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Re: [ox-de] Minderheit und Mehrheitshegemonie



Am Montag, 7. August 2006 20:14 schrieb Christoph Reuss:
Jacob's Vergleich war, die Schweiz sei wie die indianischen "Nationen"
von den USA kulturell verändert worden.  Das ist falsch, egal wie schräg
er nun wiedermal versucht zurückzurudern.  Das System ist anders (z.B.
die Exekutive und die landesweite direkte Demokratie in CH, nicht USA)
und gerade die Förderung der sprachlichen Minderheiten ist unvergleichbar.

Der Luzerner Paul Vital Ignaz Troxler brachte 1833 in seiner in Zürich 
gedruckten Schrift "Die eine und wahre Eidgenossenschaft im Gegensatz 
zur Centralherrschaft und Kantonstümelei" den Bundesstaat nach Vorbild 
der Vereinigten Staaten von Amerika (USA) in die Diskussion.

Die kulturelle Veränderung der Schweiz durch Verabschiedung einer
bundesstaatlichen Grundlage, die der US-Unabhängigkeitserklärung 
entspricht, ist eine historische Tatsache. Oberstes Bundesorgan ist seit 
1848 die Bundesversammlung, ein Zweikammer - Parlament (Legislative) 
nach US-amerikanischem Vorbild.  Die gleiche Grundlage findet sich im 
Verhältnis der Bundesstaaten der USA zueinander und im 
Repräsentantenhaus wieder. Selbst der Bundesrat der Schweiz ist
mit dem US-Senat vergleichbar. Hier zu behaupten, das Parlament der
USA bestände im Gegensatz zum schweizerischen Parlament nur auf
dem Papier, ist schlicht Blödsinn.

Randolph C. Heads Buch unterschlägt den allgemeinen oligarchischen
Charakter angeblicher früher Demokratien, die beispielsweise im 
Verhältnis zu den eroberten Gebieten niemals auf die Idee verfielen,
diesen eine demokratische Selbst- oder Mitbestimmung einzuräumen,
sondern die Menschen der eroberten Gebiete wie sonst der Adel zu
ihren Leibeigenen machten. Vollmundig wird auch von anderen
Professoren und Forschern von der Demokratie im niederländischen
Bund gesprochen, obgleich die Ratssitze in einer 16 000 Einwohner
zählenden Stadt wie Amsterdam vom Vater auf den Sohn vererbt
wurden und nur den wohlhabenden Familien zugänglich waren. Im
schweizerischen Bern, Soluthurn, Fribourg und Luzern z.B. war es 
nicht anders als in den Zunftstädten Zürich, Basel und Schaffhausen, 
wo nur Kandidaten der wohlhabenden Kaufleute- oder Handwerker-
Familien zur Wahl aufgestellt werden durften. In den angeblich demo-
kratischen Kantonen des Urbundes schließlich bestimmten faktisch
die Oligarchie der alteingesessenen Familien die Politik, wenn auch 
formal eine demokratische Versammlung einberufen wurde. Genf
schließlich regierte der Adel. In allen anderen Gebieten der Schweiz 
gab es nichts, was auch nur im entferntesten als demokratisch 
bezeichnet werden konnte.

Literatur:
Ulrich Im Hof: Mythos Schweiz. Identität - Nation - Geschichte 1291 - 1991, 
Zürich: Verlag Neue Zürcher Zeitung, 1991 
Claudius Sieber-Lehmann, Die Schweiz im Spätmittelalter (14. und 15. Jh.)
in: Die Schweiz und ihre Geschichte. Lehrmittelverlag des Kantons Zürich, 1998
Chronik der Schweiz, red. Christian Schütt / Bernhard Pollmann, Dortmund: 
Chronik-Verlag / Zürich: Ex Libris, 1987
Treichler Hans Peter et al., Abenteuer Schweiz, Geschichte in 
Jahrhundertschritten, Zürich: Migros-Genossenschafts-Bund, 1991

Jacob

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