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Re: [ox] Noch mal zur Freien Gesellschaft



Ich hab inzwischen mal "Free Culture" gelesen, darum greife ich Christophs Seitenhiebe gleich auf in der Hoffnung, dass etwas Konstruktives daraus entsteht...
"Das Recht muss der Technik die Schranken setzen, nicht umgekehrt!"
Das ist auch das Motto von Lessig, wenn man mal die Orwell-Pudding-
Fassade wegkratzt...
Also mit "Orwell-Pudding" kann ich erstmal so gar nix anfangen...
Der obigen Aussage würde ich aber eindeutig widersprechen. Lessig ist zwar kein Anarchist und glaubt deshalb an ein notwendiges Rechtssystem. Trotzdem ist seine Hauptforderung, dass das Recht sich immer sinnvoll an die technische Entwicklung anzupassen hat, was meistens einen Rückzug bedeutet.

Ein schönes Beispiel ist z.B., dass das amerikanische Grundstücksrecht den Besitzern vor der Erfindung des Flugzeugs zusätzlich zum Land den Besitz des gesamten Luftraums darüber bis zu den Sternen (an Erdrotation dachte wohl keiner..) zusicherte. Als dann die ersten Prozesse begannen, kippte ein Verfassungsrichter das Gesetz, weil es seit dieser technischen Neuerung "dem gesunden Menschenverstand widerspreche" - Punkt. So hätten Teile der "Geistiges-Eigentum"-Geschichte seit der digitalen Kopie auch behandelt werden sollen...


Eine Sache fand ich sehr diskussionswürdig, und zwar geht es um die GPL:

Ich habe diese bisher immer als Hack betrachtet mit dem Ziel, das "geistige Eigentum" gegen sich selbst zu richten. Nun schreibt Lessig aber, dass die GPL ein Produktionsprinzip schützt und dabei sogar auf das Urheberrecht angewiesen ist.

Gäbe es in einem kapitalistischen System gar kein Urheberrecht, würden Unternehmen die quelloffenen Projekte einfach assimilieren und weiterentwickeln, ihre eigenen Sachen aber geheimhalten - hört sich für mich auch nicht so klasse an...

Daraus ergeben sich für mich drei Fragen, die ich gleich für mich mitbeantworten möchte. Vielleicht hat ja noch jemand andere Antworten (bessere Fragen die dazu passen)...


1. Müssen wir doch den Kapitalismus abschaffen?

Ja und nein, z.B. würde ich niemals Menschen das freie Tauschen verbieten wollen - allein dadurch bliebe es immer irgendwo kapitalistisch. Aber vielleicht kann man es trotzdem schaffen, dass der Tausch (insb. gegen diese komischen Scheinchen) weniger das alleinherrschende Paradigma ist.


2. Brauchen wir dann immer ein Mindestmaß an "geistigem Eigentum"?

Ich würde sagen nein.


3. Wie kriegen wir Menschen dann dazu, ihr Wissen nicht geheimzuhalten um damit Profit zu machen? Oder bei nicht kompilierten Dingen: Wie kriegen wir Leute dazu, sich mit Kultur/Forschung/etc. zu beschäftigen wenn sie damit "nix verdienen können"?

Einige tun das ja jetzt schon aus Selbstentfaltungstrieb - aber dann halt immer nur in der Freizeit, neben herkömmlichen Arbeitsformen (oder sie sind arbeitslos, aber das ist ein anderes Thema [?]). Ich würde in Richtung Kulturflatrate gehen in der Hoffnung, die beiden Prinzipien

"Jeder soll für gute veröffentlichte Ideen (Musik usw.) belohnt werden; je besser desto mehr soll er dafür kriegen"

und

"Alles veröffentlichte Wissen soll für alle frei zugänglich und erweiterbar sein"

unter einen Hut zu bringen. Das stell ich mir so vor:
Es gibt eine allgemeine Steuer für Kultur/Forschung usw. - ob die in die Mehrwertsteuer oder sonstwohin einfließt sollen andere entscheiden. Es gibt eine Art "Patentamt", wo jeder seine Veröffentlichungen kostenlos anmelden kann. Abgeleitete Werke werden mit Link zum Original registriert. Nun kommt der schwierige (ungelöste) Teil: Über die Menge der abgeleiteten Werke, Votings, Downloadraten und Gewichtungen nach Sparte (vllt entscheidet man dass Energieforschung Vorrang vor XY hat) wird jeder Veröffentlichung ein Punktwert zugerechnet. Aus diesem und der Gesamtmenge der Einnahmen wird dann eine Vergütung berechnet (das ganze kann nichtlinear sein).

Das zentrale Problem sind natürlich die Punktzuteilungsparameter und die Frage, wer diese entscheidet. Dafür müsste man ein selbstregelndes System mit den gewünschten Eigentschaften entwickeln - mit einer Dynamik die irgendwo zwischen denen von Demokratie und Kapitalismus liegt...

Soviel erstmal von mir,

Benjamin


P.S.
Mein Pointer auf die Lessig-Kritik ganz am Anfang der Debatten blieb bis heute
undiskutiert, stattdessen hatte die Liste viel Zeit für Strohmann- und
Schimpftiraden gegen P/P...
Nein, die Liste hatte einfach versucht dir klarzumachen, dass P/P nix neues ist, sondern lediglich eine schwarz/weiß Überspitzung von dem was eh alle wissen...
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Organisation: http://www.oekonux.de/projekt/
Kontakt: projekt oekonux.de



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