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Re: [ox] Potsdamer Denkschrift 2005



Lieber H.R.,

Horibb web.de wrote:
Mt dem Einverständnis der Autoren leite ich hier die folgende Erklärung weiter.
Da beide Autoren nicht Mitglied auf der Oekonux-Liste sind, leitet 
Antworten bitte immer -an alle- weiter oder gesondert an ihre
eMail-Adressen in Cc.

Ich habe leider derzeit nicht die Zeit, auf die Argumente der Autoren im
Einzelnen einzugehen, aber eine generelle Bemerkung möchte ich doch
loswerden:

[ox] ist in vielem auch deshalb entstanden und hat die Dynamik, die es
hat, weil sich Leute Gedanken machen, wo es denn genau klemmt in diesem
System und welche Pfade sich real abzeichnen, da rauszukommen.  Hier ist
die Keimformhypothese weitgehend common sense, aus der heraus alle
Praxis zu befragen ist: Wo sind die Keime des Neuen im Substrat des
Alten? Wenn wir nach diesen Keimen suchen, dann ist die allererste
Frage, welche Formen diese Keime denn überhaupt haben werden. Dazu gibt
es hier auf der Liste klare Vorstellungen und wir sind ja in der Praxis
- sogar in der eigenen Praxis - auch schon fündig geworden. Gerade das
macht den Reiz von Oekonux gegenüber anderen akademischen Debatten
(selbst bzw. insbesondere andere linke) aus.

Dasselbe hat das Einstein-Russell-Manifest gemacht und auch das
Potsdamer Manifest stellt diesen Anspruch. Beide gepaart mit einer
Motivation, die einer Sorge entspringt nicht um eine bessere
gesellschaftliche Ordnung, sondern um die biologische Fortexistenz der
Menschheit überhaupt. Und dieser letzte Aspekt wird in der von dir
geschickten Position in einer - für mich schwer erträglichen - Arroganz
vom Tisch gewischt. Es ist eben die Frage, ob man einen ehrlichen (das
unterstelle ich den Autoren des "Manifests") Versuch, die Keime in
einigermaßen umfassender Weise in den Blick zu bekommen, mit dem Ausruf
denunziert: "Ja wie, seht ihr denn das viele Substrat drum herum nicht?"

Es ist die alte Frage von Adorno nach dem "richtigen Leben im falschen".
Die Manifest-Leute sagen "gibt es", in dem von dir zitierten Text kann
ich eine solche Antwort nicht erkennen. Im Gegenteil. Ich jedoch teile
die wohl auf Bloch zurückgehende Position, das "wir gar keine andere
Chance haben, als es zu versuchen".

Die Schwierigkeiten, die Keime in einigermaßen umfassender Weise in den
Blick zu bekommen, kann ich übrigens seit den "Chemnitzer Thesen" sehr
gut nachvollziehen. Sie erfassen nicht die ganze Breite des "Manifests",
insbesondere die Fragen des "neuen Denkens" nicht (obwohl ich die
Argumente sehr gut nachvollziehen kann, insbesondere die Kategorie des
"Prä-Lebendigen" - ich bin zwar nur Mathematiker, aber dass dies kein
"Biologismus" ist, dafür reicht mein Verständnis der Quantentheorie
durchaus), sind aber dafür an einigen Stellen in der Begründungstiefe
detaillierter.

Dass einflussreiche Leute aus den VDW aus anderen Kontexten heraus zu
ähnlichen Schlussfolgerungen kommen halte ich für sehr bemerkenswert.
Und es gibt mir Hoffnung, dass die Wissenschaft nicht in Gänze zur Magd
der Ökonomie verkommen ist. Im Gegenteil.

So viel mal eben. Viele Grüße, HGG

-- 

  Prof. Dr. Hans-Gert Graebe, Inst. Informatik, Univ. Leipzig
  Augustusplatz, D-04109 Leipzig, Raum 5-53	
  tel. : +49 341 97 32248
  email: graebe informatik.uni-leipzig.de
  Home Page: http://www.informatik.uni-leipzig.de/~graebe

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