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Re: [ox-de] Request for Comments: Die Peer-Ökonomie



[Vormerkung: Ich habe die folgende Mail vor Christians Antwort von 
heute, 14:45:30, verfasst. Einiges klärt dort Christian detailierter, 
einiges sieht Christian anders (etwa zur Zirkulation). Ich passe meine 
Mail jetzt trotzdem nicht nochmal an, weil sie insgesamt auf andere 
Punkte bei HGG eingeht]

Hi Hans-Gert und alle,

es fällt mir etwas schwer, ein Konzept zu rechtfertigen, das ich nicht 
selbst entwickelt habe -- daher will ich es etwas grundsätzlicher 
halten.

On 2007-10-13 22:17, Hans-Gert Gräbe wrote:
Auch ist mir nicht klar, wie das bei deiner Auktion funktioniert,
ob da jede(r) für alles mitbieten darf oder offensichtlicher Fake
irgendwie aussortiert wird.

Aufgaben werden nicht "ersteigert", sondern bei einer bestimmten
Gewichtung übernimmst du die Aufgabe oder lässt es bleiben. Eben um
solche Fakes zu vermeiden.

Ich scheine mich nicht deutlich genug ausgedrückt zu haben. Also mal
ein Beispiel - Klo putzen als unangenehme und deshalb über Auktion
versteigerte Arbeitsaufgabe. (...)

Für alles, was du hier an konkreten Problemen beschreibst (die ich hier 
nicht nochmal länglich zitieren will), gibt es in den Konzept 
Regelungsvorschläge. Deren Charakteristikum ist die direkte 
Konfliktregulation zwischen den Menschen und Projekten -- und nicht 
über Abstraktionen. Menschen haben ein bestimmtes Ansehen (Reputation), 
was mit darüber entscheiden wird, ob jemand darin vertraut, dass 
zugesagte Arbeiten auch erledigt werden -- gerade bei personalen 
Dienstleistungen. Und: Nein, es gibt keine abstrakten Sanktionen, etwa 
auf der Basis von Recht -- so zumindest Christians Vermutung.

Ich hoffe, ich konnte deutlich machen, was schon in These (2) der
Zusammenfassung meines Arbeitswertpapers steht: "Auf dem Markt
treffen sich damit nicht 'Produkte voneinander unabhängig betriebner
Privatarbeiten' (MEW 23, S. 87), sondern gesellschaftliche
Produzenten."

Erstens halte ich die Aussage für falsch, in deiner Absicht, den 
Kapitalismus als pubertäre Form für eine Freie Gesellschaft figurieren 
zu lassen aber nachvollziehbar, und zweitens sehe ich keinen 
Zusammenhang zu oben.

Verkauf. So etwas wie Vertragsschulden gibt es nicht (es sei denn
auf einer wirklich persönlichen Ebene des Versprechens wie heute
auch schon). Ob es eine Art Kredit geben kann (Entnahme ohne
ausreichenden Beitrag), müsste das Projekt bzw. der Verteilungspool
entscheiden.

"müsste das Projekt bzw. der Verteilungspool entscheiden" - spannende
Perspektive. Ich frag mich, wie die das machen. Sorry, aber das ist
nun wirklich Fetisch pur.

???
Ja, was wie getan oder gelassen wird, entscheiden die Peer-Projekte. Das 
ist das Grundcharakteristikum des Vorschlages: Es gibt keinen Ort 
(keine Instanz), wo das vorentschieden oder vorgegeben wird. Gerade 
diese soziale Entscheidungsfähigkeit ist das Gegenteil eines Fetischs.

Und komm mir bitte nicht mit der 
"Vollversammlung der Kommune" als Antwort - das skaliert nicht, wie
der Informatiker sagt. Wenigstens nicht auf solche Dimensionen von
Projekten, die Christian explizit im Auge hat.

Dann lies bitte den Abschnitt 5.6. "Decision Making"

Das ist in der Tat eine Kernfrage: Sind die gewichteten Stunden
letztlich das Gleiche wie Geld?

Das spricht dagegen:

Geld ist Wertausdruck. Wert ist ein gesellschaftliches Verhältnis,
dass im Tausch Arbeitsquanta in den getauschten Produkten
vergleicht. Ohne Tausch kein Wert, ohne Wert kein Geld. Oder mit
Marx: "Geld als Wertmaß ist notwendige Erscheinungsform des
immanenten Wertmaßes der Waren der Arbeitszeit" (Kapital, 109)

Ich finde es immer wieder toll, wie bei dir die Dinge selbst agieren:
"Wert ist ein gesellschaftliches Verhältnis, das(s) im Tausch
Arbeitsquanta in den getauschten Produkten vergleicht." Marx nannte
das - glaube ich - Fetisch oder so.

