältnis zwischen einer
hohen Partizipation und einer effektiven Entscheidung.
Konsumentensouveränität scheint mir ein zentraler Punkt für die
Entscheidungsprozesse. In kleinen ökonomischen Einheiten lässt sich
auch ohne großen instrumentellen Aufwand (Marktforschung) ein
Überblick hinsichtlich der Bedarfsstruktur gewinnen. In den örtlichen
Strukturen muss auch die Entscheidung getroffen werden, ob Geld - also
auch Regiogeld - als ein ökonomische Instrument eingesetzt werden
soll. Kleine Gemeinschaften sind in der Lage ihre Verteilungsprozesse
auch ohne Geld zu organisieren. Spirituelle Gemeinschaften haben diese
Entscheidungsprozesse auch ohne Geld gelöst. Nicht immer ist dabei auf
demokratische Verfahren zurückgegriffen worden. Wie weit die
Erfahrungen dieser Gemeinschaften auch für die neuen lokalen
transformatorischen Wirtschaftsgemeinschaften verwendbar sind, muss
sich noch erweisen. Hier werden auch noch viele soziale Innovationen
notwendig sein. Diese Innovationen können durch eine demokratische
Organisationsentwicklung gefördert werden.

Im Hinblick auf die Erfahrungen der Open-Theory, könnte auch auf einem
virtuellen Forum/Plenum entschieden werden.

Eine Überprüfung der Verteilungsprinzipien und ihre Anwendung sollte
durch Selbstkontrollorgane der Arbeitsgemeinschaft der lokalen
Wirtschaftsgemeinschaften erfolgten. Sehr schnell kann Gruppendruck,
Elitebildung und ein übermäßiges Harmoniebedürfnis zu einer formalen,
aber trotzdem scheindemokratischen Kultur führen. Solche Entwicklungen
können die Folge haben, dass massive ökonomische und soziale
Benachteiligungen entstehen können.

Keiner Gruppe sollte eine bestimmte Organisationform vorgeschrieben
werden. Es ist jedoch darüber noch zu denken, ob nicht ein Mindestmaß
an demokratischen Prinzipien und formalen Strukturen sinnvoll sind.
Gruppen mit einer undemokratischen Binnenstruktur und
menschenverachtenden oder sogar kriminellen Verhalten können eine
Bewegung in ihrem Ansehen und auch ihrer Wirksamkeit sehr schaden und
sogar zu ihrer Auflösung führen.

Schritte in die transformative Ökonomie
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Voraussetzungen
---------------

1.   Die Bereitschaft Mitglied einer lokalen Wirtschaftsgemeinschaft
     zu werden. Ziel der Wirtschaftsgemeinschaft ist eine hohe Bedarf
     in der Gemeinschaft zu erreichende Produktion sicherzustellen, es
     geht also um Bedarfsdeckung als ökonomisches Ziel.

2.   Organisationen und Gruppen, aber auch Einzelpersonen treffen die
     ethische und praktische Entscheidung Ihren Bedarf nicht mehr über
     den "normalen" Markt zu decken, sondern in der transformativen
     Ökonomie.

3.   Diese Entscheidung bedeutet die Akzeptanz einer
     Organisationsethik. Deren Festlegung erfolgt durch die
     demokratische Willensbildung. Der Grad der Bescheidenheit und das
     Maß der Unabhängigkeit hängen voneinander ab. Dies belegen auch
     die Erfahrungen der spirituellen Gemeinschaften wie z.B. der
     Hutterer oder Amish-Gruppen. Ihr hohe Eigenversorgung ist nur
     durch ihre radikale Konsumeinschränkung möglich.

Technische Maßnahmen
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1.   Tagungen, Arbeitskonferenzen zum Aufbau einer transformativen
     Ökonomie

2.   Erarbeiten von Konzepten, Verfahrensregeln und Abschluss von
     Kooperationsverträgen.

3.   Schaffung von Koordinationsgremien zur Abstimmung der
     wirtschaftlichen Aktivitäten mit eigenen Verrechnungssystemen /
     Regiogeld.

4.   Aufbau leistungsfähiger Produktionskapazitäten um eine hohe
     Eigenbedarfsdeckung zu erreichen.

5.   Verhandlungen über die Verrechnung von Sozialleistungen und der
     Aufbau einer einfachen sozialen Infrastruktur und von
     Bildungsstrukturen.

6.   Verhandlungen über die Verrechnung von lokalen und regionalen
     Leistungen in Gemeinden und Kreisen

Beispiele für Entwicklung von transformativen Netzwerken
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Wenn es gelänge nur eine Landeskirche dazu zu bewegen ein kirchliches
Barterbüro einzurichten, wäre ein wichtiger Eckstein gesetzt. Ein
anderes Beispiel ist Mecklenburg-Vorpommern. Dort gibt es einen großen
landwirtschaftlichen selbstverwalteten Betrieb. Dieser Betrieb
befindet sich in dem Arbeitsamtbezirk mit der höchsten
Arbeitslosigkeit in der BRD. Dieser alternative Betrieb und die
Gemeinde könnten eine lokale Partnerschaft gründen. Ziel der lokalen
Partnerschaft sollte es sein, eine unabhängige regionale
Wirtschaftsentwicklung voranzutreiben. Dies wäre ein Schritt in eine
transformatorische Ökonomie.

Open-Theory und transformative Ökonomie
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Das referierte Konzept ist sehr pragmatisch. Die mir bisher bekannten
Diskussionen in der OPT-Bewegung verlaufen auf einer sehr
theoretischen Ebene. So möchte ich dafür als Beispiele die
Kristallisationshypothese anführen. In der Entscheidungsfindung ist
bei Open-Theory aus organisationssoziologischer Sicht nur wenig Neues
festzustellen. Die Gremien und Entscheidungsstruktur von Open-Theory
ist auch bei anderen Bewegungen der alternativen Kultur bzw. Ökonomie
zu finden.

