Message 09784 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT09753 Message: 6/22 L1 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re: [ox] kreative vs. instrumentelle Macht



Hallo Hans-Gert,

Ich machs mal etwas deutlicher. Es ist nicht nur die phonetische Nähe zu
predatel (russ. = Verräter), die mich zu der Äußerung veranlasst hat. In
diesem "Beware of predators!" - und da kommt sicher ein Stück weit meine
Ost-Sozialisation durch - wird für mich immer der Schlachtruf der
Denunzianten mitklingen. Es gibt ein paar Schlüsselerlebnisse in meinem
Leben, wo ich Zeuge war, wie Leute mit diesem Schlachtruf auf den Lippen
fertig gemacht wurden. Und zwar im Namen einer Vision, die sie
eigentlich selbst teilten. Nur war es eine abstrakte Vision geworden und
die Menschen dahinter nicht mehr zu fühlen.

Es ist dabei nie "Blut gespritzt" im wörtlichen Sinne - die Zeiten waren
gottlob bereits zivilisierter - aber ich halte es für eine *arge*
Verkürzung, wenn du "Stalinismus" schlicht und nur an Stalin festmachst.

Es geht nicht darum "Leute mit diesem Schlachtruf fertigzumachen", sondern
darum, Zusammenhänge aufzuzeigen, deren Erkennen notwendig ist für eine
wirkliche Aenderung der Verhältnisse.  Wenn man diese Zusammenhänge
nicht erkennt, kann man sie auch nicht beheben, und dann schleppt man
die alten Fehler mit in die neue Gesellschaft -- die somit keine
wirklich neue wird, sondern bloss "alter Wein in neuen Schläuchen".
Das wirkt sich dann nicht bloss in Symbolik aus, sondern ganz drastisch,
z.B. bei der schon früher hier erläuterten Millionenbauern-Problematik
(die Fortsetzung des Feudalismus mit raffinierteren Mitteln).

Dein Vorwurf birgt eine grosse Ironie, denn wenn es etwas gibt, das
millionenfach "Leute fertigmacht", und zwar so dass viel "Blut gespritzt"
ist, dann sind es die Systeme der Predator-Klasse selbst.  Dazu gehörte
auch der "Arbeiter- und Bauernstaat" (ein orwell'scher Etikettenschwindel,
denn auch jener Staat war ein Juristen- und Militärstaat, in dem diese
die Macht hatten, nicht etwa die Arbeiter und Bauern =Produzenten).


...  Schlüsselerlebnisse in meinem Leben  ...
...  die Menschen dahinter nicht mehr zu fühlen.

Nun, auch ich könnte diverse Schlüsselerlebnisse aus meinem und anderen
Leben erzählen, Erfahrungen mit Juristen (wohlgemerkt ohne selbst jemals
irgendeine Straftat begangen zu haben) und mit den Auswirkungen des
Predator-Systems, die nur als unmenschlich bezeichnet werden können,
und wo im wahrsten Sinne über Leichen gegangen wurde und wird --
egal ob im Krieg oder sog. Friedenszeiten.

Dein Beispiel des DDR-Denunziantentums ist gerade kein Gegenargument,
sondern ein Argument dafür, mit dem Predator-System aufzuräumen, in
welchem technische und soziale Stümper die Menschen gegeneinander
ausspielen und sie von ihrer konstruktiven Selbstentfaltung abhalten,
durch willkürliche und hirnverbrannte Vorschriften und Intrigen
bis hin zu Kriegen und Wirtschaftskrisen -- GWBush ist nur die
Spitze dieses Eisberges.

Um dies echt überwinden zu können, muss man die Zusammenhänge aufzeigen
dürfen, und das hat nun wirklich nichts mit Denunziantentum zu tun --
von mir aus soll Herr Lessig seinen BlaBlog so lange schreiben wie er
will, man sollte ihn nur nicht als den grossen Gesellschaftsrevolutionär
verherrlichen (und ihm entsprechende MACHT geben) der er nicht ist.

Gruss,
Christoph



________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: http://www.oekonux.de/projekt/
Kontakt: projekt oekonux.de



[English translation]
Thread: oxdeT09753 Message: 6/22 L1 [In index]
Message 09784 [Homepage] [Navigation]