Richtig, you got it: Fetisch. Marx fand das auch "toll", seine 
Liebungsworte dafür war "gespenstisch" und "verzaubert". Das verrückte 
ist nur, dass du (und ein paar andere, die mir das auch schon 
schrieben), offensichtlich meine _Darstellung_ für den Fetisch halten 
und nicht die _Sache_ selbst. So wurde und wird Marx immer wieder 
gelesen: Als ob der Fetisch etwas ist, auf den man reinfallen könne, 
wenn man nicht klug genug ist, ein Schein, den man als Kluger 
durchschauen und _damit_ los werden könne.

Dem ist aber nicht so. Man kann ihn durchschauen, aber dennoch nicht 
bloß erkennend loswerden, weil es sich um eine "objektive Gedankenform" 
handelt. Ich muss ihn befolgen, ob ich ihn durchschaue oder nicht.

Wenn du aber den Fetisch in seiner Wirkung schlicht (weg-) bestreitest 
und behauptest, es handle sich nicht "um gesellschaftliche Verhältnisse 
der Sachen" (Kapital 1, 87), sondern -- etwa weil du das 
durchschaust -- doch um Verhältnisse der Personen, dann hast du es in 
der Tat nicht verstanden.

In dieser Einschätzung bestärkt mich auch deine Aussage, dass direkt 
soziale Entscheidungen der wahre "Fetisch" seien (s.o.). Deine Welt 
steht auf dem Kopf: Du denunzierst direkt-soziale Strukturen wie im 
Peer-Konzept beschrieben als fetischistisch und rechtfertigst umgekehrt 
die realen Fetischverhältnisse in der warenproduzierenden Gesellschaft 
als "überhaupt nicht schlimm" (deine letzte Mail).

Da du mir Umgekehrtes vorhältst, wird eine weitere Diskussion nichts 
bringen, wir können dies (mal wieder) nur als Differenz fixieren.

Ich denke (noch immer), dass es 
die Menschen selbst sind, die vergleichen, dass also die Menschen in
einem solchen Verhältnis stehen usw.

Sic.

Und wenn ich mal Holgers These 
vom 7.9.2007 "Wert realisiert sich im Tausch" (du hattest ihr nicht
widersprochen)

Ich stimme ihr sogar explizit zu.

mit der - hoffentlich auch bei dir noch geltenden - Marxschen Annahme
kopple, dass es sich dabei um irgendeine Form von
Arbeitsaufwandrechnung  handelt, die sich in diesen Zahlen
manifestiert, 

Sorry, das ist keine Marxsche, sondern -- wer es gelesen hat, erkennt es 
sofort -- eine Rubensche Annahme, die ich anderswo als bürgerliche 
Ökonomietheorie bezeichnet habe, mit der ich mich nicht weiter 
beschäftigen wolle. Das bleibt auch so: Es gibt genug andere, die das 
tun, das muss ich nicht auch noch machen.

Das spricht dafür:

Gewichtete Stunden vermitteln Beiträge und Entnahmen. Sie fungieren
we Geld als "Zirkulationsmittel" (so heisst das im Fall des
Kapitalismus).

Ich würde es eher Verrechnungseinheit nennen, das wird m.E. dem
Charakter des "gesellschaftlichen Verhältnisses" gerechter. Hier
"zirkulieren" die "weighted hours" ja nur als Bits zwischen den
Konten der Teilnehmer.

Ich bin die drei Funktionen des Geldes von Marx durchgegangen, wie dir 
vielleicht aufgefallen ist, und finde die Bezeichnungen auch genauer.

Gewichtete Stunden können kumuliert werden und geleistete
Anstrengungen als eine Art "Schatz" horten. Im Unterschied zur
kapitalistischen Ökonomie wird mit der Schatzbildung der
"Zirkulation" jedoch kein Wert entzogen, sondern sozusagen
unentgolten vorgeschossen -- also genau der umgedrehte Fall, was
die Auswirkung angeht (insofern eigentlich auch kein Pro-Argument).

Das verstehe ich nicht.

Vielleicht stimmt das auch nicht. Vielleicht ist ein Vergleich nicht 
möglich, weil es etwas Vergleichbares wie "Zirkulation" in der 
Peer-Ökonomie nicht gibt.

Ciao,
Stefan

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