Ihre eigentliche Bedeutung hat die OPT-Bewegung in ihrer Grundidee:

1.   Geistiges Eigentum für alle zugänglich zu machen.

2.   Über ein elektronische Kommunikation Produkte zu entwickeln.

Diese beiden Grundelemente haben eine große Bedeutung für die
Transformative Ökonomie.

1.   Das Offenlegen geistigen Eigentums würde für die
     transformatorische Ökonomie bedeuten, dass technische Produkte,
     Verfahren, Gebrauchsmuster und soziale Innovativen allen im
     gesamten Netzwerk zur Verfügung gestellt werden.

2.   Jeder kann sich an der Entwicklung beteiligen und seine Ideen den
     Gruppen und Gremien zur Verfügung stellen.

3.   Diese Offenlegung ist einen Innovation, die auch die Chance
     bedeutet, die technologische Abhängigkeit vom "normalen" Markt
     schneller zu überwinden.

4.   Die Offenlegung führt zur Aufhebung der Konkurrenz der
     Forscher/innen und Entwickler/innen untereinander. Wie
     erfolgreich diese Aufhebung der Konkurrenzsituation sein kann,
     hat die internationale Forschung zum Sars-Virus gezeigt.

5.   Die Offenheit bietet die Chance Forschung und Entwicklung auch
     für interessierte Laien zu öffnen. Forschung und Entwicklung muss
     nicht nur im Rahmen einer hauptberuflichen Entwicklung erfolgen!
     Wie erfolgreich die Zusammenarbeit unterschiedlich formal
     qualifizierten Personen sein kann, zeigt die OPT-Bewegung.

6.   Die Offenlegung der Arbeitsergebnisse könnte auch zur Entwicklung
     und Einführung neuer Instrumente in Forschung und Entwicklung
     führen. So wäre eine demokratische Modifikation des Konzepts der
     Organisationsentwicklung denkbar. Dies könnte zum Abbau von
     sozialen Konflikten und Reibungsverlusten führen und auch die
     formalen Organisationsstrukturen verbessern helfen. Demokratisch
     bedeutet, dass die Organisationsentwicklung von der Mehrheit der
     Gruppe oder des Betriebes gewünscht wird und die Aufgabenstellung
     für die Berater im Konsens formuliert werden kann.

7.   Die OPT-Bewegung hat auch den Erfolg einer virtuellen
     Organisation bei der Bewältigung komplexer Projekte bewiesen.
     Dies bedeutet für die transformative Ökonomie, dass dieses
     Prinzip der immer neuen Gruppenbildung (in einer
     Netzwerkstruktur) Verwendung finden sollte. Die OPT-Bewegung
     zeigt außerdem, dass das Team nicht an einem Ort arbeiten muss.
     Dies ist wichtig für eine transformative Ökonomie, weil
     Fachwissen und Erfahrung nicht immer an einem Ort gebündelt werde
     kann.

8.   Die Offenheit hat einerseits für die transformative Ökonomie die
     Folge Wissen auch für die "normale" Ökonomie kostenlos zur
     Verfügung stellen. Andererseits könnte bei erfolgreicher
     Produktentwicklung eine hohe Attraktivität entstehen. Dies könnte
     auch Personengruppen außerhalb des Netzwerkes zur Mitarbeit
     motivieren. Vorleben ist die erfolgreichste Missionsstrategie.

9.   Die OPT-Bewegung hat aus wissenschftssoziologischer Sicht zu
     einer Ablösung der sonst üblichen Community of Science in ihren
     eigenen Strukturen geführt. Entstanden ist eine offene
     Gemeinschaft der informiert Nutzenden und der innovativ
     produzierenden. Die elitären Spielregeln der technologischen
     Priesterkaste sind durch demokratische Spielregeln einer offenen
     Gemeinschaft abgelöst worden. Dies bedeutet für die
     transformative Ökonomie die Chance, dass es nicht unbedingt zur
     klassischen wissenschaftlich-technischen Elitenbildung kommen
     muss.

Zusammenfassung
===============

Die transformative Ökonomie ergänzt die bisherige lokale Ökonomie
durch vier Prinzipien.

1.   Weitgehende Abkopplung vom Weltmarkt und Aufbau eines
     eigenständigen Wirtschaftsraumes, neben der "normalen" Ökonomie,

2.   Die bewusste Entscheidung von kleinen Gruppen, Organisationen,
     Betrieben in einer regionalen, selbstverwalteten
     Wirtschaftgemeinschaft zu leben und zu arbeiten.

3.   Die Bereitschaft der Mitglieder Einschränkungen in Kauf zu nehmen
     und die Entwicklung einer demokratischen personalen Ethik und
     einer spezifischen Organisationethik.

4.   Den Zusammenschluss aller lokalen Gemeinschaften zu einer
     transregionalen Wirtschaftsgemeinschaft mit der Absicht einen
     funktionierenden transformativen Wirtschaftsraum aufzubauen. Das
     Ziel ist es, durch dieses Modell eine demokratische
     Willensbildung zu fördern, die eine demokratische
     Wirtschaftsordnung befürwortet. So lange diese nicht existiert,
     soll jedem Einzelnen eine Option angeboten werden, die ein
     anderes Arbeiten und Leben ermöglicht.


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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: http://www.oekonux.de/projekt/
Kontakt: projekt oekonux.de



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