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Re: [ox-de] Minderheit und Mehrheitshegemonie



Am Freitag, 11. August 2006 10:42 schrieb Christoph Reuss:
Jacob Steinhagen schrieb gestern:
Diese Hegemonie war so angesagt, daß einige dutzend größere
deutschsprachige Tageszeitungen, viele hundert Wochen- und
Regionalblätter in den USA erschienen, wovon eine in Washington,
D.C., noch heute existiert, allerdings als Wochenzeitung - 145 Jahre
nach der Erstausgabe.

Die Frage ist nicht, ob die Regierung gnädigst erlaubt, dass in einzelnen
Gegenden Private auf eigene Kosten in ihrer Sprache publizieren.  Sondern
die Frage ist, ob die Regierung eine solche Sprache als Amtssprache
anerkennt und somit selbst in ihren Dokumenten und Behörden/Gerichten
verwendet, und Medien in dieser Sprache aus Steuergeldern finanziert.
Da muss Jacob aber lange wühlen...

In Pensylvania war deutsch zweite Amtssprache, in einigen Gegenden wurde
nur deutsch in Behörden und Gerichten verwendet. In anderen Staaten war
deutsch die Gerichts- und Behördensprache der mehrheitlich deutschen 
Gebiete - wie z.B. der deutschen Städte in Texas und im Mittleren Westen.

Ferner kam der Zentralregierung nicht die Bedeutung zu wie heute - vor Ort
wurde regional in der dort mehrheitlich gesprochenen Sprache regiert, sei
dies nun deutsch, polnisch, russisch, italienisch oder chinesisch. Englisch
wurde nur im Verkehr mit anderen Gegenden oder der Zentralmacht wichtig.
Wer wollte, brauchte sein Leben lang seine Sprachinsel nicht zu verlassen -
alle Bedürfnisse konnten vor Ort befriedigt werden.

So angesagt, daß sich Pensylvania und
andere mehrheitlich deutschsprachige Staaten der USA von den
USA abspalten und einen deutschen Bundesstaat vereinigter Staaten
gründen wollten vor Kriegseintritt der USA in den ersten Weltkrieg.

Das _belegt_ ja gerade die Anglo-Hegemonie der Zentralregierung --
es hätte eine Sezession gebraucht, um deutsch als Amtssprache haben
zu können.  Ohne die Anglo-Hegemonie wäre deutsch einfach als zweite
Amtssprache der USA definiert worden und als erste Amtssprache der
überwiegend deutschsprachigen Teilstaaten.

Blödsinn. Deutsch war schon zweite Amtssprache. Und die "Washington
Zeitung" publizierte auf deutsch Gesetzesentwürfe und Reden, die im
Repräsentantenhaus gehalten worden waren und spielte für die ameri-
kanische Elite vor dem ersten Weltkrieg eine ganz ähnliche Rolle wie die
englischsprachige "Washington Post" heute.

Wie auch bei Jacob's Indianer"nationen", die "als Bundesstaat den USA
beitreten wollten", gilt:  Für hätte und wollte gibt's keinen Preis --

Aha, Helmut Kohl: Was zählt ist, was hinten rauskommt. Siegergeschichte
und Siegerjustiz also....

Auch wenn dies nicht Wirklichkeit wurde, zeigt es die Kraft indianischer
Kulturen nach ihrer angeblichen völligen Ausrottung, konkrete Schritte
zur Umsetzung dieses Planes zu unternehmen. Aber da Du meine Dar-
stellung der Geschichte Irlands nicht widerlegen konntest, sind die
Anführungszeichen bei Indianer "nationen" wohl nur Deiner verlogenen
Beugung der Wirklichkeit zuzuschreiben. In Wirklichkeit wissen wir
beide, daß Du Dir die Wirklichkeit zurechtlügst und gar keine Argumente
gegen meinen begründeten Standpunkt vorbringen kannst - außer
dummen Angriffen auf meine Person.

Nicht umsonst würde McDonald heute gar nicht existieren, wenn
nicht ein in Frankfurt am Main geborener deutschsprachiger
Amerikaner das Frankfurter Würstchen zum Hamburger weiter-
entwickelt hätte.

Aha, und deshalb ist das ganze McDonald's also nichts anderes als
die "Weiterentwicklung der deutschen Kultur"...  witziger Dreh!

Nein - schlicht eine Tatsache. Und solch ein alter Hut, daß dies einer
mit "soliden Geschichtskenntnissen" wirklich wissen sollte.

Und die Sklaverei wurde nach dem US-Bürgerkrieg abgeschafft -
etwa so, wie 1798 die helvetische Republik nach französischem
Vorbild unter den Farben grün, rot, gold die Leibeigenschaft auf-
hob.

Hier rudert Jacob wiedermal im Schutze seines Nebels zurück.
Zuerst behauptete er, 1776 sei die grosse Freiheit eingeführt worden
-- nachdem er belehrt wurde, dass die Sklaverei danach noch lange
andauerte, verschiebt er das Datum einfach um fast 100 Jahre...
Und ausserdem ist es absurd, die sogenannte Leibeigenschaft in CH
mit der US-Sklaverei zu vergleichen.

So absurd  nun auch wieder nicht: In beiden Fällen waren Menschen 
Kapital. Die "sogenannte" Leibeigenschaft bedeutete, den Herrn des 
Bodens und seiner Bewohner fragen zu müssen, wenn jemand ins 
Nachbardorf wollte, fragen zu müssen, ob und wen man heiraten dürfe, 
den Herrn und seine Statthalter zu beköstigen, zu beherbergen und alles 
herzugeben, was diese Herren für sich beanspruchen, Haus und Hof zu 
verlassen, um mit dem Herren in den Krieg zu ziehen - falls der Zweitge-
borene nicht in den Krieg zöge - sowie die sadistischen Neigungen der 
Herren und ihrer Vögte zu ertragen, aus Nichtigkeiten Leibeigene zu er-
greifen und mit der Peitsche blutig zu schlagen.

Niemals habe ich behauptet, 1776 sei die grosse Freiheit eingeführt
worden, sondern habe nur auf die Tatsache verwiesen, daß es in
Nordamerika schon eine über hundert Jahre alte demokratische
Tradition gab - in der Schweiz 1776 jedoch nicht.
 
Damit habe ich mit keinem Wort behauptet, daß in der
Schweiz eine ähnliche Politik gegenüber Minderheiten wie in den
USA betrieben wird.

Am 7.8. schrieb Jacob:
Welche Veranlassung sollten denn
die USA haben, die Schweiz zu besetzen, solange die Grundprinzipien
des politischen Lebens der Schweiz mit jenen der USA übereinstimmen?

Zu den Grundprinzipien gehört sicher die Sprachenpolitik.  Diese
ist also gemäss Jacob's Behauptung nicht nur ähnlich, sondern stimmt
sogar überein zwischen CH und USA.  Aber nun will er's wieder nicht
behauptet haben...

Die eigenen dummen Fehlinterpretationen werden mir unterstellt, die
eben geistig unterbelichteten Menschen wie Chris nicht als Selbstent- 
tarnung auffallen. Sprachpolitik ist und war nirgendwo ein Grundprin-
zip. Wohl aber, sich an eine Verfassung gebunden zu fühlen, die  einen 
Bundesstaat aller Teilstaaten und eidgenössische bzw. bundesstaatliche 
Institutionen vorsieht, die es zuvor in der Schweiz nicht gab, Freiheiten
und Menschenrechte zu gewähren etc.

Es ist ferner noch nicht solange her, als in den dänischsprachigen
Gebieten des Deutschen Kaiserreiches, welches Nord- und Südsleswig
sowie Holstein-Lauenburg 1864 anecktierte, Dänisch zu sprechen an
Schulen, Behörden, vor Gericht und auf der Straße verboten war. Wer
sich dabei erwischen ließ, wurde des Landesteiles verwiesen und war
fortan Zwangsumgesiedelter z.B. in Berlin, Brandenburg oder Hessen
- oder saß im Knast. Sprachpolitik war Siedlungspolitik, dänisches
Land mit deutschem Zuzug aus dem Reich zu besiedeln, um ehemals
dänischsprachige Gebiete zu mehrheitlich deutschsprachigen Ge-
bieten zu machen.

Der Grenzziehung 1920 verdanken wir zwei Minderheiten: die 
Deutschen nördlich der Grenze von 1920 und die Dänen südlich
dieser Grenze in (Süd-)Schleswig und Holstein. Eine dritte entstand
1934, als das holsteinische Altona an das spätere Bundesland
Hamburg angeschlossen wurde - und eine seit 1850 existierende
dänische Gemeinde Teil des Stadtstaates Hamburg wurde - zu-
sammen mit 210 000 Holsteinern.

Nach der 1920 auf internationalen Druck durchgeführten Volks-
abstimmung über einen Verbleib beim Deutschen Reich oder den
Wiederanschluß an Dänemark war es für die an Dänemark fallenden
Gebiete sprachlich oft ein völliger Neuanfang, da die Mehrheit nur
deutsche Schulen besucht hatte und häufig weder dänisch schreiben
noch lesen konnte - oder noch nicht einmal mehr fehlerfrei dänisch
sprach. Viele Erwachsene drückten noch einmal die Schulbank, um
sich die eigene Muttersprache in Wort und Schrift wieder anzueignen.
Im Verborgenen hatte sich die dänische Sprache trotz der Repression
jedoch erhalten, in der etliche eben zuhause verkehrten - wie auf platt 
oder friesisch in den deutschsprachigen Gebieten. Und die Zuge-
hörigkeit zur dänischen Volksgruppe blieb erhalten, selbst wenn
mehrheitlich deutsch gesprochen wurde.

Erst 1955 wurde jedem Schleswig-Holsteiner das nationale Bekenntnis
freigestellt - sonst wäre die BRD nicht in die Nato aufgenommen
worden.

Jacob



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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: http://www.oekonux.de/projekt/
Kontakt: projekt oekonux.de



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